Droht schon wieder ein Dürrejahr? In Teilen Deutschlands, vom allem im Nordosten, sieht es kritisch aus. Das trockene Frühjahr erinnert dort an die Extremjahre 2018 bis 2020.
Landwirte in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern befürchten Ernteeinbrüche. Im Harz gab es jetzt schon den dritten Waldbrand in wenigen Wochen, und vielerorts sinken die Grundwasserspiegel.
Kommt nun wieder ein Trockenjahr mit verdorrten Wiesen und Äckern, abgestorbenen Wäldern, ausgetrockneten Bächen und zurückgefahrenen Kraftwerken?
Noch ist die Lage nicht dramatisch, heißt es beim Deutschen Wetterdienst (DWD) in Offenbach. Die oberen Bodenschichten im Norden und am Rhein entlang seien derzeit zwar deutlich trockener als normalerweise, auch wegen der zuletzt sommerlichen Temperaturen mit Spitzen über 30 Grad. Die meisten Pflanzen kämen aber noch ganz gut zurecht mit der Restfeuchte im Boden.
Zudem hätten Niederschläge, oft als Gewitter, hier und dort Entspannung gebracht, sagte DWD-Sprecher Andreas Friedrich gegenüber Klimareporter°. Im Süden und Südosten ist die Bodenfeuchte laut Wetterdienst relativ normal, im Alpenbereich sogar höher als üblich.
Ob 2022 die Nachfolge der Dürrejahre 2018, 2019 und 2020 antritt, ist offen. Langfrist-Modelle sagen laut Friedrich zwar einen "etwas zu trockenen" Sommer voraus. Problem sei aber: Die Treffsicherheit dieser Prognosen ist weit geringer als die der normalen Wettervorhersage. Es kann immer noch ein normales 2022 werden.
2021 hat mit mehr Regen zumindest in den obersten Bodenschichten wieder normale Verhältnisse erzeugt. Auch im letzten Winter regnete es überdurchschnittlich – dann kamen aber ein außergewöhnlich trockener März, ein im Schnitt normal feuchter April und eine trocken-warme erste Mai-Hälfte. "Eine Garantie darauf, wie es weitergeht, wird Ihnen kein Meteorologe geben", so der DWD-Sprecher.
Doch selbst wenn 2022 "normal" wird, Folgen hat die Trockenperiode, die 2018 einsetzte, auch jetzt noch. Der Dürremonitor des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig zeigt das: Vor allem in Brandenburg, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und in Teilen von Nordrhein-Westfalen und Sachsen sind die Böden bis in 1,80 Meter Tiefe so ausgetrocknet, dass die Flächen auf der Karte tiefrot und dunkelbraun markiert wurden – das steht für "extreme Dürre" und "außergewöhnliche Dürre".
Es sind Regionen, in denen die Bodenfeuchte seit 2018 zurückging und es seither nicht ausreichend geregnet hat. Wo dort Wälder stehen, muss mit neuen Schäden auch in diesem Sommer gerechnet werden. Die Bäume können in dem trockenen Grund nicht genügend Wasser aufnehmen.
Nötig wären hier zwei, drei richtig nasse Winter, um das Niederschlagsdefizit auszugleichen. Andernfalls verschärft jede neue Dürreperiode das Problem weiter.
Dürre ab 2018 verschiebt die Maßstäbe
Wie einschneidend die Periode 2018 bis 2020 war, zeigt nun eine neue UFZ-Studie. Danach war dieses Dürreereignis das heftigste in Europa seit Mitte des 18. Jahrhunderts – mindestens. Seitdem habe sich keine Dürre so großflächig über Europa ausgebreitet, und kein Temperaturanstieg während einer Dürreperiode sei so groß ausgefallen, so die Wissenschaftler.
"Die Dürreperiode 2018 bis 2020 ist die neue Benchmark für Dürren in Europa", sagte Oldřich Rakovec, Hauptautor der in der Zeitschrift Earth’s Future der American Geophysical Union veröffentlichten Untersuchung.
Die Forscher belegen das anhand einer Vielzahl von Fakten, die sie durch die Rekonstruktion historischer Dürren bis ins Jahr 1766 erhielten. Die Ausmaße dieser Dürren verglichen sie mit der Trockenheit 2018 bis 2020. Letztere betraf rund 36 Prozent der Landfläche Europas, vor allem in mitteleuropäischen Ländern wie Frankreich, Deutschland und Tschechien.
