In den Regenwäldern Südamerikas leben Vögel mit exotischen Namen wie Türkisnaschvogel und Krauskopf-Blaurabe. Sie fressen Pflanzensamen und scheiden diese meist an anderer Stelle wieder aus.
Im Idealfall wachsen dann neue Bäume aus den Samen und speichern CO2 – umso mehr davon, je größer die Baumhöhe und Holzdichte ist, sagt Jörg Albrecht vom Senckenberg-Forschungszentrum für Biodiversität und Klima in Frankfurt am Main.
Solche Bäume tragen auch entsprechend große Früchte. Nur Vögel mit großen Schnäbeln wie der Riesentukan (Foto oben) schlucken deren Samen unbeschädigt herunter.
Indem sie die Samen in der Landschaft verbreiten, forsten die Tiere den Regenwald damit indirekt wieder auf. Dadurch lassen sich Arbeit und Kosten durch die Wiederaufforstung von Menschenhand sparen.
Große Vögel wandern ungern
Doch der naturbasierten Lösung steht etwas entgegen. In einem durch Abholzung bereits stark fragmentierten Regenwald, der Mata Atlântica an der Ostküste Brasiliens, fliegen große Vögel selten zwischen den verbleibenden Waldstücken umher.
Tatsächlich hören sie damit auf, wenn die Abstände zwischen zwei Gebieten mehr als 130 Meter betragen, haben Forschende von der ETH Zürich errechnet. Auch schränke es die Bewegung größerer Arten ein, wenn weniger als 40 Prozent der Landschaft von Wald bedeckt seien.
Kleinere Vögel störe das weniger. Allerdings verbreiten sie auch nur kleine Samen mit geringerem CO2-Speicherpotenzial.
Seine Ergebnisse hat das Team des Crowther Lab, das an naturbasierten Lösungen zum Schutz von Biodiversität und Klima forscht, in der Fachzeitschrift Nature Climate Change veröffentlicht. Insgesamt gingen durch die begrenzte Bewegungsfreiheit großer Vögel im Atlantischen Regenwald 38 Prozent an potenziell speicherbarem Kohlenstoff gegenüber weniger fragmentierten Landschaften verloren, schreiben die Wissenschaftler:innen.
Von der Mata Atlântica, die sich einst mit rund 1.300.000 Quadratkilometern über das östliche Brasilien erstreckte, sind – verteilt auf viele kleine Gebiete – nur noch etwa zwölf Prozent übriggeblieben.
Dass der Verlust an potenziell speicherbarem Kohlenstoff so hoch ist, überrascht Jörg Albrecht. Dennoch hält er die Ergebnisse der Studie für realistisch.
Für ihre Berechnung haben die Züricher Forscher:innen ein Simulationsmodell benutzt, in das empirische Daten eingeflossen sind. So sammelten sie Informationen darüber, welche Pflanzen einzelne Vogelarten fressen, wie sie sich bewegen und wie lange es dauert, bis sie die Samen wieder ausscheiden. Dadurch kamen die Wissenschaftler:innen unter anderem auf den Wert der für die Bewegungen von großen Vögeln relevanten Waldbedeckung von mindestens 40 Prozent.
"Dank dieser wichtigen Informationen können wir dort, wo die Waldbedeckung diesen Schwellenwert unterschreitet und Wiederherstellungsmaßnahmen daher besonders dringend und effektiv sind, gezielt aktiv werden, etwa indem wir Bäume pflanzen", sagt die an der Studie beteiligte Tropenökologin Daisy Dent.
Naturbasierte Lösungen fördern
Tatsächlich gibt es Pläne, den Atlantischen Regenwald, der Millionen Brasilianer:innen mit Wasser versorgt, das Klima reguliert und eines der artenreichsten Ökosysteme der Welt ist, wieder aufzuforsten. Den ETH-Forscher:innen zufolge könnten naturbasierte Lösungen diesen Prozess unterstützen: zum Beispiel indem Fruchtbäume gepflanzt werden, die entsprechende Tiere anlocken.
Jörg Albrecht hält das für eine gute Idee. So könnten solche Bäume in fragmentierten Landschaften als "Trittsteine" für große Vögel dienen, die dadurch auch längere Strecken zwischen Waldgebieten überwinden.
Auch einen weiteren Vorschlag der Züricher Kolleg:innen hält Albrecht für sinnvoll: Wilderei in tropischen Wäldern und Wildtierhandel sollten nach Möglichkeit verhindert werden.
In ihrer Studie beziehen sich die Autor:innen ausschließlich auf Vögel. Doch auch manche Säugetiere spielen laut der Hauptautorin der Studie, Carolina Bello, eine wichtige Rolle in der Verbreitung von Pflanzensamen. In einem Erklärvideo sagt die Forscherin: "Der nächste Schritt wird deshalb sein, die Rolle dieser Tierklasse – und auch die von Mykorrhiza – in der Verbreitung von Samen vor allem in den tropischen Wäldern zu erforschen."
Manche Säugetiere fressen allerdings auch die aus den Samen wachsenden Setzlinge oder die Arten, die die Samen verbreiten. Extremwetterereignisse wie Dürren könnten ebenfalls verhindern, dass aus Pflanzensamen ein neuer Wald entsteht.
All diese verschiedenen Einflüsse und Wechselwirkungen müssten laut den Züricher Wissenschaftler:innen noch erforscht werden, um die Aussagekraft ihrer Studie zu verbessern.
Wichtig wäre dabei auch ein Blick auf andere Waldgebiete. In seiner Erhebung konzentrierte sich das Team auf ein einziges geschütztes Waldgebiet der Mata Atlântica und die darin lebenden fruchtfressenden Vögel. In anderen Waldstücken könnte zum Beispiel die Zahl der großen Bäume durch die Fragmentierung zurückgehen oder invasive Arten anlocken, schreiben die Forscher:innen. Beides müsste ihnen zufolge in künftigen Arbeiten untersucht werden.
Auch Jörg Albrecht ist der Meinung, dass die Übertragbarkeit der Studienergebnisse durch vergleichbare Untersuchungen in anderen Waldgebieten getestet werden sollte. Dafür anbieten würden sich ihm zufolge regenerierte Gebiete, die unterschiedlich stark fragmentiert sind und in denen die Landnutzung aufgegeben wurde.