Mammuts als Klimaschützer? Mit der Idee sorgte der US-amerikanische Genforscher George Church im vergangenen Jahr für Schlagzeilen. Sein Plan: Die wiederbelebten Tiere stampfen auf ihren Wanderungen Schnee auf sibirischen Permafrostböden fest, erschweren so das Auftauen der Böden und verhindern, dass in den Böden gespeicherte Treibhausgase freigesetzt werden.
Das Projekt des Genforschers ist umstritten: Wirkt es sich in der geplanten Größenordnung überhaupt nennenswert auf das Klima aus? Der Vorschlag verdeutlicht aber, dass Flora und Fauna mit Klimaschutz eng verknüpft sind.
Einerseits bedroht der Klimawandel Arten und ganze Ökosysteme. Umgekehrt kann der Verlust von Lebensräumen und Arten einen Effekt auf das Klima haben. "Vor allem durch die Speicherung von Kohlenstoff nehmen Ökosysteme und die Biodiversität eine bedeutende Rolle für das Klima ein", erklärt der Ökologe und Klimaforscher Hans-Otto Pörtner.
Pörtner ist Mitautor einer kürzlich in der Fachzeitschrift Global Change Biology veröffentlichten Studie. Darin analysieren Wissenschaftler:innen aus der ganzen Welt, wie sich Maßnahmen zum Schutz der Artenvielfalt auf das Klima auswirken.
Grundlage ist dabei ein Entwurf des Sekretariats der UN-Biodiversitätskonvention, der Maßnahmen zum Schutz der Natur lenken soll und 21 Ziele für mehr Biodiversität formuliert – wie das Einrichten von Schutzgebieten, nachhaltigere Landwirtschaft, weniger Umweltverschmutzung oder bessere Wasserqualität.
14 der Ziele haben nach Erkenntnis der Wissenschaftler:innen einen direkten positiven Effekt für den Schutz des Klimas. Hinzu kämen zahlreiche indirekte Verbindungen, die sowohl die Biodiversität als auch das Klima schützen.
"Arten und ihre Lebensräume tragen dazu bei, das Klima zu regulieren", schlussfolgern die Studienautor:innen. "In vielen Fällen können Naturschutzmaßnahmen, die den Verlust der biologischen Vielfalt verlangsamen, aufhalten oder umkehren sollen, gleichzeitig den anthropogenen Klimawandel verlangsamen."
Das liegt daran, dass durch solche Maßnahmen nicht nur die Arten und Ökosysteme an sich geschützt werden, sondern auch ihre CO2-Speicherkapazität. "Ökosysteme dürfen nicht von Kohlenstoffsenken zu Kohlenstoffquellen werden", betont Pörtner. "Wir müssen also sicherstellen, dass sie weiterhin mehr CO2 aufnehmen, als sie wieder abgeben."
Genau das sollen die auferstandenen Mammuts im Vorhaben des US-Genforschers in der sibirischen Tundra bewirken. Der Studie zufolge enthalten die Permafrostböden in der Arktis und in hohen Gebirgsregionen etwa doppelt so viel Kohlenstoff wie die Atmosphäre und viermal so viel, wie die Menschheit zwischen 1960 und 2019 ausgestoßen hat. Diesen Lebensraum zu schützen, bewahrt also nicht nur die dortige Biodiversität, sondern trägt gleichzeitig dazu bei, den Kohlenstoff im Boden zu halten.
Das gilt auch für andere Ökosysteme. Prominentestes Beispiel ist wohl der artenreiche Amazonasregenwald. Eine Studie legte im vergangenen Jahr eine besorgniserregende CO2-Bilanz des Regenwalds offen. Ihr Ergebnis: Durch Klimawandel und Abholzung gibt der Regenwald in großen Teilen mehr CO2 ab, als er aufnimmt – die "grüne Lunge" wird also zunehmend zur CO2-Quelle.
"Klima- und Naturschutz gehören zusammen"
Um das Klima zu schützen, müsse gestörte Natur wiederhergestellt und noch intakte Wildnis erhalten werden, heißt es in der Studie von Pörtner und Co. "Die Vermeidung von Entwaldung und die Wiederherstellung von Ökosystemen gehören zu den Naturschutzmaßnahmen, die das größte Potenzial haben, den Klimawandel abzuschwächen", schreiben die Wissenschaftler:innen.
Ähnlich bedeutend wie Wälder sind Küstenökosysteme. Mangrovenwälder in den Gezeitenbereichen tropischer Küsten, Seegraswiesen oder unregelmäßig überflutete Salzwiesen: Diese Lebensräume zeichnen sich durch hohe biologische Diversität aus – und sie sind kohlenstoffreich. Im Vergleich zu Wäldern an Land binden Mangroven pro Flächeneinheit sogar deutlich mehr Kohlenstoff.
Für klimarelevante Ökosysteme können dabei einzelne Arten von zentraler Bedeutung sein. Die Systeme zu schützen oder wiederherzustellen, setzt auch eine intakte Nahrungskette voraus. In den Ozeanen trägt etwa der Schutz von Meeressäugern, Haien und Raubfischen dazu bei, die Bestände von Pflanzenfressern zu regulieren und damit Kohlenstoff-speichernden Wasserpflanzen mehr Raum zu geben. Gleichzeitig düngen die Tiere das Meer und regen das Wachstum von Phytoplankton an.
Die Studie nennt auch Beispiele an Land. In Sibirien könnten große Pflanzenfresser die sogenannte Albedo, das Reflektieren von Sonnenstrahlen, begünstigen. Indem sie Büsche kurz halten, verringern sie die Beschattung. Somit kann mehr Einstrahlung reflektiert werden.
Dennoch lasse sich dieser Zusammenhang nicht verallgemeinern, heißt es warnend in der Studie. Gerade das Wiederansiedeln von Tieren an Land sei im Hinblick auf den Klimaeffekt umstritten. Dieser variiere stark – je nach Region und Art des Ökosystems.
Nicht alle Maßnahmen für mehr Biodiversität schwächen zwingend auch den Klimawandel ab, schränkt die Studie ein. Etwa offene Lebensräume wie Savannen vor der Verbuschung zu schützen, erhalte zwar die Artenvielfalt und kühle durch eine hohe Albedo die Oberfläche. Im Vergleich zu Aufforstungen hätten diese Maßnahmen jedoch nur einen kleinen positiven Effekt für das Klima.
Aus Pörtners Sicht sind solche in Konkurrenz stehenden Effekte allerdings ein "Randphänomen". Die Erkenntnisse aus der Studie verdeutlichten, wie stark sich Klima, Biodiversität und die menschliche Gesellschaft als eng verknüpfte Systeme gegenseitig beeinflussen.
Pörtner fordert daher ein Umdenken: "Es braucht eine neue Herangehensweise, die das enge Denken in Silos überwindet." Man dürfe Ökosysteme nicht nur als CO2-Speicher sehen, sie seien immer auch ein möglicher Lebensraum für zahlreiche Arten. "Wir müssen Klimaschutz und Biodiversitätsschutz zusammen denken und umsetzen."