Paris im Jahr 2100. Hier ist es nun durchschnittlich so warm wie 2025 im südfranzösischen Montpellier. In der Stadt an der Mittelmeerküste wiederum herrschen Temperaturen wie 75 Jahre zuvor in Andalusien, der südlichsten Region Spaniens.
Das ist ein keineswegs pessimistisches, sondern ein realistisches Szenario, wenn die Politik ein "Weiter so" fährt. Denn die Welt befindet sich nach UN-Berechnungen auf einem Pfad zu drei Grad Erwärmung zum Ende des Jahrhunderts. Für Frankreich bedeutet das eine um 2,7 Grad höhere Temperatur im Jahr 2050 und um vier Grad für 2100, denn Europa erhitzt sich überdurchschnittlich schnell.
Genau dieses Szenario nimmt die französische Regierung seit zwei Jahren als Referenz, um das Land auf die "tragische Realität" vorzubereiten, wie Umweltministerin Agnès Pannier-Runacher erklärte. "Es gibt keinen Ort auf unserem Territorium, der nicht von der Erderwärmung betroffen ist", sagte sie bei der Vorstellung von Frankreichs drittem nationalem Plan zur Anpassung an den Klimawandel, kurz Pnacc‑3. Das war Mitte März, erwartet worden war der Klimaplan schon zwei Jahre zuvor – unter anderem eine Regierungskrise kam dazwischen.
Nun stehen da 52 Maßnahmen, um die französische Bevölkerung auf die drängendste aller Krisen vorzubereiten, die Folgen des Klimawandels. Küsten, Gebirge und Wälder sowie die Landwirtschaft sollen als die am stärksten betroffenen Gebiete und Sektoren Priorität haben.
Die Ausbildung von Landwirten soll verändert, Studien zur Anpassung von Verkehr und landwirtschaftlichen Betrieben durchgeführt und der Schutz von Arbeitnehmer:innen bei Hitzewellen verstärkt werden.
Wohnungen sollen besser vor Hitze schützen und auch wichtige Kulturstätten wie der Eiffelturm auf Hitzewellen vorbereitet werden. Um eine Risikokultur in der Bevölkerung zu entwickeln, sollen Freiwillige geschult werden, die bei Extremereignissen wie Überschwemmungen mobilisiert werden können.
Frankreichs Klimaanpassungs-Plan: Fünf Maßnahmen im Detail
Frankreichs nationaler Plan zur Anpassung an den Klimawandel unterteilt seine 52 Maßnahmen in fünf Kategorien: schützen – die Bevölkerung sowie das Kulturerbe –, absichern, anpassen und mobilisieren.
Um die Bevölkerung zu schützen, sieht der Klimaplan zum Beispiel vor, das Land besser auf Naturkatastrophen vorzubereiten. Dazu sollen Flächen entsiegelt und die natürliche Funktionalität von Wasserläufen wiederhergestellt werden, um der Entstehung von Hochwasser entgegenzuwirken. Wälder mit hohem Brandrisiko sollen mit Detektoren und Überwachungspatrouillen besser geschützt werden.
Zudem soll Frankreichs Kulturerbe besser geschützt werden. Für die wichtigsten Kulturstätten – auch für Parks und Gärten – sollen klimabedingte Risikofaktoren ermittelt und die regelmäßige Instandhaltung verbessert werden. Besonders wichtig sind dabei Wärmedämmung und Luftzirkulation in Gebäuden, denn steigende Temperaturen oder trockenere Luft können Sammlungen in Archiven und Museen gefährden. Auch die energetische Sanierung solcher Gebäude soll deshalb gefördert werden.
Um die Bevölkerung besser gegen Naturkatastrophen abzusichern, nimmt der Klimaplan unter anderem Versicherungen in die Verantwortung, denn es wird bereits ein Rückzug von Versichern aus Regionen mit hohen Klimarisiken beobachtet. Geplant ist deshalb ein landesweites, bezahlbares Versicherungsangebot.
