Artur Auernhammer vor einem Stapel Scheitholz.
Artur Auernhammer ist auch Landwirt in einem mittelfränkischen Milchviehbetrieb. (Foto: Klaus Herzmanatus)

Klimareporter°: Herr Auernhammer, die Solarbranche hat erreicht, dass jüngst der 52-Gigawatt-Solardeckel aus dem EEG gestrichen wurde. Die Windkraft ist den bundesweiten 1.000-Meter-Zwangsabstand losgeworden. Was hat die Bioenergie als Erfolg zu verbuchen?

Artur Auernhammer: Man muss es so sehen: Die Bioenergie ist nicht eine einzelne Energieform, sondern sie hat eine große Bandbreite.

Bei Wind habe ich das Windrad, bei Photovoltaik die Solarzelle. Wir in der Bioenergie sind komplett breit aufgestellt – vom Biogas bis zur Holzenergie. Das ist eine riesig breite Palette. Da gibt es für jeden einzelnen Bereich spezielle Herausforderungen.

Wie bei Solar- und Windenergie endet für einen Teil der Bioenergieanlagen nach 20 Jahren die EEG-Förderung. Gibt es Prognosen, wie viel Megawatt da gerade beim Biogas betroffen sein werden?

Dieses Auslaufen der Förderung hat uns ja motiviert, ins Ausschreibungsmodell zu gehen. Biogas hat dann mit möglichen 16,4 Cent Höchstförderung pro Kilowattstunde eine Anschlussoption. Da reden wir aber rein über die Stromerzeugung und nicht über die Wärme, die oft in Nahwärmenetze geht. Das ist ein wichtiges Standbein für die Biogasanlagen.

Die 16,4 Cent sind betriebswirtschaftlich sehr sportlich. Wir können noch nicht abschätzen, wie viele Anlagen dennoch aussteigen und wie viele die Herausforderung annehmen werden.

Verstehe ich das richtig: Nach 20 Jahren EEG kann sich eine Biogasanlage über die Ausschreibung eine weitere Förderung sichern?

Ja. Wenn ich heute als Anlagenbetreiber weiß, in zwei Jahren läuft der EEG-Zuschuss aus, dann muss ich mich um eine Anschlussförderung bemühen. Und das geht mit diesem Ausschreibungsmodell.

Der Unterschied zum Beispiel zur Photovoltaik ist: Die Solaranlage ist viel früher abgeschrieben, erwirtschaftet dann Reingewinn. Bei Biogas ist das nicht so, da entstehen ständig hohe Betriebskosten. Und die lassen sich nur mit einer Anschlussförderung kalkulieren.

Und wie lange reicht dann die Ausschreibung?

Vorgesehen sind zehn Jahre – wie es dann weitergeht, wissen wir noch nicht. Es könnten sich auch viel mehr Anlagen als bisher an den Ausschreibungen beteiligen. Der eine oder andere Anlagenbetreiber sagt uns aber schon jetzt offen: Wir werden vom Netz gehen.

Weiter gefördert übers EEG werden reine Gülle-Anlagen, allerdings nur bis zu einer Grenze von 75 Kilowatt Leistung.

Derzeit gibt es rund 9.300 Biomasseanlagen in Deutschland. Wird die Zahl wachsen oder zurückgehen?

Artur Auernhammer

ist Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes Bioenergie (BBE). Der Landwirt aus Mittelfranken ist außerdem agrarpolitischer Sprecher der CSU im Bundestag und Landesvize des Arbeitskreises Energiewende seiner Partei.

Wir würden gern einen gewissen Zubau ermöglichen. Aber in der Praxis überlegen eben auch viele auszusteigen. Wenn wir die derzeitige Menge halten und als grundlastfähige Energieversorgung einsetzen könnten, wäre schon viel erreicht.

