Deutschland gilt bisher als wasserreiches Land. Der Wasserwirtschaftsverband BDEW betont gerne, dass dem natürlichen Wasserkreislauf – also: Niederschläge minus Verdunstung – jährlich jeweils nur rund 13,5 Prozent entnommen werden, um ihm nach der Nutzung dann wieder zugeführt zu werden.
Doch eine neue Untersuchung kommt zu dem Ergebnis, dass in immer mehr Regionen Deutschlands das Grundwasser knapp wird – durch zu hohe Entnahme, aber auch durch den Einfluss des Klimawandels.
Die Überblicksstudie des Instituts für sozial-ökologische Forschung (ISOE) in Frankfurt am Main im Auftrag des Umweltverbands BUND zeigt: In 201 von 401 Landkreisen herrscht "struktureller Grundwasserstress". Das bedeutet, dass mehr als ein Fünftel des jährlich durch Niederschläge neu gebildeten Grundwassers entnommen wird.
Besonders betroffen sind demnach nicht nur die bekannten Trockenregionen im Osten Deutschlands, sondern auch Ballungszentren wie die Großstädte an der Rheinschiene und Regionen in Niedersachsen.
Die Klimakrise verschärft nach Einschätzung der ISOE‑Fachleute das Problem. Fast ein Viertel der Landkreise verzeichnete "akuten Grundwasserstress" durch deutliche Absenkung der Grundwasserstände innerhalb einer Dekade. In nahezu allen Bundesländern haben die Grundwassermessstellen gemäß der Auswertung neue Tiefststände festgestellt.
Branchen wie Kohle und Chemie verstärken den Wassermangel
Die ISOE‑Studie analysiert nach Angaben des Instituts erstmals flächendeckend, wo und von wem Grundwasser in Deutschland genutzt wird. Danach wird über die Hälfte des Grundwassers für die Trinkwasserversorgung entnommen. Teils wird Wasser mittels Fernleitungen mehrere hundert Kilometer weit in größere Städte transportiert. So versorgt Wasser aus dem Bodensee zum Beispiel die Region Stuttgart.
Aber auch Bergbau, verarbeitendes Gewerbe und Landwirtschaft spielen laut der Analyse eine bedeutsame Rolle. Der Braunkohleabbau am Niederrhein und in der Lausitz zum Beispiel senkt durch das Abpumpen riesiger Wassermengen die Grundwasserspiegel. Aber auch die Chemieproduktion, etwa beim BASF-Konzern in Ludwigshafen, benötigt erhebliche Mengen Grundwasser.

Die Landwirtschaft hat bisher nur einen kleineren Anteil am Gesamtverbrauch. In den Trocken- und Dürrejahren seit 2018 ist ihr Bedarf allerdings gestiegen. "In einigen Landkreisen werden schon heute beträchtliche Mengen an Grundwasser zur Bewässerung genutzt", so der BUND.
Seine Schlussfolgerung: "Der Verbrauch muss runter, und Landschaften müssen so wiederhergestellt werden, dass sie Trockenperioden und Starkregen abfedern."
Der Umweltverband erkennt an, dass die 2023 aufgelegte "Nationale Wasserstrategie" der Bundesregierung viele wirksame Maßnahmen vorsieht. Konkret sind es 78 Maßnahmen, die bis 2030 umgesetzt werden sollen. Dabei hakt es zurzeit noch, unter anderem wegen Finanzmangel und unterschiedlicher Interessen von Ministerien.
Der BUND fordert, die Maßnahmen möglichst schnell anzupacken. Dafür nennt er drei Schwerpunkte.
Vor allem komme Deutschland nicht umhin, seinen Verbrauch zu drosseln. Nutzungen müssten priorisiert werden, damit Mensch und Natur verlässlich mit Wasser versorgt werden. Zu einem gerechten Wasserzugang gehöre, dass alle einen fairen Preis zahlen. Aktuell seien die Entgelte Ländersache, Großnutzungen mancherorts kostenfrei.
Zweitens machten Ewigkeitschemikalien wie PFAS sowie Pestizide, Nährstoffe und Arzneimittel es für Wasserversorger immer schwerer und teurer, hochwertiges Trinkwasser zur Verfügung zu stellen. Die Herstellung und Nutzung dieser Stoffe müsse eingeschränkt werden.
Ein dritter Punkt: Humusreiche Böden, naturnahe Wälder und Flüsse, strukturreiche Auen, nasse Moore und sogenannte Schwammstädte helfen laut BUND, dass der Boden die Niederschläge wieder besser halten kann. Gezielte Fördermaßnahmen seien nötig, um Widerstandsfähigkeit und Renaturierung dieser Ökosysteme zu stärken.