Auch das Gesundheitswesen soll auf Klimafolgen vorbereitet werden, indem etwa das Personal geschult wird. Dabei geht es um Umweltrisiken in den Einrichtungen und um Krankheiten, die in Zusammenhang mit dem Klimawandel stehen.
Das größte Kapitel des Klimaplans ist der Anpassung in der Landwirtschaft gewidmet. Der Sektor soll nicht nur widerstandsfähiger gegen Klimaschwankungen werden, sondern sich auch zu einer ökologischen Landwirtschaft entwickeln. Dafür will der Staat 400 Millionen Euro Eigenkapital bereitstellen, um innovative Lösungen und Betriebe in der agrarökologischen Umstellung zu fördern. Das soll auch Frankreichs Ernährungssicherheit garantieren.
In dem Maßnahmenpaket geht es immer auch darum, die Risikokultur in der Gesamtbevölkerung zu stärken und die Franzosen zu Akteuren ihrer eigenen Sicherheit zu machen. Teil dieser Kommunikationsstrategie ist eine jährliche Anpassungswoche, bei der sich jede und jeder über die Folgen des Klimawandels und mögliche Anpassungslösungen informieren soll.
Aber auch ein sogenanntes "Green Team" soll dazu beitragen. Die Gruppe aus Science-Fiction-Autor:innen, Wissenschaftler:innen und Pädagog:innen soll positive Visionen für ein ökologisches Frankreich im Jahr 2100 entwerfen und damit die Politik in Sachen Klimaanpassung lenken.
"Untätigkeit wird viel teurer"
Das alles klingt nach einem Plan, der Frankreich tatsächlich auf den richtigen Klima-Anpassungskurs bringen könnte. Doch es gibt einen Knackpunkt: die Finanzierung.
Der Klimaplan sieht zwar die Aufstockung eines bestehenden Umwelt-Fonds um 75 Millionen Euro vor, doch die damit insgesamt 300 Millionen Euro "sind ein Tropfen auf dem heißen Stein im Vergleich zu den benötigten Beträgen", kritisierte Anne Bringault vom Réseau Action Climat (RAC), einem Zusammenschluss von 27 französischen Umweltverbänden.
Der Klimaplan lege für die Mehrheit der vorgeschlagenen Maßnahmen kein Budget fest, so Bringault. "Wie soll man Maßnahmen umsetzen, für die es kein Budget gibt, und mit welchem Ziel?"
Eine berechtigte Frage – und keine, die erst jetzt aufkam. Bereits in der öffentlichen Konsultationsphase bemängelten fast alle der knapp 6.000 eingegangenen Beiträge, dass für das Maßnahmenpaket nicht gleichzeitig auch ein Budget festgelegt wird. Offensichtlich wurde in der endgültigen Version jedoch nicht nachgebessert.
Der Klimaplan gehe in die richtige Richtung, "aber es fehlen ihm Kopf und Beine", bringt es Nicolas Richard vom Umweltdachverband France Nature Environnement (FNE) gegenüber der Agentur AFP auf den Punkt. Denn es mangele nicht nur an Finanzierung, sondern auch an operativem Ehrgeiz. Der Plan "bleibt eher kurzfristig orientiert, statt langfristige Veränderungen einzuleiten", ergänzt Adèle Tanguy, Expertin für Klimaanpassung.
Auch die Entwicklungsorganisation Oxfam hält den Plan für "nicht umsetzbar". Sie kritisiert außerdem, dass Frauen, Ältere, Kinder und Menschen unter der Armutsgrenze darin nicht ausreichend berücksichtigt wurden, obwohl sie den Klimarisiken am stärksten ausgesetzt sind. "Eine weitere verpasste Gelegenheit, die Bevölkerung zu schützen", urteilt die NGO. "Untätigkeit wird viel teurer werden als Anpassung."
Genau das Gleiche hatte die Umweltministerin sogar selbst verkündet. Pannier-Runacher mahnte, dass "ein Euro, der in die Anpassung investiert wird, morgen sieben bis acht Euro an vermiedenen Schäden bedeuten wird". Auf Worte müssen eben auch Taten folgen.