Die Sonne dimmen, um die globalen Temperaturen wieder abzusenken – ist das die Lösung für die Klimakrise? Eine wissenschaftliche Beratungsgruppe der EU-Kommission hält dieses "solare Geoengineering" für gefährlich.
Das Gremium fordert ein Moratorium für Methoden wie das Einbringen von Schwefelpartikeln in die Atmosphäre, die Nutzung von Spiegeln im Weltraum oder die künstliche Aufhellung von Wolken, um die Sonnenstrahlen zu reflektieren. Die Erforschung dieser Konzepte soll danach aber weiter möglich ein.
Es klingt nach Science Fiction, doch Forschungsteams entwickeln bereits Konzepte für das solare Dimmen, etwa durch künstliche Verdunklung mit Aerosolen. So will das US-amerikanische Start-up "Make Sunsets" Schwefeldioxid in der Atmosphäre ausbringen, um die Sonne zum Teil abzublenden.
Vorbild dafür sind große Vulkanausbrüche wie die des philippinischen Pinatubo 1991, die durch einen Dunstschleier in der Atmosphäre einen messbaren Einfluss auf die globale Temperatur hatten. Im Jahr nach dem Pinatubo-Ausbruch sanken die Durchschnittstemperaturen zum Beispiel um 0,5 Grad.
Make Sunsets wirbt nun damit, die kontrollierte Injektionen von Aerosolen sei "eine effektive Lösung, um Zeit für andere Bemühungen zu gewinnen".
"Große Unsicherheiten"
Auch in anderen Ländern zumeist des globalen Nordens bekommt das Geoengineering Unterstützung. Regierungen, Organisationen und private Geldgeber investieren Geld in diesen Sektor.
In diesem Jahr sorgte unter anderem die Regierung in London für Aufsehen, als sie umgerechnet etwa 67 Millionen Euro zur Verfügung stellte, um die Technologien zu erforschen. Man wolle Experimente dazu finanzieren, außerdem auch Modellierung, Simulation, Beobachtung und Überwachung einzelner Maßnahmen, hieß es dazu.
In einer Stellungnahme für die Brüsseler Kommission betont das Wissenschaftsgremium nun, der Nutzen und die Risiken der "Modifikation der Sonneneinstrahlung" (Solar Radiation Modification, SRM), seien "höchst ungewiss". In ihren Empfehlungen fordern die Mitglieder ein EU-weites Moratorium für die Nutzung der entsprechenden Technologien.
Sie argumentieren, dass die "großen Unsicherheiten" beim solaren Geoengineering nicht vereinbar seien mit dem in der EU geltenden Vorsorgeprinzip und der Verantwortung der Gemeinschaft, keinen Schaden anzurichten.
Die zentrale Empfehlung der Gruppe ist, stattdessen die Treibhausgasemissionen zu reduzieren, um "gefährliche" Klimaveränderungen zu vermeiden.
Gewarnt wird in der Stellungnahme vor erheblichen negativen ökologischen und wirtschaftlichen Auswirkungen der SRM-Technologien, die wahrscheinlich seien – darunter veränderte Niederschlagsmuster, Auswirkungen auf die Ökosysteme, eine weniger sichere Nahrungsmittelproduktion und ein verringertes Potenzial der Solarenergie.
Die Technologien könnten demgegenüber die Erwärmung durch Sonneneinstrahlung "bestenfalls" vorübergehend und lokal reduzieren, während die Treibhausgas-Konzentrationen und die Versauerung der Ozeane weiter zunehmen. Eine wirkliche Stabilisierung des Klimas könne nur durch Netto-Null-Emissionen erreicht werden.
Zu wenig Unterstützung für Verbotsforderung aus Afrika
Eine Empfehlung an die EU lautet, Verhandlungen über einen weltweit verbindlichen Vertrag zur Nutzung der umstrittenen Technologien anzustoßen, verbunden mit einem Moratorium "auf absehbare Zeit", und zu gewährleisten, dass die Forschung in diesem Bereich verantwortungsbewusst durchgeführt wird und ethisch vertretbar ist. Zudem solle sichergestellt werden, dass Gelder dafür nicht zulasten von Projekten zur CO2-Reduktion und zur Klimaanpassung gehen.
Auch andere Stimmen aus der Wissenschaft halten die SRM-Ideen für gefährlich. Barbara Prainsack, Vorsitzende der Europäischen Gruppe für Ethik in den Naturwissenschaften und den neuen Technologien (EGE), warnte: "Selbst wenn einige dieser Vorschläge die Symptome des Klimawandels bekämpfen könnten, ändern sie nichts an den Ursachen."
Sie als Lösungen zu präsentieren, drohe die Bemühungen zur Reduzierung der CO2-Emissionen und zur Anpassung an den Klimawandel zu schwächen, sagte Prainsack. Die Umweltpolitikforscherin Aarti Gupta von der niederländischen Universität Wageningen ergänzte, die EU müsse "eine globale Führungsrolle" einnehmen, um ein "internationales Nichteinsatz-System" für die Technologien zu erreichen.
Letzteres zielt auf die Schwierigkeiten, die SRM-Technologien auf UN-Ebene zu regeln. Bei einem Treffen am Sitz des UN-Umweltprogramms Unep in Nairobi im Februar hatten sich die Regierungen nicht einigen können. Die afrikanischen Länder hatte dort ein vollständiges Verbot angestrebt, dafür aber keine Mehrheit bekommen.
"Wir wissen genug, um diese Technologien sofort zu stoppen"
Das Thema spaltet allerdings nicht nur die Regierungen, es ist auch in der Wissenschaft umstritten. Im vorigen Jahr hatten Dutzende Forscherinnen und Forscher unter Führung des Ex-Nasa-Professors James Hansen mit Blick auf die sich zuspitzende Klimakrise weitere Studien zum solaren Geoengineering gefordert.
Eine Gegenposition wurde in einem weiteren öffentlichen Appell für ein weltweites Verbot bezogen, unterstützt von einer noch größeren Gruppe von Forschenden. Sie befürchten unter anderem, dass die Technologien unkalkulierbare Auswirkungen für das Wettergeschehen haben könnten.
Die Empfehlungen des EU-Forschungsgremiums trafen auf ein unterschiedliches Echo. Die Klimaexpertin Linda Schneider von der Heinrich-Böll-Stiftung, kritisierte, es sei gefährlich, "einen ergebnisoffenen Verhandlungsprozess zu starten, der dazu führen könnte, den Einsatz von solarem Geoengineering zu legitimieren".
Vielmehr solle die EU sich gemeinsam mit Regierungen aus Afrika und dem Pazifikraum für eine "klare und robuste, internationale Nichtnutzungsvereinbarung" einsetzen. Schneider erinnerte daran, dass das bereits 2023 vom Europäischen Parlament gefordert worden sei.
Zudem müsse die EU Feldexperimente zu Geoengineering untersagen. "Wir wissen genug über diese Technologien, um sicher zu sein, dass ihr Einsatz nur noch mehr Klimachaos verursachen würde, daher sollte ihrer Entwicklung sofort ein Riegel vorgeschoben werden", sagte Schneider.