Ein Parken-Verboten-Schild ist fast komplett überflutet
Nein, es ist nicht zu spät. Aber Politik und Wirtschaft müssen jetzt endlich umsteuern. (Foto: Michael Gaida/​Pixabay)

Apocalypse now? Was sich im letzten Vierteljahr in vielen Weltregionen abgespielt hat, erscheint wie eine Illustration zum nüchternen neuen Bericht des Weltklimarats IPCC, der am heutigen Montag vorgestellt wurde.

Tödliche Hitzewellen in Kanada und im Westen der USA, verheerende Waldbrände in Kalifornien, Extremfluten in Deutschland mit über 200 Opfern, großflächige Feuer in den Permafrost-Regionen in Sibirien, riesige Überschwemmungen in China und nun die Brandkatastrophen in Griechenland, der Türkei und Italien.

Die Kernaussagen der Reports lauten: Extreme Wetterereignisse haben weltweit zugenommen, und sie werden weiter zunehmen. Häufigere Hitzewellen und Dürren, aber auch Überflutungen werden viele Opfer fordern. Ernteausfälle, Meeresspiegel-Anstieg und unsichere Wasserversorgung befeuern Flüchtlingsströme.

Vor allem aber: Gelingt es der globalen Gemeinschaft nicht, beim Treibhausgas-Ausstoß kräftig auf die Bremse zu treten, ist das, was wir heute erleben, nur ein kleiner Vorgeschmack auf zukünftige Krisen.

Sogar der Zusammenbruch ganzer Ökosysteme ist zu befürchten. Und Kippelemente des Klimas könnten ausgelöst werden, die die Lebensmöglichkeiten künftiger Generationen stark beschneiden. Das wäre dann eine wahrhaftige Apokalypse.

Genug Wissen angehäuft

Allerdings: Das ist Déjà-vu. Solche Prognosen und Warnungen sind alles andere als neu. Sie finden sich schon in den ersten Reports des IPCC, die seit 1990 alle sechs bis sieben Jahre herausgekommen sind und jeweils den Stand der Klimaforschung darstellen.

Neu ist: Zu deuteln gibt es daran nichts mehr. Und immer mehr Menschen, nicht nur die Hardcore-Klimaschützer, spüren durch die immer näher an die eigene Lebenswelt heranrückenden Krisen, dass das Klima die Zukunft maßgeblich bestimmen wird.

In den drei Jahrzehnten hat die Wissenschaft große Fortschritte gemacht. Inzwischen ist unter den Fachleuten klar, dass der Mensch mit extrem hoher Wahrscheinlichkeit die Klimaveränderungen ausgelöst hat, deren Folgen wir nun vermehrt spüren.

Zuletzt hat sich ein neuer wichtiger Forschungszweig etabliert, die "Attribution Science", deutsch Zuordnungswissenschaft. Damit gelingt es zu berechnen, wie groß der Anteil des Menschen an konkreten Extremwetter-Ereignissen ist.

So konnte etwa gezeigt werden, dass der Klimawandel die Hitzewellen, die 2018 Mitteleuropa erfassten, schon mindestens doppelt so wahrscheinlich gemacht hat wie in einem noch unveränderten Klima.

Summa summarum: Es ist nun wirklich genügend Wissen angehäuft, um ein schnelles Umsteuern zu rechtfertigen.

Zumal die Lage offenbar dramatischer ist, als selbst die Experten lange glaubten. Drei Trends treffen in den kommenden 20 Jahren zusammen und sorgen dafür, dass die Änderung des Klimas schneller und heftiger verläuft als erwartet: wahrscheinlich weiter hohe Emissionen, abnehmende (kühlende) Luftverschmutzung und natürliche Klimazyklen.

So wird laut dem aktuellen Report die 1,5-Grad-Schwelle, die im Pariser Klimavertrag als Sicherheitslinie eingezogen ist, bereits um 2030 überschritten werden, nicht "erst" 2040. Die Gletscher schwinden beschleunigt, die Ozeane erwärmen sich schneller, die Spitzentemperaturen in Hitzewellen explodieren förmlich.

Vorreiter gefragt

Die Konsequenz daraus: Politikern, Wirtschaftslenkern und den Normalbürgern bleibt weniger Zeit als gedacht, um zu reagieren.

Laut Weltklimarat gibt es durchaus noch die Chance, die globale Temperatur bis 2100 bei 1,5 Grad plus zu stabilisieren. Allerdings bedeutet das: Die globalen Treibhausgas-Emissionen müssen bis 2030 halbiert werden. Und danach müssen erhebliche Mengen CO2 wieder aus der Atmosphäre entfernt werden, etwa durch Aufforstung, eventuell auch technische Lösungen.

Das würde zwar einen technologischen und ökonomischen Crashkurs bedeuten, aber immer mehr Menschen scheint zu dämmern, dass ein Verzicht auf einen solchen radikalen Umbau am Ende viel schmerzhafter und teurer wird.

Die Frage ist, ob und wann die Regierenden das nicht nur begreifen, sondern auch in Taten umsetzen. Bisher ist dieses optimistischste der vom IPCC vorgelegten Szenarien unrealistisch. Das muss man nüchtern konstatieren.

Die Coronakrise hat verhindert, dass die Pariser Klimaverpflichtungen wie geplant auf breiter Front bis 2020 angeschärft wurden – eine Reihe CO2-Obereinheizer, darunter China, Indien und Südafrika, haben immer noch keine neuen CO2-Ziele vorgelegt. Und auch die gigantischen Corona-Konjunkturprogramme werden eher genutzt, um den Status quo zu stabilisieren als den grünen Umbau zu fördern.

Trotzdem darf man die Hoffnung nicht aufgeben. Die aktuelle Zuspitzung der Klimakrise, die unübersehbar ist, kann ein Katalysator für den Umbau der Industriegesellschaften werden. Es kommt darauf an, dass sich Vorreiter zusammentun, die den Ernst der Lage begriffen haben, darunter vor allem die EU mit ihrem "Green Deal" und die Biden-USA. Das kann den Rest der Welt mitziehen.

Jedes Zehntelgrad bei der Erwärmung, das eingespart werden kann, ist wichtig. Es verringert die Gefahren. Und damit die gigantischen Kosten, die für die Anpassung an die schon nicht mehr zu verhindernden Klimaveränderungen fällig werden.

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