Estland will das angestrebte EU-Klimaziel, bis 2050 klimaneutral zu werden, unterstützen. Das kündigte Premierminister Jüri Ratas am Donnerstag auf Twitter an.
"Ein sauberer Planet für alle und die Unterstützung für den Green New Deal ist das wichtigste strategische Ziel der EU für die Zukunft", schrieb der Premier. "Ich freue mich zu verkünden, dass die estnische Regierung sich heute einstimmig dafür ausgesprochen hat, dass die EU bis 2050 klimaneutral wird."
Im Juni war ein entsprechender Beschluss der Staats- und Regierungschefs der EU-Länder noch am Widerstand vor allem von Polen, Tschechien und Ungarn gescheitert. Estland hatte damals ebenfalls Bedenken geäußert. Das baltische Land gehörte auch sonst eher zu den Bremsern der europäischen Energiewende.
Die neue EU-Kommissarin Ursula von der Leyen, die im November ihr Amt antritt, hatte vor ihrer Wahl einen europäischen "Grünen Deal" versprochen, in dessen Rahmen ein EU-Klimaschutzgesetz das Ziel von netto null Treibhausgasemissionen für 2050 gesetzlich verankern soll.
Außerdem will von der Leyen den EU-Emissionshandel auf die Schifffahrt ausweiten und die kostenlosen Zertifikate für Fluglinien nach und nach reduzieren. In Zukunft sollen auch Verkehr und Gebäude unter den Emissionshandel fallen.
Estlands Unterstützung für das Klimaneutralitätsziel wurde verkündet, während sich Kadri Simson, die von der Leyen als Energiekommissarin vorgeschlagen hat, im EU-Parlament den Fragen des zuständigen Industrieausschusses stellen musste. Die estnische Politikerin von der sozialliberalen Zentrumspartei war bis April Wirtschaftsministerin in Ratas' Kabinett. Zuvor war Simson lange Zeit Abgeordnete und Vorsitzende ihrer Fraktion im Riigikogu, dem estnischen Parlament.
Designierte Energiekommissarin setzt auf Gas
Vor dem Ausschuss kündigte Simson an, die Energiegesetzgebung der EU mit dem Ziel überarbeiten zu wollen, die EU bis 2050 klimaneutral zu machen. Spätestens in zwei Jahren solle das CO2-Reduktionsziel für 2030 auf 50 bis 55 Prozent gegenüber 1990 angehoben werden. Es sei machbar, dieses Ziel zu erreichen und trotzdem international wettbewerbsfähig zu bleiben, sagte Simson, die jedoch anders als ihr Vorgänger Miguel Arias Cañete nicht auch für Klimapolitik zuständig sein soll.
Simson kündigte an, dass Gas dabei ihrer Meinung nach eine große Rolle spielen wird. "Ich will untersuchen, wie wir die Gas-Gesetzgebung und -Infrastruktur am besten fit für die Zukunft machen können und wie die Nutzung von 'CO2-armen Gasen' wie Wasserstoff und erneuerbaren Gasen zur Dekarbonisierung beitragen kann."
Gas sei die effizienteste Möglichkeit, Kohlekraftwerke zu ersetzen, sagte Simson. In der nahen Zukunft werde es dabei immer weniger um Erdgas und immer mehr um Biogas und Wasserstoff gehen, die bei der Sektorkopplung zwischen Energie, Verkehr und Wärme helfen könnten.
Basierend auf den Empfehlungen der Abgeordneten wird im EU-Parlament am 17. Oktober entschieden, ob die Ausschüsse genügend Informationen von den Kandidaten und Kandidatinnen enthalten haben. Wenn ja, stimmt das Parlament am 23. Oktober über die EU-Kommission als Ganzes ab.
Europäische Umweltschützer fragen unterdessen, wie ernst es die estnische Regierung mit ihrer neuen Klimapolitik meint: Erst am Montag hatte das Kabinett Ratas neue Finanzhilfen für den Ausbau der Ölschieferindustrie beschlossen. Durch seine starke Abhängigkeit vom Ölschiefer hat Estland einen höheren CO2-Fußabdruck als fast alle anderen europäischen Staaten.