"Geheime Verträge: EU bezahlt NGOs für Klimalobbyismus". So lautete der Aufmacher der jüngsten Welt am Sonntag, und er sorgte für viel Aufregung, denn der Inhalt wurde von anderen reichweitenstarken Medien wie tagesschau.de aufgegriffen.

Das Thema: Die EU-Kommission soll Nichtregierungsorganisationen mit Steuergeldern finanziert haben, um gezielt gegen deutsche Unternehmen und politische Projekte wie das Freihandelsabkommen Mercosur vorzugehen. Die Vorwürfe lauten: Es gebe geheime Verträge, verdeckte Kampagnen und politische Einflussnahme.

Doch die Frage ist: Wie stichhaltig sind die Behauptungen? Die angegriffenen NGOs – konkret genannt werden die Umweltrechtsvereinigung Client Earth sowie Friends of the Earth Europe, ein Dachverband, dem auch der BUND angehört – weisen die Anschuldigungen zurück.

Der Welt-Artikel zitiert CDU- und CSU-Abgeordnete aus dem Europäischen Parlament, die in der EU-Förderung der NGOs eine gefährliche Nähe zwischen Kommission und Aktivisten sehen. Sie sprechen von möglichem Missbrauch öffentlicher Gelder und einer gezielten Benachteiligung deutscher Wirtschaftsinteressen.

Unter den zitierten Abgeordneten ist die CSU-Politikerin Monika Hohlmeier. Sie hatte bereits Ende 2024 im Haushaltskontrollausschuss des Parlaments vor einer "Instrumentalisierung der Zivilgesellschaft" gewarnt – und damit eine Debatte befeuert, die nun wieder aufflammt.

"Essenzieller Bestandteil eines demokratischen Systems"

Die EU-Kommission sah sich nach dem Welt-Bericht gezwungen, Stellung zu nehmen. Ein Sprecher betonte, es gebe keine geheimen Verträge mit NGOs. Die Finanzierungen seien öffentlich einsehbar über das Finanztransparenzsystem der Kommission.

Das betreffende Förderprogramm "Life", das Natur- und Klimaprojekte in der gesamten Europäischen Union unterstützt, existiere seit Jahrzehnten und sei 2020 durch das EU-Parlament bestätigt worden. Die Gelder fließen danach als Betriebskostenzuschüsse, nicht als Auftragsfinanzierung.

Porträtaufnahme von Ursula von der Leyen.
EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen hat den "Green Deal" schon ziemlich aufgeweicht. Dem rechten Flügel ihrer Parteiengruppe passt aber die ganze Richtung nicht. (Bild: Arno Mikkor/​Euroopa Liidu eesistujariik/​Flickr)

Der Kommissionssprecher sagte dazu: "NGOs sind ein essenzieller Bestandteil eines demokratischen Systems und helfen bei der Umsetzung und Kontrolle von Rechtsvorschriften."

Auch der Grünen-Europaabgeordnete Michael Bloss wies die Vorwürfe zurück. Es handele sich um eine "durchschaubare Kampagne gegen zivilgesellschaftliches Engagement", sagte er. Die finanzielle Unterstützung der EU für Umweltorganisationen sei seit Langem gängige und transparente Praxis.

"Wer demokratisches Engagement delegitimiert, greift die Demokratie selbst an", so Bloss weiter. Der Einfluss großer Erdöl- und Erdgaskonzerne auf die EU-Politik sei um ein Vielfaches größer als jener von NGOs, die lediglich Grundförderungen erhielten.

Christdemokraten pro und kontra "Green Deal"

Die angegriffenen NGOs bestreiten die Vorwürfe vehement. Christiane Gerstetter, Leiterin des deutschen Client-Earth-Büros, versicherte, es werde kein Geld aus dem Life‑Programm für "externe Prozesskosten" ausgegeben. Die Mittel seien zur "teilweisen Unterstützung des Personals und des Betriebs im deutschen Büro" verwendet worden.

