Überflutungen in Japan im Juli 2018. (Foto: Screenshot/​NHK/​Twitter)

Das Kyoto International Conference Center im Nordosten der japanischen Stadt Kyoto wirbt mit dem Spruch "In Harmonie mit der Natur", was angesichts seiner Geschichte als durchaus passend erscheint. Schließlich haben dort vor gut 20 Jahren Diplomaten aus aller Welt mit dem Kyoto-Protokoll das erste UN-Klimaabkommen geschmiedet.

Die Harmonie mit der Natur wird derzeit allerdings auf eine harte Probe gestellt. Wer aus einem der Fenster des aus Stahl und Beton errichteten Konferenzzentrums nach Nordosten blickt, sieht, wie der ansonsten vor sich hin plätschernde Takano mächtig angeschwollen ist. Das Bergflüsschen ist ein Nebenarm des Kamo, der sich in solch einen reißenden Strom verwandelt hat, dass die Behörden den Touristen verboten haben, die beliebten Uferpromenaden zu betreten. Wo sonst fröhliche Menschen am Ufer sitzen oder spazieren gehen, schaut jetzt ein einsamer Reiher in die Fluten.

Seit vergangenem Donnerstag regnet es in der Millionenstadt fast unaufhörlich. Schon am ersten Tag wurden 143.000 Menschen in der gesamten Präfektur Kyoto zur Evakuierung aufgefordert. Wegen des starken Regens drohten Schlammlawinen. Die Autokonzerne Mazda und Daihatsu stellten die Arbeit in ihren Produktionshallen ein, in Kyoto genauso wie in Hiroshima und Yamaguchi.

Andernorts ist die Lage noch viel schlimmer als in Kyoto. Von den starken Regenfällen war fast der ganze Westen Japans betroffen. Insgesamt sind in den Fluten laut japanischen Medien bis heute über 120 Menschen gestorben, 61 werden noch vermisst. Mit am schlimmsten traf es die Präfektur Okayama, 200 Kilometer westlich von Kyoto gelegen. Dort saßen zeitweise mehr als tausend Menschen auf den Dächern ihrer Häuser fest. Der nahe gelegene Fluss war über die Ufer getreten, nachdem drei Deiche gebrochen waren, und hatte die Häuser überflutet. Die meisten Menschen wurden mit Booten oder Hubschraubern gerettet.

Die drittgrößte Volkswirtschaft und der siebtgrößte CO2-Emittent der Welt wurde hart getroffen. Insgesamt mussten zeitweise fast sechs Millionen Menschen in 19 Präfekturen ihre Häuser verlassen. Am Montagmorgen harrten Medienberichten zufolge noch 23.000 Menschen in Notunterkünften aus. Durch die aufgeweichte Erde und die teilweise steilen Hänge drohen in vielen Gegenden Erdrutsche.

Wärmere Luft kann mehr Wasser aufnehmen

In den vergangenen Jahren wurde Japan regelmäßig von Extremregenfällen heimgesucht, die zu vielen Todesopfern führten. So starben im August 2014 infolge von Erdrutschen nach heftigem Regen 75 Menschen, an manchen Orten wurde in einer Stunde die Rekordmenge von über 100 Millimetern gemessen. Im September des Folgejahrs richtete Starkregen in den Regionen Kanto und Tohoku enorme Schäden an.

Sorgt für mehr Starkregen: Die Erderwärmung. (Grafik: Katja Hommel; Quelle: NASA Goddard Institute for Space Studies; Daten: NASA)

Angesichts der Außergewöhnlichkeit der aktuellen Regenfälle und Überschwemmungen stellt sich die Frage nach der Rolle des Klimawandels. Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) weist darauf hin, dass Extremniederschläge wie in Japan durch die Erderwärmung allein schon aus physikalischen Gründen häufiger werden dürften.

Zum einen nehmen Niederschläge im weltweiten Durchschnitt zu, da durch die Erderwärmung mehr Wasser verdunsten kann. Pro Grad Erwärmung sind das zwei bis drei Prozent mehr Wasser.

Außerdem kann die wärmere Luft mehr Regenwolken aufnehmen. Pro Grad Erwärmung, so die Faustregel, erhöht sich die Regenmenge um sieben Prozent. Im Fall von Gewittern kann dieser Wert sogar doppelt so hoch sein.

