Zum Internationalen Jahr des Gletscherschutzes erklärten die Vereinten Nationen das Jahr 2025. Aufmerksamkeit haben die immer noch riesigen Eis-Gebilde dringend nötig.
"Seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1975 haben die Gletscher weltweit insgesamt mehr als 9.000 Milliarden Tonnen verloren", bilanzierte Celeste Saulo, Generalsekretärin der Weltwetterorganisation WMO. Das entspricht einem riesigen Eisblock von der Größe Deutschlands mit einer Dicke von 25 Metern.
Die Eismassen geraten zunehmend in den Schwitzkasten des Klimawandels. Auch in Europa beschleunigt sich die Schmelze. Das zeigt der nun veröffentlichte europäische Klimabericht 2024.
Der Bericht wurde gemeinsam vom Copernicus-Klimadienst, dem Europäischen Zentrum für mittelfristige Wettervorhersagen und der WMO vorgelegt. Demnach war 2024 das wärmste gemessene Jahr in Europa. Erstmals lag die durchschnittliche Jahrestemperatur um mehr als 1,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau.
Zwar liegt der letzte Fünfjahresdurchschnitt noch bei 1,3 Grad über dem vorindustriellen Wert, doch seit den 1980er Jahren erwärmt sich Europa doppelt so schnell wie der globale Durchschnitt und ist damit die Region mit der schnellsten Erwärmung weltweit.
Entsprechend präsentiert der Klimabericht Rekorde über Rekorde. So wurden auf rund zwei Dritteln der europäischen Fläche weniger als 90 Frosttage gemessen.
Schwitzende Gletscher
Die warmen Sommertemperaturen führten dann unter anderem zu der starken Gletscherschmelze, wie sie auch in Europa verzeichnet wurde. Seit 1976 haben die europäischen Gletscher rund 915 Kubikkilometer Eis verloren, was zu einem zusätzlichen Meeresspiegelanstieg von zwei bis vier Millimetern pro Jahr führt.
2024 erlebten Skandinavien und die Inselgruppe Svalbard (Spitzbergen) in der europäischen Arktis rekordverdächtige Eismassenverluste. "Wenn Gletscher Temperaturen über dem Gefrierpunkt ausgesetzt sind, führt die hohe Sonneneinstrahlung in dieser Region zu einer stärkeren Schmelze", erläuterte Samantha Burgess, Vizedirektorin des Copernicus-Klimadienstes.

Für Svalbard wurde der dritte Rekordsommer in Folge dokumentiert mit einer Durchschnittstemperatur von mehr als einem Grad über dem bisherigen Höchstwert von 2023. Grund dafür waren auch ungewöhnlich hohe Temperaturen in der osteuropäischen Arktis, die zusätzlich zur Gletscherschmelze beitrugen.
Als auffällig bezeichnet der Bericht einen Ost-West-Kontrast bei den klimatischen Unterschieden des vergangenen Jahres. "Im Jahr 2024 gab es Hochdruckgebiete, die häufig über Osteuropa lagen, was zu weniger Wolken und weniger Niederschlag führte", sagte Klimaforscherin Burgess.
Der klare Himmel ermöglichte so eine stärkere Erwärmung durch die Sonne. Zusätzlich zogen die Hochdrucksysteme warme, trockene Luft aus dem Mittelmeerraum oder sogar aus Nordafrika an, was die Hitze verstärkte.
Im Gegensatz dazu lag Westeuropa oft unter dem Einfluss von Tiefdruckgebieten. Diese brachten atlantische Stürme und Wetterfrontensysteme mit sich, was zu nassen, bewölkten und relativ kühlen Bedingungen führte.
Dieser Ost-West-Kontrast sei ungewöhnlich, so Burgess. "Wir haben schon früher Unterschiede gesehen, aber normalerweise handelt es sich eher um ein Nord-Süd-Gefälle." Auch Copernicus-Klimachef Carlo Buontempo betonte: "Die Daten der letzten 20 Jahre zeigen, dass ein solcher Ost-West-Gegensatz relativ selten ist."
Wetterextreme erfordern Anpassung
In Südosteuropa wurden im Sommer 2024 sechs Hitzewellen registriert. Eine davon dauerte 13 Tage und betraf 55 Prozent der Region. Fast jeder zweite Sommertag war hier ein Hitzewellentag. "Während wir in den letzten Jahren Hitzewellen mit lokalen Rekorden erlebt haben, war 2024 das Hauptmerkmal in Südosteuropa die Dauer der Hitze", sagte Burgess.
Die Kombination aus Hitze und veränderter Zirkulation führte europaweit zu Extremereignissen. In Westeuropa war 2024 eines der zehn nassesten Jahre seit 1950. Gleichzeitig war es im Osten extrem trocken. "Sturmsysteme transportieren bei wärmerer Atmosphäre mehr Feuchtigkeit", so Burgess. "Wenn es regnet, dann intensiver."
Die Folge waren massive Überschwemmungen. Ein Drittel des europäischen Flussnetzes überschritt die Hochwasserschwelle – mit schweren Konsequenzen für die Menschen.
Der Bericht verzeichnet mindestens 335 Todesopfer und insgesamt 413.000 direkt Betroffene durch Stürme und Fluten. Die wirtschaftlichen Schäden summieren sich auf mehr als 18 Milliarden Euro – 85 Prozent davon durch Überschwemmungen.
Extremwetter-Ereignisse, die sich auch in diesem Jahr fortsetzen. Seit Mitte April kommt es in weiten Teilen Norditaliens zu intensiven Regenfällen. Die Behörden warnen vor schweren Überschwemmungen, Sturmböen und Gewittern. Meteorolog:innen rechnen mit Niederschlagsmengen von bis zu 300 Litern pro Quadratmeter, im Südosten der Alpen sogar mit bis zu 400 Litern. In einigen Regionen wurden bereits Straßen gesperrt, vereinzelt mussten Anwohner:innen evakuiert werden.
Zunehmend reagieren europäische Städte mit Anpassungsmaßnahmen. "Wir müssen unsere Gesellschaften und Volkswirtschaften widerstandsfähiger gegen extreme Wetterereignisse machen", betonte WMO-Generalsekretärin Celeste Saulo. Europa mache zwar Fortschritte, doch einige Länder im Südosten des Kontinents hätten noch großen Nachholbedarf.
Mittlerweile hat laut dem Bericht gut die Hälfte der europäischen Städte einen Klimaanpassungsplan – eine Verdopplung gegenüber 2018. Schwerpunkte sind Begrünung, Wassermanagement und Frühwarnsysteme.
Das reicht aber noch lange nicht. "Die Schäden an der bebauten Umwelt könnten sich bis zum Ende des Jahrhunderts verzehnfachen, wenn keine weiteren Anpassungen erfolgen", warnte Andrew Ferrone vom Luxemburger Umweltministerium.
Lesen Sie dazu unseren Kommentar: Europas Klima-Job