Ein Kran hat die Nabe auf die Spitze eines neuen Windrades gehoben.
Bis 2030 muss mehr Ökostromleistung her, als der EEG-Entwurf vorsieht, das steht für die meisten Interessenvertreter außer Zweifel. (Foto: Tromp Willem van Urk/​Shutterstock)

Für großen Optimismus ist die Deutsche Umwelthilfe (DUH) eigentlich nicht bekannt. Nimmt man ihr kürzlich präsentiertes Papier "Neustart für Erneuerbare" als kritischen Maßstab, gehört der Entwurf des EEG 2021 in den Ofen.

Dennoch will die Umweltorganisation in der heutigen Anhörung zur EEG-Novelle im Bundestag noch eine "entscheidende" Chance erkennen, den "missratenen Gesetzentwurf umfassend nachzubessern", wie sie verkündete.

Dass der Reformbedarf beim Gesetzentwurf groß ist – jedenfalls, wenn es um die Energiewende geht – lässt sich erneut und problemlos an den meisten Stellungnahmen ablesen, die der Wirtschaftsausschuss des Bundestages vorab ins Netz stellte.

Dass bis 2030 mehr Ökostrom hermuss, als die Regierung im EEG-Entwurf plant, steht für die meisten Verbände außer Zweifel. Ganz einig sind sie sich aber nicht.

So hat der kommunale Spitzenverband VKU vorgeschlagen, das Ausbauziel für Windkraft an Land von 71 Gigawatt (Regierungsentwurf) auf 89 Gigawatt und für Photovoltaik von 100 auf 125 Gigawatt anzuheben. Entsprechend müsste die jeweilige Kapazität bei Wind an Land jährlich um 4,5 und beim Solarstrom um mindestens sechs Gigawatt anwachsen.

Der Thinktank Agora Energiewende peilt in seiner Stellungnahme für 2030 wie bisher bei Wind an Land einen Ausbau auf 80 und bei Photovoltaik auf 150 Gigawatt an. Der jährliche Zubau müsste damit bei 5,5 (Windkraft) und zehn Gigawatt (Photovoltaik) liegen.

BDEW will bundesweit mit Windstrom heizen

Selbst die Bioenergiebranche, die bisher nicht zu den schärfsten Kritikern des EEG-Entwurfs gehörte, lässt jetzt wenig Gutes daran. Die Stromerzeugung aus Biomasse soll – wegen der umstrittenen Rohstoffbeschaffung – bis 2030 bei 42 Terawattstunden stabilisiert werden, also fast auf dem heutigen Niveau von knapp 45 Terawattstunden.

Die 42 würden aber nur erreicht, rechnet die Branche vor, wenn "extrem optimistische Annahmen" zur Auslastung des Anlagenparks gemacht und auch noch angenommen werde, dass 2030 noch viele Uralt-Anlagen aus den Anfangsjahren des EEG in Betrieb sind.

Alles in allem könnten aus Branchensicht für 2030 dann keine 42, sondern nur rund 30 Terawattstunden herauskommen, das wäre ein Drittel weniger Stromerzeugung als heute.

Das Zickzack in der Energiepolitik des Bundes erzeugt auch leicht komisch anmutende Konflikte. So wurde mit dem EEG 2017 im sogenannten Netzausbaugebiet im windkraftreichen Norden Deutschlands erlaubt, mit ansonsten abgeregeltem Ökostrom in sogenannten Power-to-Heat-Verfahren (PtH) Wasser zu erhitzen und in Fernwärmenetze einzuspeisen.

Weil Ökostrom teuer und Wärme, die sonst meist mit Erdgas erzeugt wird, billig ist, rechnet sich dieser Weg nur, wenn – wie im EEG 2017 gestattet – die Investitionskosten und die gesetzlichen Umlagen auf den Strom auf die Netzentgelte umgelegt werden, letztlich also von den Stromkunden bezahlt werden.

