Rekordtemperaturen durch die globale Erwärmung führen zu immer häufigeren Korallenbleichen. (Bild: Acropora/​Wikimedia Commons)

Farblose Korallenskelette von der Karibik über den Indischen Ozean bis zum Great Barrier Reef im Osten Australiens – überall bleichen Korallenriffe wegen zu hoher Wassertemperaturen aus.

Mitte April meldete die NOAA, die Wetter- und Ozeanbehörde der USA, dass 54 Prozent der Riffe davon betroffen seien. Jede Woche komme etwa ein Prozent hinzu.

Es handelt sich um die vierte beobachtete Korallenbleiche von globalem Ausmaß. Um als globales Ereignis klassifiziert zu werden, müssen mindestens zwölf Prozent der Korallenriffe betroffen sein sowie Nachweise für das Ausbleichen im Pazifik, im Indischen Ozean und im Atlantik vorliegen.

Das erste der Events fand 1998 statt und betraf 20 Prozent der Riffe. 2010 litten bereits 35 Prozent der weltweiten Korallen unter Hitzestress und zwischen 2014 und 2017 waren es 56 Prozent. Da sich die gegenwärtige Korallenbleiche rasant ausweitet, gehen Forscher:innen davon aus, dass sie einen neuen, traurigen Höchstwert erreicht.

Die großen und vielfältigen Korallenlandschaften der Meere gehören zu den Biodiversitäts-Hotspots des Planeten. Obwohl sie nur etwa ein Prozent des Meeresgrunds bedecken, beheimaten sie ein Viertel aller marinen Arten.

Hunderte Millionen Menschen sind von diesen Ökosystemen abhängig, wie der Erdsystemforscher Tim Lenton von der britischen Universität Exeter erklärte. Sie spielen eine Schlüsselrolle beim Erhalt von Fisch- und Schalentierarten, die für das Überleben vieler Küstengemeinschaften essenziell sind. Die Riffe wirken außerdem als natürlicher Wellenbrecher und schützen damit Küstengebiete vor Stürmen.

Korallenbleiche muss nicht den Tod der Korallen bedeuten

Korallen sind Nesseltiere, die am Meeresboden sogenannte Kolonien bilden und damit ein eigenes Ökosystem schaffen. Wie die meisten sesshaften Arten im Meer ernähren sich die Korallen von aus dem Meerwasser herausfiltrierten Nährstoffen und Plankton.

Das ist aber nicht alles. Die in der Nähe der Wasseroberfläche vorkommenden Arten gehen eine Symbiose mit Mikroalgen ein. Diese beliefern die Korallen mit Photosynthese-Produkten, wie etwa Zucker, und erhalten dafür Nährstoffe.

Die Algen reagieren empfindlich auf verschiedene Stressfaktoren – ganz besonders Hitzestress. Ab einer bestimmten Schwellentemperatur – für viele tropische Arten liegt sie bei etwa 29 Grad – büßen die Algen nicht nur ihre Fähigkeit ein, Photosynthese zu betreiben, sondern fangen an, für die Koralle giftige Stoffe zu produzieren.

Als Folge stößt die Koralle die Algen ab, was zu einem Farbverlust der Koralle führt – einer Bleichung.

Das muss nicht gleich den Tod der Koralle bedeuten. Wenn sich die Bedingungen verbessern, können sich die Lebewesen davon wieder erholen. "Da sich die Weltmeere weiter erwärmen, tritt die Korallenbleiche aber immer häufiger und stärker auf", sagte NOAA-Forscher Derek Manzello. "Wenn diese Ereignisse schwerwiegend oder lang anhaltend sind, können sie zum Absterben von Korallen führen."

Ein Absterben der Korallen ist bisher für Gebiete vor Florida und in der Karibik nachgewiesen. Wie viele Riffe bis Ende des Jahres davon betroffen sein werden, können Wissenschaftler:innen derzeit noch nicht beurteilen.

2023 haben die Ozeantemperaturen alle Rekorde gebrochen. Seit März letzten Jahres lagen die Temperaturen an jedem einzelnen Tag höher als an jedem vergangenen Tag zur selben Jahreszeit seit Messbeginn.

Klimaforscher:innen haben Schwierigkeiten, diesen enormen Temperaturanstieg zu erklären. Die Temperaturen lägen jenseits von allem, was Wissenschaftler:innen erwartet hätten – trotz Klimawandel, versicherte der Klimatologe Gavin Schmidt, Leiter des Goddard Institute for Space Studies der Nasa.

Korallen flüchten vor dem Klimawandel

Besonders beunruhigend ist, dass sich der Erwärmungstrend 2024 nicht nur fortsetzt, sondern zu beschleunigen droht. Das ist zum Teil dem Wetterphänomen El Niño geschuldet. Dies kann zwar die hohen Temperaturen im Pazifik und im Indischen Ozean erklären, aber nicht wirklich die unerwartete Erwärmung im Atlantik.

Gegen Ende des Jahres wird sich der El Niño laut den Prognosen abschwächen und in das kühlere Gegenphänomen La Niña umkehren. Damit besteht zumindest die Chance, dass die Korallenbleiche nachlässt und sich einige Ökosysteme erholen können.

Viele marine Arten, so auch die Korallen, wandern durch den zunehmenden Hitzestress weiter polwärts. Nicht nur bringt das die Ökosysteme ordentlich durcheinander, der Klimawandel wird wohl auch schneller sein als die Fluchtbewegungen sesshafter Arten wie der Korallen.

Zwar siedeln sich immer mehr Korallenlarven in subtropischen Gebieten an, aber es dürften längst nicht alle Arten die Reise in kühlere Gewässer meistern. Weniger Sonnenstrahlung und eine ungünstigere Topografie erschweren die Ausbildung artenreicher Ökosysteme zusätzlich.

 

Zudem sind die steigenden Temperaturen längst nicht der einzige Stressfaktor für die Riffe. Die ansteigende CO2-Konzentration in der Atmosphäre und den Meeren führt zu einer Versauerung des Wassers. Das hemmt die Kalkbildung, also den Bau des Skeletts der Korallenriffe.

Die NOAA hat auch Chemikalien, die etwa in Sonnenschutzmitteln stecken, als schädlich für Korallen identifiziert. Sie könnten Korallenbleichen fördern und die DNA der Lebewesen schädigen.