Zudem würden die in den EU-Förderanträgen festgelegten Leistungen nicht von der Kommission als Verpflichtungen auferlegt, sondern von den NGOs allein entwickelt. Tatsächlich hat Client Earth auch schon gegen die EU-Kommission selbst geklagt, was wohl kaum dem Bild einer regierungsnahen Lobbygruppe entspricht.

Ein Sprecher von Friends of the Earth sagte: "Der Großteil der Behauptungen, die in dem Welt-Artikel aufgestellt werden, wurde bereits zuvor von einigen deutschen Mitgliedern der EVP und bestimmten Medien vorgebracht und ist bereits widerlegt worden." EVP steht für Europäische Volkspartei. Das christdemokratische Parteienbündnis bildet die größte Fraktion im EU-Parlament.

Der Bericht erscheint vor dem Hintergrund wiederholter Vorwürfe rechter Gruppen, die EU-Kommission verwende Steuergelder unrechtmäßig, um ihre "grüne" Agenda, den Green Deal, zu fördern. Diese Behauptungen haben in den letzten Monaten zunehmend lautstarke Unterstützung auch aus der EVP erhalten.

Bemerkenswert ist dabei, dass auch Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen als CDU-Politikerin aus den Reihen der EVP stammt.

Die "Geheimverträge" sind nicht dokumentiert

Die bruchstückhaften Zitate, die die Welt am Sonntag bringt, und vor allem die mitgelieferte Bewertung haben es in sich. Brüsseler Beamte hätten für die Zahlungen eine "Gegenleistung" erwartet.

Client Earth etwa habe sich in einem Vertrag vom 7. Dezember 2022 verpflichtet, den Ausstieg aus der Kohlekraft voranzutreiben und dabei mit "Bürgerbewegungen" und "Klima-Camps" zusammenarbeiten. Dafür seien dann 350.000 Euro geflossen.

Die Juristen-NGO werde gegen "bestimmte Kohlekraftwerke" vorgehen, indem sie behördliche Genehmigungen zum Ausstoß von Emissionen und zur Nutzung von Wasser anfechten werde. Ziel sei es, das "finanzielle und rechtliche Risiko für Eigentum und Betrieb der Kraftwerke" zu erhöhen.

Ein Problem bei der Bewertung der Vorwürfe ist allerdings, dass die angeblichen Geheimverträge, aus denen die Welt am Sonntag zitiert, nicht dokumentiert wurden. Die Schriftstücke seien der Welt auf einem Computer von Mitarbeitern einer EU-Institution gezeigt worden, "obwohl sie das eigentlich nicht dürfen".

"Man kann die Seiten weder drucken noch nach Begriffen durchsuchen. Und alle 30 Minuten verschwinden sie, müssen neu geladen werden. Das erschwert – wohl absichtlich – die Lektüre", schreibt das Blatt.

 

Hilfreich wäre es natürlich, wenn die Welt alles dokumentiert hätte, etwa mit Handyfotos der Vertragsseiten, sodass nachvollziehbar wäre, ob es sich wirklich um gesonderte "Geheimverträge" handelt – oder um einen jener 28 Verträge, die von anderen Medien bereits Anfang des Jahres eingesehen werden konnten.

Diese, darunter das (wie die Welt zum Springer-Verlag gehörende) Magazin Politico, fanden damals keine Belege dafür, dass die Kommission Umweltorganisationen dafür bezahlt hätte, in ihrem Auftrag Lobbyarbeit zu machen.

Handelt es sich um dieselben Papiere, wäre der Welt-Aufmacher eine ziemliche Luftnummer. Oder, wie der Faktenchecker-Blog Volksverpetzer, der sich der Aufklärung gegen Fake News verschrieben hat, in einer ausführlichen Analyse zu dem Fall meint: "Welt plappert einfach eine alte rechte Verschwörung nach."

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