Verbessern muss sich die regionale Verteilung der Biomassenutzung im Land. Da gibt es in einigen Regionen Ausbaupotenzial. Aber wenn es zum Beispiel in Brandenburg an Niederschlägen fehlt, dann kann ich auf der Fläche nicht so viel Biogas produzieren.

Die mit dem Klimawandel einhergehende Trockenheit behindert den Ausbau von Biogas?

Wenn keine Energiepflanzen wachsen, kann ich keine verwerten.

Aber man könnte Biogas auf Grundlage nachhaltig bewirtschafteter Blühgraswiesen gewinnen. Warum gibt sich die Branche da nicht eine Quote und sagt: Auf fünf Prozent der Fläche – und dann mit einem steigenden Anteil – erzeugen wir Biogas nicht aus den üblichen Energiepflanzen, sondern aus Blühwiesen?

Fakt ist nun einmal, dass man mit Mais den höchsten Energieertrag pro Fläche erreicht.

Bei Biogas ist der Maisanteil derzeit aber sehr stark rückläufig. Wenn dann noch Trockenregionen oder wie derzeit der dritte trockene Sommer in Folge dazukommen, wissen wir nicht, welche Mengen wir im Herbst werden ernten können – dann steigen Winterbegrünungen und Blühflächen in der Wertigkeit.

Wir haben aber schon sehr viel mit Blüh- und Randstreifen im Rahmen des Greenings innerhalb der EU-Agrarpolitik gemacht.

Inzwischen werben Investoren für Photovoltaik-Freiflächenanlagen damit, dass der Energieertrag auf derselben Fläche deutlich höher ist, als wenn dort Biomasse angebaut würde. Ärgert Sie das?

Man muss sehen, dass die Freiflächen-Solaranlagen wirtschaftlich im Vorteil sind. Sie können mit ihren besseren Rahmenbedingungen wesentlich mehr Pacht für die Flächen zu zahlen. Da haben wir zurzeit einen gewissen Konflikt da draußen. Den sollten wir schnellstens begradigen. Es geht nur mit einem Miteinander. Und unser eigentlicher Konkurrent sind die fossilen Energien.

Trockenheit und Waldbrände haben viele Wälder in Deutschland geschädigt, viel Totholz ist angefallen, zugleich ist der Preis für das Holz verfallen. Wie soll es da weitergehen?

Momentan haben wir die Lage, dass vieles im Wald draußen einfach verrottet. Es herauszuholen ist einfach unrentabel. Nutzen wir das Holz jetzt aber nicht – nicht nur als Bauholz, sondern auch energetisch – werden auch unheimliche Mengen CO2 freigesetzt. Das kann es nicht sein. Es ist immer besser, im Holz gebundenes CO2 energetisch zu nutzen als es einfach verrotten zu lassen.

Warum gibt es in Deutschland eigentlich keine Waldbauprojekte zur Klimakompensation?

Für uns ist das auch ein Lösungsansatz – wie auch eine wirksame CO2-Bepreisung. Es gilt, neuen Wald auch in Regionen anzupflanzen, wo bisher noch nicht so viel Forst steht. Dabei müssen wir auch auf den Klimawandel und die Trockenheit achten. Nicht jede Baumart, die derzeit in mancher Region noch wächst, wird dies in 20 oder 30 Jahren noch tun. Wir müssen aber darauf achten, dass das, was angepflanzt wird, auch wirtschaftlich honoriert wird.

Mit der Politik streitet die Bioenergiebranche über Flexibilitäts- und andere "Deckel". Das verstehen oft nur Spezialisten und in der öffentlichen Debatte ist es kaum präsent. Ist das nicht ein Problem?

Das stimmt. Für Außenstehende ist das alles sehr undurchsichtig, aber auch für die Anlagenbetreiber eine Herausforderung. Da sind unsere Mitgliedsverbände sehr aktiv dabei, das zu begleiten.