Inzwischen gibt es für Ökostrom weit sinnvollere Verwendung in der Sektorkopplung, vor allem für grünen Wasserstoff. Deswegen soll die PtH-Förderung jetzt wohl wegfallen. Der Energiewirtschaftsverband BDEW will sie jedoch erhalten – und sogar aufs ganze Bundesgebiet ausdehnen. Das sei wichtig für die Entlastung der Stromnetze, für die Sektorkopplung und eine grüne Wärmewende, argumentiert der Verband in seiner Stellungnahme.

Kommunalverbände entdecken Bedenken

Besonders interessant ist auch die Stellungnahme der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände, bestehend aus Städtetag, Landkreistag sowie Städte- und Gemeindebund. Die Vereinigung war, soweit bekannt, in der EEG-Debatte bisher eher zurückhaltend – jetzt zerpflücken die Verbände aber die bisher so gelobte Vorschrift im EEG-Entwurf, nach der Windkraft-Betreiber künftig an betroffene Gemeinden 0,2 Cent pro erzeugter Kilowattstunde zahlen sollen.

Weil dies im Gesetz bisher nur eine Kann-Bestimmung ist, fordern die Kommunalverbände wie andere auch, das in ein Muss umzuwandeln. Im Übrigen solle im Gesetzestext nicht "bis zu 0,2 Cent", sondern "mindestens 0,2 Cent" stehen, da sonst "die Gefahr droht, dass Windkraftbetreiber einen deutlich niedrigen Betrag anbieten und ihnen auch keine Sanktionen drohen".

Aus Sicht der misstrauischen Kommunalverbände wäre auch zu konkretisieren, wann Gemeinden vom Windausbau "betroffen" sind. Der Gesetzgeber überlasse das bisher den Windkraftbetreibern selbst. Das sei nicht vertretbar.

Die kommunalen Interessenvertreter könnten dabei sowohl mit dem Vorschlag des Bundesrates leben – anspruchsberechtigt sind Kommunen im Umkreis von drei Kilometern um die Windanlage – als auch mit einer sogenannten 15-H-Regelung, die Zahlungen an alle Kommunen im Umkreis der 15-fachen Gesamthöhe der Windanlage vorsähe.

Vermehrung der Anspruchsberechtigten

Die kommunalen Verbände greifen zudem eine Leerstelle beim Beteiligungsanspruch auf, die erst in den letzten Wochen so richtig deutlich wurde. Ein Anrecht auf Zahlung entsteht laut Gesetzentwurf nur dann, wenn der Windpark im Rahmen einer Ausschreibung, also mit EEG-Förderung, realisiert wird. Betreiber, die den Windpark frei oder mithilfe langfristiger Lieferverträge finanzieren, bleiben bisher unbehelligt.

Und weil die Kommunen, die schon mit bestehenden Windanlagen leben, benachteiligt sind gegenüber denen, die von neuen Projekten mit Beteiligung profitieren, soll nach dem Willen der Verbände der Zahlungsanspruch auch auf Bestandsanlagen ausgeweitet werden. So eine Lösung würde, werden Berechnungen der Fachagentur Wind zitiert, Kosten von 200 Millionen Euro jährlich für die Branche mit sich bringen.

Schließlich der letzte Punkt: Die finanzielle Beteiligung der Kommunen sollte auf große Freiflächen-Solaranlagen erweitert werden, ausgenommen die Agro-Photovoltaik.

Und so geht es munter weiter mit den Vorschlägen und Forderungen. Nur zur Erinnerung: Die Umwelthilfe vermutet, dass die abschließenden Lesungen des Gesetzentwurfs im Bundestag für den 26. oder 27. November vorgesehen sind, in zehn Tagen also.

Bei diesem Zeitplan wäre die heutige Anhörung nicht nur die entscheidende, sondern auch die letzte Chance für die EEG-Reform in dieser Legislatur.

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