Rakovec: "Kein anderes Dürreereignis in den vergangenen mehr als 250 Jahren hatte eine so große räumliche Ausdehnung wie dieses." Ungewöhnlich lang war auch die Gesamtdauer: von April 2018 bis Dezember 2020, also 33 Monate. Nur die Dürre zwischen 1857 und 1860 dauerte laut der Studie mit 35 Monaten etwas länger. Auch die "Fortsetzung" der Dürre in den tiefen Bodenschichten 2021 und 2022 ist ein Ausreißer.
Mehr Dürren weltweit
Weltweit ist die Zahl der Dürren seit 2000 um 29 Prozent gestiegen, auch die Dauer nahm zu. Das geht aus einem UN-Report hervor, der jetzt auf der 15. Weltbodenkonferenz in Abidjan in der westafrikanischen Elfenbeinküste vorgestellt wurde. Der wirtschaftliche Schaden durch Trockenheit wird in dem Bericht für die zwei Jahrzehnte von 1998 bis 2017 auf umgerechnet rund 117 Milliarden Euro beziffert.
Dürren gehörten zu den größten Bedrohungen einer nachhaltigen Entwicklung, sagte Ibrahim Thiaw, der das sekratariat der UN-Wüstenkonvention UNCCD leitet. "Land trocknet aus, fruchtbarer Boden verwandelt sich in Staub." Es wird erwartet, dass die Klimaerwärmung die Situation in vielen Regionen der Welt noch verschärft. Thiaw nannte die zunehmenden Dürren auch in Europa einen "Weckruf für die Europäer". Kein Land sei dagegen immun.
Einen historischen Rekordwert erreichte laut den UFZ-Autoren auch der Anstieg der Lufttemperatur in Europa mit einem Plus von 2,8 Grad Celsius im Vergleich zur jährlichen Durchschnittstemperatur in den letzten 250 Jahren. "Die Dürren in der Vergangenheit waren eher kalte Dürren, bei denen sich die durchschnittliche Temperatur kaum veränderte", erläuterte Rohini Kumar, Co-Autor der Studie.
Bei einer "warmen" Dürre verdunstet deutlich mehr Wasser, und das verschärft die Folgen für die Landwirtschaft. So gingen die Ernten 2018 bis 2020 deutlich zurück – in Deutschland beim Mais zum Beispiel zwischen 20 und 40 Prozent, beim Weizen bis zu 17,5 Prozent.
In einem sich weiter erwärmenden Klima werden Dürren, wenn sie eintreten, noch stärker zuschlagen. Rakovec und sein Team haben in Simulationen untersucht, wie sich ein gemäßigter sowie ein ungebremster Klimawandel auf die Dauer und Ausdehnung künftiger Dürren auswirken werden.
Die Ergebnisse sind erschreckend: Selbst bei einer moderaten Zunahme der Treibhausgase in der Atmosphäre wird sich bis 2100 die Dauer im Durchschnitt auf 100 Monate verlängern, also auf über acht Jahre. Betroffen wäre etwa die Hälfte der Landfläche Europas.
Noch weit heftiger ist das Resultat beim ungebremsten Klimawandel: Dann könnten Dürren im Schnitt 200 Monate andauern, über 16 Jahre, und bis zu 70 Prozent von Europa könnten betroffen sein.
Die UFZ-Forschenden halten es für dringend angezeigt, dass die Politik sich auf die Mega-Dürren der Zukunft einstellt. "Vor allem für die Agrarpolitik sollte das ein Weckruf sein, sich mit geeigneten Maßnahmen gegen den drohenden Wassermangel auseinanderzusetzen", sagte UFZ-Arbeitsgruppenleiter Luis Samaniego.
Als Beispiele nannte er: das Anlegen großer, auch unterirdischer Wasserreservoirs, die Nutzung effizienter Bewässerungstechnologien und die Züchtung hitzeresistenter Pflanzensorten.
Auch diese Maßnahmen können aber letztlich nur greifen, wenn der Klimawandel wenigstens abgemildert wird, indem fossile Rohstoffe im Boden bleiben.