Mehr als 200 Euro in Scheinen liegen auf einem Stromzähler, aufgenommen von schräg oben.
Bei "Gebrechlichkeit" sollen Stromkunden nicht mehr gezwungen werden können, den Zähler selbst abzulesen. (Foto: Tim Reckmann/​Flickr, CC BY 2.0)

Bei der Wasserstoffwirtschaft gilt für die Bundesregierung: Nicht kleckern, sondern klotzen – zumindest was die Ansprüche betrifft.

Ende letzter Woche stellte das Bundeswirtschaftsministerium einen Gesetzentwurf fertig, mit dem Wasserstoff als dritter "selbständiger Energieträger" neben Strom und Gas treten soll, sofern der Wasserstoff leitungsgebunden transportiert wird, wie es im Klimareporter° vorliegenden Gesetzestext heißt.

Wie bei Strom und Gas sollen nach dem Willen des Ministeriums auch Wasserstoffnetze "der allgemeinen Versorgung" dienen und praktisch allen Interessierten zur Verfügung stehen.

Dazu gehören ein diskriminierungsfreier Zugang sowie das sogenannte Unbundling. Der Betreiber des Netzes muss dabei mindestens ein rechtlich unabhängiges Tochterunternehmen sein, wenn der eigentliche Eigner beispielsweise ein großer Energiekonzern ist.

Klar formulierte Absicht des Wirtschaftsministeriums ist es, auch beim Wasserstoff den Wettbewerb zu entfalten. Das ist im Moment aber schwer möglich.

Denn Netze, mit denen sich Wasserstoff – dem Erdgas gleich – durchleiten, handeln und verkaufen lässt, gibt es in Deutschland noch nicht, wie der Gesetzentwurf anmerkt. Bisher in Deutschland und Europa verfügbare Wasserstoffnetze beschränkten sich meist auf "direkte Versorgungsleitungen" zwischen Anbietern und Nachfragern, heißt es weiter.

Weil Wasserstoffnetze erst noch mit hohem Investitions- und Förderaufwand zu schaffen sind, will das Wirtschaftsministerium vorerst davon absehen, "alle bestehenden oder künftigen Wasserstoffleitungen oder -netze zwingend einer Regulierung zu unterwerfen", begründet es im Gesetzentwurf.

Ob sich ein Wasserstoffnetz wie bei Strom oder Gas der Regulierung unterwirft, soll zunächst der "Einschätzung der Betreiber solcher Leitungen oder Netze überlassen bleiben" – und zwar nach der Maßgabe, ob sich die Betreiber von der Regulierung ein höheres Interesse anderer Nutzer und somit auch mehr Wirtschaftlichkeit versprechen.

Andersherum gesagt: Wer annimmt, sein Netz besser oder überhaupt nur betreiben zu können, indem er es für Dritte öffnet, muss sich Regulierung gefallen lassen und dann unter anderem ein eigenständiges Netzunternehmen gründen, um eine befürchtete "Quersubventionierung" zu verhindern.

Private Stromverbraucher werden etwas besser gestellt

Neben dem Einstieg in die Wasserstoffregulierung setzt das Änderungsgesetz eine Reihe bestehender EU-Vorschriften um, darunter zur Stärkung der Rechte privater Stromkunden.

So sollen Haushalte künftig nicht mehr unbedingt der üblichen Aufforderung Folge leisten müssen, den Stromzähler selbst abzulesen. Das Gesetz sieht Fälle vor, in denen das "unzumutbar" ist. Künftig soll es deswegen ein Widerspruchsrecht gegen die Selbstablesung geben.

Der Stromlieferant wird zugleich verpflichtet, "eventuelle persönliche und gesundheitliche Einschränkungen" seiner Haushaltskunden zu berücksichtigen, wie zum Beispiel Gebrechlichkeit. Ist der Widerspruch berechtigt, soll der Lieferant eine dann erforderliche Ablesung durch ihn selbst dem Haushaltskunden nicht in Rechnung stellen können.

Allerdings soll der Lieferant den Verbrauch dann auch schätzen dürfen, wobei er wiederum die "tatsächlichen Verhältnisse" des Verbrauchers zu berücksichtigen hat. Man darf gespannt sein, wie sich allein lebende "gebrechliche" Menschen dann dagegen wehren, dass ihr Verbrauch auf 3.000 und mehr Kilowattstunden "geschätzt" wird.

Kundenguthaben sollen Stromlieferanten künftig "zeitnah" auszahlen oder mit der nächsten Abschlagszahlung aufrechnen. Ist das Guthaben höher als die erste Abschlagszahlung, soll der Restbetrag binnen zweier Wochen nach Rechnungslegung ausgezahlt werden.

Andere eher dubiose Praktiken zweifelhafter Stromanbieter, die am ständigen Wechsel des Lieferanten verdienen, sollen offenbar mit der geplanten Vorschrift eingeschränkt werden, dass Lieferverträge mit Haushaltskunden "außerhalb der Grundversorgung" künftig schriftlich gekündigt werden müssen. Das soll auch, so wörtlich, "untergeschobenen Lieferverträgen" entgegenwirken.

Marktregeln für Strom-Start-ups, E-Ladepunkte und Speicher

Für die Start-up-Stromverkäufer ist interessant, dass der Gesetzentwurf das Geschäftsmodell sogenannter Aggregatoren zulassen will.

Das sind Firmen, die beispielsweise Ökostrom mehrerer Anbieter, darunter auch kleinerer, "einsammeln" und gemeinsam an Kunden vermarkten wollen. Dies war bisher nur schwer möglich. Unabhängige Aggregatoren sollen einen "diskriminierungsfreien Marktzutritt unter fairen Bedingungen" erhalten.

Weitere Regelungen des Änderungsgesetzes betreffen eine bessere und verständliche Stromkennzeichnung für Haushalte, das Engpassmanagement der Netzbetreiber sowie den Betrieb von Ladepunkten für Elektrofahrzeuge.

Verteilnetzbetreiber sollen künftig weder Eigentümer von E-Ladepunkten sein noch diese errichten, verwalten oder betreiben dürfen – ausgenommen Ladepunkte in privaten Haushalten oder Mietergemeinschaften.

Dafür sollen die Verteilnetzbetreiber künftig die weitgehende Kontrolle über Energiespeicheranlagen erhalten. Zwar dürfen sie auch diese, bis auf Ausnahmen, nicht besitzen, errichten, verwalten oder betreiben – die Netzbetreiber sollen die Speicher aber ausschreiben und letztlich auch über die Ausschreibungen entscheiden.

Den Speicherwettbewerb, sofern dieser überhaupt nötig ist, will das Ministerium offenbar weitgehend in die Hände der Netzbetreiber legen.

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