Immer wieder sonntags: Die Mitglieder unseres Herausgeberrats erzählen im Wechsel, was in der vergangenen Woche wichtig für sie war. Heute: Claudia Kemfert, Professorin für Energiewirtschaft und Chefin des Energie- und Umweltbereichs am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung DIW.
Klimareporter°: Frau Kemfert, auf ihrer Klausur beschloss die Bundesregierung eine Hightech-Agenda, darunter das erste Fusionskraftwerk in Deutschland und einen beschleunigten Wasserstoff-Hochlauf. Konkrete Klimaschutzmaßnahmen fehlen. Wie beurteilen Sie die Ergebnisse?
Claudia Kemfert: Die Fusionsenergie ist keine Technik für heute, sondern ein extrem teures Zukunftsprojekt. Jeder Euro, der dort gebunden wird, fehlt beim Ausbau von Wind- und Solarenergie, Netzen, Speichern und Effizienz.
Wir brauchen Lösungen, die uns bis 2045 klimaneutral machen – nicht Träumereien für das nächste Jahrhundert. Auch beim Wasserstoff gilt, ihn nur dort einzusetzen, wo es keine Alternativen gibt. Die eigentlichen Klimaschutzmaßnahmen bleiben wieder auf der Strecke.
Der kommunale Spitzenverband VKU betont, Stadtwerke hätten kein Interesse, den Gasverbrauch künstlich zu verlängern. Gleichzeitig hängen ihre Gewinne vielfach noch am Erdgasgeschäft. Wie kommen kommunale Versorger aus diesem Dilemma heraus?
Viele Stadtwerke stecken noch in der Gasfalle. Kurzfristig mag das Gewinne bringen, langfristig wird es zur Kostenfalle.
Raus kommen sie nur, wenn sie ihre Geschäftsmodelle konsequent umbauen – hin zu erneuerbaren Wärmenetzen, Wärmepumpen, Quartierslösungen und Speichern. Wer heute noch auf Gas setzt, riskiert morgen Verluste.
Bundesumweltminister Carsten Schneider (SPD) will ein neues Klimaschutzprogramm noch vor Weihnachten vorlegen. Was müsste aus Ihrer Sicht unbedingt drinstehen?
Entscheidend ist, dass wir die vorhandenen Lösungen endlich konsequent einsetzen. Dazu gehören mehr Wind- und Solaranlagen, vor allem aber Investitionen in dezentrales Energiemanagement, Effizienz und Digitalisierung. Intelligente Laststeuerung, Smart Meter, Speicher und bidirektionales Laden von E-Autos machen das System flexibler und günstiger.
Auch im Verkehr müssen wir den Fokus weg von der endlosen Verbrenner-Debatte hin zu einer echten Elektromobilitätsoffensive verlagern. Ebenso wichtig: Klimaschädliche Subventionen streichen und die Gebäudesanierung sozial gerecht fördern.
Laut dem Energiewende-Barometer der Förderbank KfW ist die Zustimmung zur Energiewende wieder gestiegen, aber viele Haushalte, vor allem mit niedrigen Einkommen, können sich eigene Investitionen nicht leisten. Droht eine soziale Spaltung beim Klimaschutz?
Ja, diese Gefahr ist real. Klimaschutz darf nicht zum Luxusgut werden. Wer wenig verdient, braucht gezielte Unterstützung: Zuschüsse, günstige Kredite, Förderprogramme und vor allem das Klimageld.
Nur wenn die Energiewende sozial gerecht gestaltet wird, behält sie ihre Akzeptanz.
Und was hat Sie in dieser Woche am meisten überrascht?
Überrascht hat mich, dass Unternehmen in einer Studie zu dezentralen Lösungen im Energiesystem den ökonomischen Nutzen der Energiewende so deutlich beziffern – auf insgesamt 185 bis 255 Milliarden Euro.
Das bestätigt: Klimaschutz ist ein Wohlstandsprogramm, kein Kostenfaktor. Dass diese Botschaft nun aus der Wirtschaft selbst kommt, ist ein starkes Signal.
Fragen: Jörg Staude

Ja, sicher, aber Frau Ministerin Reiche (und ihren Chef) wirds kaum beeindrucken, sie ist und bleibt eine blinde Gas-Lobbyistin.