"Eine signifikante weltweite Zunahme solcher Ereignisse in den vergangenen Jahrzehnten wurde bereits nachgewiesen", sagt Rahmstorf.

Starkregenfälle nehmen weltweit zu

Etwa in einer Studie im Fachblatt Climatic Change im Jahr 2015. Klimaforscher rund um den PIK-Mitarbeiter Jascha Lehmann hatten Regendaten aus den Jahren 1901 bis 2010 von Wetterstationen aus aller Welt analysiert. Das Ergebnis: Bis 1980 ließen sich die Schwankungen von mal mehr, mal weniger Starkregen noch mit natürlichen Prozessen erklären.

Aber in den Jahren danach nahmen die Extremregenfälle stark zu – und zwar um zwölf Prozent gegenüber einer Welt ohne Klimawandel. Für das letzte der untersuchten Jahre kamen die PIK-Forscher sogar auf einen Anstieg von 26 Prozent.

Allerdings im weltweiten Durchschnitt. Je nach Weltregion gibt es große Unterschiede. Es gilt die Grundregel: Dort, wo es bereits feucht ist, nimmt der Regen stärker zu, dort, wo es trockener ist, weniger stark. Für Südostasien gab es ein Plus von 56 Prozent, für Europa ein Plus von 31 Prozent, in anderen Regionen nahm der Rekordregen hingegen sogar ab – im Mittelmeerraum etwa um 27 Prozent.

Manchmal ist Starkregen ganz normal

Die Forscher verglichen diese Wetterdaten mit dem, was die physikalischen Gesetze der Thermodynamik an Starkregen-Zunahme erwarten ließen – beides passt erstaunlich gut zusammen. Allerdings gibt es noch einen zweiten Faktor, der das Wetter im Zuge des Klimawandels beeinflusst: Indem sich die Atmosphäre neu zusammensetzt, verändert sich auch die Luftzirkulation, die bestimmt, wann und wo Regensysteme entstehen.

"Dieser Effekt ist lokal sehr unterschiedlich", sagt Friederike Otto, Vizedirektorin des Environmental Change Institute an der Universität Oxford, gegenüber Klimareporter°. "Er kann den thermodynamischen Effekt entweder verstärken, wie wir es zum Beispiel bei Regenfällen im Zusammenhang mit Hurrikans im Atlantik sehen, oder er kann in die entgegengesetzte Richtung wirken, dann ist der Gesamteffekt des Klimawandels geringer oder sogar aufgehoben."

Wie diskutiert Japan über den Klimawandel?

Die Frage, ob der Klimawandel für den Starkregen und die Überschwemmungen verantwortlich ist, ist in den japanischen Mainstream-Medien derzeit nicht sehr präsent. In den vergangenen Tagen taucht jedenfalls das Stichwort "Klima" dort selten im Zusammenhang mit der Katastrophe auf.

Japans Regierung beginnt sich seit ein paar Jahren auf die Klimafolgen einzustellen. Im November 2015 wurde ein Nationaler Anpassungsplan verabschiedet, in dem auch der Ausbau von Abflusssystemen zur Bewältigung von Starkregen erwähnt ist.

Was heißt das nun für Japan? Im Juli 2012 kam es schon einmal zu heftigen Regenfällen im Süden des Landes. Japanische Forscher um Yukiko Imada kamen in einer Studie im Meteorologie-Fachblatt BAMS zum Ergebnis, dass das Ereignis vor allem auf natürliche Phänomene zurückzuführen war. Allerdings könnten, was die jüngsten Regenfälle betrifft, wieder ganz andere meteorologische Antriebskräfte herrschen. Um eine abschließende Antwort zu bekommen, braucht es erst eine sogenannte Attributionsstudie – allerdings ist eine solche für Japan aufgrund der Geografie eine Herausforderung.

"Weil Japan aus Inseln mit Bergen besteht, sind große Ensemble-Simulationen in hochauflösenden Klimamodellen nötig, um Attributionsstudien von Regenereignissen in Japan leisten zu können", sagt Hideo Shiogama vom Nationalen Zentrum für Umweltstudien in Tsukuba in der Präfektur Ibaraki gegenüber Klimareporter°. "Obwohl eine Zunahme von Starkregenereignissen beobachtet wurde, sind formale Zuordnungsstudien nicht einfach."

Shiogama arbeitet zwar gerade an einer – allerdings betrifft die einen bereits vergangenen Starkregen.

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