Madrid: Große Autobahn neben Plattenbauten, im Hintergrund Fernsehturm
Stadtautobahn in Madrid: Weniger Autos und Lastwagen – gut fürs Klima, aber nicht genug. (Foto: Luis García/Wikimedia Commons)

Während die Welt sich im Frühjahr langsam an den Gedanken gewöhnte, dass sie sich auf unbestimmte Zeit in einer Pandemie befinden würde, hofften einige auf einen Silberstreifen am Horizont: Wirkt sich die dramatische Gesundheitskrise vielleicht wenigstens positiv auf den Klimaschutz aus?

Die Antwort zum Jahresende: Ja und nein. In einzelnen Phasen löste sich diese Hoffnung sehr deutlich ein. Anfang April beispielsweise, als ein Großteil der Welt sich in mehr oder weniger strengen Lockdowns wiederfand, lagen die Treibhausgasemissionen rund ein Sechstel unter denen vom Vorjahr, wie Wissenschaftler:innen aus vielen Ländern in ihrem gemeinsamen Global Carbon Project herausfanden.

Als Beispieltag wählten die Wissenschaftler:innen den 7. April. An diesem Tag waren die CO2-Emissionen 17 Prozent niedriger als ein Jahr zuvor. Das entspricht einem Unterschied von 17 Millionen Tonnen des Treibhausgases.

Der drastische Rückgang kam vor allem daher, dass weniger Menschen und Güter von A nach B befördert wurden. 7,5 Millionen der eingesparten Tonnen kommen durch den verringerten Verkehr am Boden, weitere 1,7 Millionen durch das Herunterfahren des Luftverkehrs.

Im Jahresschnitt sieht das Bild anders aus, schließlich galten die recht strengen Maßnahmen vom April vielerorts schon bald nicht mehr. Ganz auf das übliche Niveau wurde die Wirtschaft aber nicht wieder hochgefahren – und das macht sich auch über das Jahr gerechnet in einer nennenswerten Reduktion der Treibhausgasemissionen bemerkbar, wie dasselbe Forschungsteam im Dezember ermittelt hat.

Dieses Jahr gelangen sieben Prozent weniger Treibhausgase in die Atmosphäre als 2019. Die Hauptursache ist wieder, dass es weniger Verkehr gab.

Den "Corona-Effekt" bräuchte es jedes Jahr

"Der wichtige Punkt ist, dass wir jetzt in diesem Jahr eine 2,4 Milliarden Tonnen starke CO2-Reduktion der Emissionen gesehen haben", sagt Ko-Autorin Judith Hauck vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI) in Bremerhaven. Das entspricht einer Minderung um etwa sieben Prozent. Der Forscherin zufolge ist das die notwendige Größenordnung, um das 1,5-Grad-Ziel zu schaffen. 

Im Pariser Klimaabkommen haben seine Mitglieder – also fast alle Staaten der Welt – im Jahr 2015 versprochen, die Erderhitzung bei "deutlich unter zwei Grad" gegenüber vorindustriellen Zeiten zu stoppen, möglichst aber bei 1,5 Grad. Gleichzeitig beauftragten die Staaten die Wissenschaftler:innen vom Weltklimarat, den Unterschied zwischen 1,5 und zwei Grad genau zu untersuchen.

Das Ergebnis: Schon jenseits der 1,5 Grad wird es immer wahrscheinlicher, dass Elemente des Erdsystems kippen, die den Klimawandel unkontrollierbar machen könnten. Dazu zählt zum Beispiel der Permafrostboden, solcher Boden also, der ganzjährig gefroren ist. Darin ist das hochwirksame Treibhausgas Methan in Massen gebunden. Taut der Boden, entweicht es in die Atmosphäre und treibt die Erderhitzung gewaltig an.

Das Fenster, um die 1,5-Grad-Marke nicht zu knacken, ist bereits klein – laut manchen Studien ist es sogar schon geschlossen. In allen Szenarien des Weltklimarats, in denen die Erderwärmung bei 1,5 Grad begrenzt wird, kommen auch Technologien zum Einsatz, die der Atmosphäre Treibhausgase nachträglich entziehen.

Und das neben einer drastischen Reduktion der Treibhausgase: Das UN-Umweltprogramm kam im vergangenen Jahr zu dem Ergebnis, dass die Welt zwischen 2020 und 2030 jedes Jahr 7,6 Prozent ihrer Treibhausgase einsparen müsse. Das ist in diesem Jahr durch die Folgen der Corona-Pandemie nun immerhin fast der Fall.

Kaum Auswirkungen auf die CO2-Kurve erwartet

"Und trotzdem, das sollte man vielleicht nochmal betonen, steigt der atmosphärische CO2-Gehalt weiter an", meint AWI-Wissenschaftlerin Hauck.

Dazu kann man sich die Atmosphäre wie eine große Badewanne vorstellen, in die statt Wasser Treibhausgase eingelassen werden. Dreht man den Hahn ein bisschen zu, steigt der Spiegel langsamer – aber die Wanne füllt sich eben trotzdem weiter.

Die CO2-Konzentration wird in der Einheit parts per million (ppm) gemessen. Man geht davon aus, dass der Wert direkt vor der Industrialisierung bei ungefähr 280 ppm lag. Das heißt: Von einer Million Molekülen in der Luft waren 280 Moleküle Kohlendioxid. Im vergangenen Jahr lag die Konzentration von CO2 in der Luft schon bei ungefähr 411 ppm.

Für dieses Jahr liegen bisher nur Schätzungen vor, die Weltwetterorganisation WMO geht aber davon aus, dass sich die gesunkenen Treibhausgasemissionen im großen Bild kaum positiv bemerkbar machen werden. "Die Corona-Pandemie ist keine Lösung für den Klimawandel", sagte WMO-Chef Petteri Taalas.

Um mit "hoher Sicherheit" deutlich unter zwei Grad Erderhitzung zu bleiben, wie es im Paris-Abkommen steht, darf die Konzentration laut Weltklimarat nicht über 450 ppm steigen.

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