Bei der Energiewende verschiebt sich der politische Schwerpunkt in den Bundestag. Für Freitag dieser Woche ist die erste Lesung zum EEG 2021 geplant.
Die Anhörung zum Entwurf des novellierten Erneuerbare-Energien-Gesetzes im Wirtschaftsausschuss soll aber, wie zu hören ist, erst am 18. November stattfinden. Ein recht später Termin, denn dann bleiben nur noch vier Wochen, um das Gesetz endgültig durch Bundestag und Bundesrat zu bringen. Für beide Parlamentskammern endet das Sitzungsjahr am 18. Dezember.
Den Auftakt zu den "Energiewende-Wochen" bildet heute eine Anhörung im Wirtschaftsausschuss zur Nationalen Wasserstoffstrategie. Die vorliegenden sieben Stellungnahmen von Sachverständigen lesen sich allerdings so, als fände eher eine Werbeveranstaltung statt.
Da preist Daniel Teichmann von Hydrogenious LOHC Technologies seitenlang recht ungeniert seine spezielle Wasserstoff-Transporttechnologie an, die – natürlich – mit dem "deutschen Technologieführer" und einer "hohen Wertschöpfungstiefe deutscher Zulieferer" ein enormes Potenzial biete. LOHC kann, so wirbt Teichmann, die "effizienteste und kostengünstigste Form des Wasserstoff-Transports werden".
So etwas wird Deutschland auch dringend brauchen können, denn schließlich, fährt er fort, gehe die Nationale Wasserstoffstrategie von einem Importbedarf von 80 Prozent im Jahr 2030 aus. So viel – billigen – Wasserstoff zu importieren ist seiner Ansicht nach auch im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit und Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen angeraten.
Wasserstoff muss vorerst leider fossil sein
Während die Transportfirma auf Importe hofft, schaut Armin Schnettler von Siemens Energy lieber in die Gas-, nein, Glaskugel. "Keiner kann heute sagen, wie sich der Energiemarkt entwickeln wird", heißt es in der Stellungnahme der gerade vom Siemenskonzern abgestoßenen Tochter.
Zwar solle man "mittel- und langfristig auf grünen Wasserstoff abzielen", doch eine "ideologiegeführte Farbendebatte, ob nun der grüne, blaue oder türkisfarbene Wasserstoff der 'richtige' ist", verzögert für Schnettler nur die notwendigen ersten Schritte. Unter diesen müssten auch "hybride Lösungen" wie das "Beimischen" grüner zu fossilen Energieträgern akzeptiert werden, fordert der Siemens-Energy-Mann.
Weil es leider, leider zu wenig grünen Wasserstoff geben wird, müssen wir de facto für lange Zeit den auf fossiler Basis erzeugten "grauen" Wasserstoff nutzen und damit eben auch die geringe CO2-Einsparung in Kauf nehmen – diese Argumentation zieht sich wie ein buntes Kohlenwasserstoffmolekül durch die Stellungnahmen von Industrie und Wirtschaft.
Die Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geothermie (IEG) begnügt sich schließlich damit, zur Anhörung eine bereits im Oktober 2019 vorgelegte Wasserstoff-Roadmap dem Ausschuss nochmals zu präsentieren. Nein, nicht ganz: Dem Fahrplan vorangestellt ist eine anderthalbseitige aktuelle Stellungnahme, die allerdings auf der Linie der Unternehmen liegt.
So werde die Wasserstoff-Versorgung in Deutschland, schreibt IEG-Experte Mario Ragwitz, auf hohen Importanteilen basieren. Die Elektrolyseure würden in Weltregionen Einsatz finden, wo der Ökostrom weniger als drei Cent pro Kilowattstunde koste und die Erneuerbaren-Parks mindestens 4.000 Stunden pro Jahr liefen. Dort könne grüner Wasserstoff zu international konkurrenzfähigen Kosten hergestellt werden.
Viele Weltregionen würden sich auf diesen Handel nachhaltig erzeugter Energieträger vorbereiten, so Ragwitz – was den Aufbau der nötigen Transportinfrastrukturen dringend erforderlich mache. Hier hat ja, wie wir schon wissen, Hydrogenious LOHC Technologies die weltweit beste in petto.
"Der angenommene Bedarf ist nicht belegt"
Einzig Felix Matthes vom Öko-Institut verpasst den Wasserstoff-Begeisterten in seiner Stellungnahme einen herben Dämpfer. Selbst grauer Wasserstoff, vor allem auf Erdgas-Basis hergestellt, koste einen bis 1,50 Euro je Kilogramm H2. Das entspreche einem Brennstoffpreis von 33 bis 50 Euro je Megawattstunde.
Im Vergleich zum erwarteten Niveau des Erdgaspreises von 20 Euro je Megawattstunde sei der Einsatz von grauem Wasserstoff – einem Energieträger oder Rohstoff mit vergleichsweise hoher CO2-Last, wie Matthes betonte – ein teures Gut.
Eine Kostenparität von "klimaneutralem" Wasserstoff – das ist nicht nur grüner, sondern auch per CO2-Abscheidung klimaneutral gemachter – mit Erdgas sowie mit Heizöl, Benzin oder Diesel sieht Matthes erst bei einem CO2-Preis von 200 Euro je Tonne.
Matthes bezweifelt auch, dass es zumindest in den nächsten zehn Jahren eine reale Nachfrage nach großen Mengen Wasserstoff gibt. Bisherige Analysen zeigten, dass ein erheblicher Bedarf für Wasserstoff oder wasserstoffbasierte Energieträger oder Rohstoffe erst dann entstehe, wenn der Schritt zu einer Treibhausgasminderung um 95 bis 100 Prozent im Vergleich zu 1990 angestrebt wird.
Selbst bei einer Reduktion um bis zu 80 Prozent spielten diese Stoffe noch "keine wesentliche Rolle", schreibt Matthes und schließt daraus auch: "Die der Nationalen Wasserstoffstrategie zugrundeliegende Hypothese eines Bedarfs von circa 100 Terawattstunden im Jahr 2030 ist zumindest durch bisher veröffentlichte Studien nicht robust belegt."
Wasserstoff kann dem Klima schaden
Und bevor die Wasserstoffwirtschaft mit der Geburtshilfe durch fossilen Wasserstoff so richtig losgeht, möchte Matthes auch die klimapolitischen Effekte genauer geklärt haben, die durch die Nutzung des im Erdgas enthaltenen Methans verursacht werden. Das betreffe die Methanemissionen aus der Bereitstellung und deren klimastrategische Bewertung.
Im Vordergrund solle dabei die Frage stehen, ob sich hier nicht ein "Korrekturbedarf" ergebe. Der Energieexperte hält deswegen die Schaffung eines "Nationalen Methanforums" zur transparenten Klima-Beurteilung von Erdgas für angezeigt – als eine wichtige Komplementärmaßnahme zur Nationalen Wasserstoffstrategie.
Vereinfacht gesagt: Die Methanemissionen, die beim Erdgaseinsatz frei werden, könnten am Ende durchaus dazu führen, dass mit nicht-grünem Wasserstoff überhaupt kein Klimaeffekt erzielt wird, jedenfalls kein positiver.