Ihr Bioenergie-Dachverband erscheint als ziemliches Konglomerat. Mitglieder sind Großorganisationen wie der Bauernverband, aber auch Anwaltskanzleien, öffentlich geförderte Forschungsinstitute sowie Erdgas- und Grubengasfirmen. Wofür steht Ihr Verband eigentlich?

Für Außenstehende ist das sicher nicht immer nachvollziehbar. Einige unserer Mitglieder sind komplett am freien Markt tätig, andere machen nur die Wärme und so weiter. Da gibt es eine Riesenvielfalt und das muss man auch kommunizieren.

Wir als Dachverband verstehen uns als Ansprechpartner für die Bioenergie, die aus der Land- und Forstwirtschaft kommt. Unsere Mitwettbewerber sind nicht das Windrad oder die Solarzelle, sondern die fossilen Energieformen, die wir ersetzen wollen.

Die Kritik an der "Performance" der Bioenergie hat ja ihren Grund: Deutschland braucht alle erneuerbaren Quellen, um das Ziel zu erreichen, 2030 einen Anteil von 65 Prozent Ökostrom am Strommarkt zu haben.

Richtig. Um die 65 Prozent zu erreichen, brauchen wir den gesamten Instrumentenkasten der Erneuerbaren und wir dürfen uns dabei auch nicht einseitig auf die Stromproduktion konzentrieren – wir reden auch von Mobilität und von Wärme. Das Gesamtziel muss erreicht werden und das schaffen wir nur mit dieser Vielfalt.

Den künftigen Strom-Markt teilen sich Wind, Sonne und Erdgas auf, im Verkehr rücken Batterien und Wasserstoff nach vorn und selbst zum Heizen wird der Direkteinsatz von Ökostrom über Wärmepumpen bevorzugt: Wo sehen Sie künftig den Platz der Biomasse?

Unser Markt ist überall. Im Verkehr können wir – denken Sie an den Schwerlast- und den Flugverkehr – nicht alles über Batterien oder Wasserstoff abdecken, auch wenn letzterer eine größere Rolle spielen wird. Auch hier brauchen wir Vielfalt.

Auch sehe ich die Flexibilität von Wind und Sonne als noch nicht so gegeben. Die beiden können im Jahres- und Tagesverlauf die Energieversorgung nicht immer zu hundert Prozent sichern. Wenn dann noch die Wärmeversorgung erneuerbar wird, hat die Bioenergie wesentlich bessere Karten.

Die Erneuerbaren-Verbände hoffen darauf, dass es nach dem Sommer eine größere EEG-Novelle geben wird. Was fordert Ihr Verband dafür?

Wenn es – was ich hoffe, aber nicht garantieren kann – zu einer richtigen Novelle kommt, dann muss die Bioenergie stärker dafür honoriert werden, dass wir zu einer zeitgerechten Lieferung der Energie beitragen. Wir sind grundlastfähig – das ist der Wind nicht und das ist Solarenergie nicht, aber das sind wir von der Bioenergie. Und die Kombination aller sorgt dann für die Versorgungssicherheit im Lande.

Auch die Reststoffverwertung ist besser zu honorieren. Der 75-Kilowatt-Deckel bei der Gülle gehört abgeschafft. Dann könnten auch größere Biogasanlagen als reine Reststoff-Anlagen betrieben werden. Das ist auch für die Landwirtschaft wichtig, die so die Auflagen der Düngeverordnung besser erfüllen kann.

Täuscht der Eindruck, dass die Bioenergie die schwierigste Zeit erst einmal hinter sich hat?

Gerade in Corona-Zeiten wird sehr viel auf regionale Versorgung gesetzt – vom Lebensmittel bis hin zur Energie. Die Selbstverständlichkeit, dass die Weltwirtschaft und die Märkte funktionieren, ist erschüttert worden – auf einmal kommt eben kein Containerschiff mehr aus China oder sonst woher.

Da liegt der Fokus mehr auf der Region – und Region heißt für mich Deutschland. Ich glaube, da hat die Bioenergie eine wesentlich bessere Zukunft vor sich.

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