Die britische Flagge spiegelt sich in Wasser
Der Union Jack, die britische Flagge, in einer Wasserspiegelung. (Foto: Pete Linforth/​Pixabay)

Jetzt sind die Briten also raus. Gestern Nacht, Punkt Mitternacht mitteleuropäischer Zeit, ist Großbritannien aus der EU ausgetreten.

In den dreieinhalb Jahren seit dem Brexit-Referendum ist in gefühlt einer Million Gesprächsrunden, Leitartikeln und Sondersendungen rauf- und runterdiskutiert worden, was das Ende der Mitgliedschaft des Vereinigten Königreichs in der Europäischen Union für beide Seiten bedeutet. In erster Linie ging es dabei um wirtschaftliche, politische und auch geostrategische Aspekte.

Die klimapolitischen Konsequenzen, die der Brexit für die EU mit sich bringt, wurden dagegen bislang kaum thematisiert.

Dabei sind diese Konsequenzen alles andere als unerheblich, wie ein kurzer Blick auf die Zahlen verdeutlicht.

Ende 2019 teilte die Europäische Umweltagentur EEA mit, dass die EU ihren Ausstoß von Treibhausgasen um 23 Prozent gegenüber 1990 reduziert hat. Die Zahlen beziehen sich auf 2018, neuere Angaben liegen noch nicht vor. Und Großbritannien ist bei dieser Berechnung natürlich noch einbezogen.

Die EU habe damit ihr Klimaziel für 2020 übererfüllt, so die EEA. Das Ziel sieht eine Minderung von 20 Prozent vor. Die Übererfüllung betrug also drei Prozentpunkte.

Allerdings hat Großbritannien zu dieser Übererfüllung überproportional beigetragen. Laut EEA sind die britischen Emissionen um 40 Prozent gesunken (Stand 2017) – fast doppelt so stark wie im EU-Durchschnitt.

Wenn die britischen Reduktionserfolge künftig nicht mehr in die EU-Gesamtbewertung einfließen, bröckelt die bisherige Rechnung. Ohne Großbritannien dürfte die erreichte Reduktion der EU mehrere Prozentpunkte unter den genannten 23 Prozent liegen.

Folge: Die "Übererfüllung" des Klimaziels für 2020 sieht nach dem Brexit schon nicht mehr ganz so stattlich aus.

Da die Zahlen zur Emissionsentwicklung immer erst mit einer Verzögerung von ein, zwei Jahren vorliegen, wird man erst nächstes oder übernächstes Jahr genau wissen, um wie viel schlechter die EU ohne Großbritannien dasteht.

Fest steht aber schon jetzt: Mit Großbritannien sind die Zahlen der EU besser.

Ohne die Briten wird EU-Klimaschutz schwieriger

Auch was bislang an Reduktionspfaden für das nächste Klimaziel 2030 geplant ist, gerät durcheinander. Ohne die Briten wird es schwieriger. Die verbliebenen 27 Länder müssen, um den dann fehlenden Beitrag Großbritanniens zu kompensieren, künftig mehr CO2 einsparen, als sie es bislang vorhatten.

In derselben Mitteilung der EEA vom letzten Dezember weist die Kopenhagener Behörde darauf hin, dass die bisherigen Maßnahmen der Länder bis 2030 lediglich eine Reduktion um 30 Prozent ergeben werden.

Mit den zusätzlichen Maßnahmen, die von den Staaten bereits angekündigt wurden, sind demnach minus 36 Prozent drin.

Dabei ist Großbritannien immer noch eingerechnet.

Das heißt: Nicht einmal für das schwache 2030er Ziel von 40 Prozent Reduktion, das derzeit noch gilt, reicht die bisherige europäische Klimapolitik aus. Und zwar selbst unter Vor-Brexit-Bedingungen.

Die EU und ihre Mitgliedsstaaten müssen auf jeden Fall mehr tun, damit die Emissionen sinken – und nach dem Brexit sogar noch etwas mehr.

Das gilt erst recht, wenn das EU-Klimaziel für 2030 wie geplant in diesem Jahr verschärft wird. Statt 40 Prozent sind nun 50 bis 55 Prozent im Gespräch.

Wie das in nur einem Jahrzehnt gelingen soll und kann, wo man für die ersten 20 Prozent immerhin 30 Jahre Zeit hatte, ist völlig unklar. Und nach dem Brexit noch viel mehr.

Genauso offen ist die Frage, ob Großbritannien sich weiter am EU-Emissionshandel beteiligt und wie die Lücke im EU-Budget gestopft werden soll, die das Land als bisheriger Nettozahler ab dem kommenden Jahr hinterlässt.

Höchste Zeit, dass endlich auch über diese Themen diskutiert wird. 

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