Luftbild eines Nadelswald
Zu viele Ansprüche an den Wald? CO2-Speicher, nachhaltige Ressource und günstiger Brennstoff. (Foto: Stocksnap/​Pixabay)

Wer ein Stück Schokolade isst, weiß in der Regel nicht, ob sein Konsum die weltweite Entwaldung weiter vorantreibt. Wahrscheinlich ist das aber schon, denn damit die Schokolade schön cremig wird, kommt Palmöl hinein.

Für den Anbau der Ölpalmen wird noch zu häufig in Indonesien und andernorts tropischer Regenwald abgeholzt. Auch für etliche andere Produkte fallen viele Bäume, zum Beispiel für Kaffee, Soja, Mais oder Kautschuk.

Experten sprechen hier von importierter Entwaldung. Und ebenjene will die Europäische Union künftig zurückdrängen. Welche Mittel sich dafür eignen, wurde zwei Tage lang in Brüssel auf einer Waldkonferenz der EU-Kommission diskutiert.

Der Anlass: Die EU will ihre Waldstrategie überarbeiten. Im Sommer will sich das Europäische Parlament dazu positionieren, kündigte der Vorsitzende des Umweltausschusses Pascal Canfin an.

Dabei soll es auch um Waldverluste in Drittstaaten gehen, die durch Importe in die EU verursacht werden. Canfin warb für ein entsprechendes EU-Siegel. "In der EU gibt es bisher kein Label, das zeigt, welche Produkte Entwaldung verursachen und welche nicht", sagte er. "Dieses Schlupfloch müssen wir wirklich schließen", forderte der Ausschussvorsitzende.

Umweltschützern ist das zu wenig. Sini Eräjää von Greenpeace Europa forderte klare Vorgaben. "Wir brauchen verbindliche EU-Regeln, um Produkte, die Entwaldung verursachen, vom Binnenmarkt der EU auszuschließen", sagte Eräjää auf der Konferenz. Beim Einkaufen solle niemand prüfen und wählen müssen, welches Produkt frei von Waldzerstörung oder Menschenrechtsverletzungen sei.

Aus Sicht von Eräjää ist besonders der Konsum in Europa eine Gefahr für die weltweiten Waldbestände. "In der EU leben nur sieben Prozent der Weltbevölkerung, aber wir verbrauchen 20 Prozent der Kapazitäten, die die weltweiten Flächen produzieren können." Auch die SPD-Abgeordnete Delara Burkhardt warb für verbindliche Vorgaben für Produkte, auch bei Finanzprodukten.

Zu viele Ansprüche an den Wald

Während es beim Stopp von importierter Entwaldung vor allem um die passenden Maßnahmen ging, sind die Ansprüche an die Wälder in der EU deutlich überfrachtet. So sollen sie bei dem EU-Ziel, bis 2050 klimaneutral zu werden, eine zentrale Rolle spielen. Dass das Pflanzen von Bäumen einen erheblichen Beitrag zum Klimaschutz leisten kann, ist unbestritten. Doch häufig wird bei solchen Berechnungen – wie jüngst von der ETH Zürich – nur auf die Emissionen geschaut.

Nach den Plänen der EU sollen die Wälder künftig auch dabei helfen, die Vielfalt der Arten zu erhalten. Als wäre das noch nicht genug, soll Holz künftig noch stärker genutzt werden – als schnell nachwachsende und "nachhaltige" Ressource, zum Beispiel in Form von Biomasse für die Erzeugung von Strom oder Wärme oder im Bauwesen.

"Wir müssen einen Ausgleich zwischen all diesen Interessen schaffen", sagte EU-Klimakommissar Frans Timmermans auf der Konferenz. Wenn man das tue, spräche auch nichts dagegen, die wirtschaftlichen Interessen zu berücksichtigen.

Dass die geplante Waldstrategie vor allem wirtschaftliche Ziele bedient, fürchtet denn auch Jana Ballenthien, Waldreferentin der Umweltorganisation Robin Wood. "Sämtliche Maßnahmen stehen unter der Prämisse der wirtschaftlichen Nutzung von Holz", sagte Ballenthien. Das meiste Holz lande aber nicht in langlebigen Produkten, sondern werde zu Papier und zu Pressholzmöbeln verarbeitet – oder zunehmend in Form von Pellets und Brennholz verfeuert.

Förster widerspricht Klimakommissar

Nach Angaben des Försters Peter Wohlleben werden jedes Jahr 60 Millionen Festmeter in Deutschland verbrannt. "Als hoch entwickelte Industrienation verfeuern wir unsere Wälder in Öfen und Kraftwerken", beklagte Wohlleben. Doch anders als häufig propagiert, sei die Nutzung von Holz nicht klimaneutral. "Weil Holz eine geringere Energiedichte als Kohle hat, ist es sogar klimaschädlicher", sagte Wohlleben.

Der Förster fordert weniger bewirtschaftete Waldflächen, womit er sich in seiner Branche kaum Freunde machen dürfte. "Wälder sind umso besser aufgestellt, je weniger wir sie stören", sagte Wohlleben auf der Brüsseler Konferenz.

Zuspruch bekam er von Michal Wiezik, Ökologe und slowakischer Europa-Abgeordneter. Forstwirtschaft, selbst wenn sie nach nachhaltigen Prinzipien erfolge, verhindere die Existenz alter Bäume. "Die meisten Bäume werden schon innerhalb des ersten Drittels ihrer möglichen Altersspanne gefällt", sagte Wiezik. Auch die Artenvielfalt sei in Wirtschaftswäldern deutlich geringer als in unbewirtschafteten Wäldern.

Deshalb fordert der Abgeordnete Wiezik, die wenigen in Europa noch vorhandenen Urwälder wie in den Karpaten oder in Skandinavien zu erhalten. Denn noch immer sind diese Urwälder von Abholzung bedroht.

Auch Waldschützerin Ballenthien warnt: "Die neue Waldstrategie führt in eine Sackgasse, wenn nicht gleichzeitig ein bedingungsloser Schutz noch bestehender intakter Ur- und Naturwälder sichergestellt wird."