Windräder in Schleswig-Holstein
Auch das Repowering von Windrädern – das Aufstellen einer größeren Anlage an der Stelle, wo eine abgebaut wird – ist rechtlich schwierig. (Foto: Jens Meier/BWE)

Der Windgipfel am morgigen Donnerstag im Bundeswirtschaftsministerium ist eher eine Windvolksversammlung. Nach dem, was vorher zu hören war, sollen am Nachmittag für zweieinhalb Stunden etwa 50 bis 70 Vertreter bei Minister Peter Altmaier (CDU) zusammenkommen, darunter auch von umstrittenen Anti-Wind-Bürgerinitiativen wie "Vernunftkraft". Beschlüsse oder andere Papiere sollen vom Ministerium nicht vorbereitet worden sein.

Katherina Reiche, Geschäftsführerin des Verbandes Kommunaler Unternehmen (VKU), reagierte deshalb heute zurückhaltend auf die Fragen von Medien, was sie sich denn vom Windgipfel erhoffe. Sie habe die Einladungsliste nicht gemacht und würde dem VKU mehr Redezeit geben, sagte sie sichtlich angefressen.

Von Altmaier erwarte der VKU jedenfalls, dass der Minister einen "Korridor" aufzeige, den er gesetzgeberisch und regulativ angehen wolle. Forderungen etwa nach bundesweit einheitlichen Abstandsregeln unterstütze der VKU zwar nicht, setze sich aber mehr für Bundes-Vorgaben bei der Raumordnung und Planung ein.

Derzeit werde, schilderte die VKU-Chefin die desolate Lage, nur ein Zehntel des im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) eigentlich geplanten Zubaus von 3.675 Megawatt erreicht – und selbst diese EEG-Menge genüge nicht, um das Ziel der Koalition zu erfüllen, 65 Prozent des Stroms im Jahr 2030 erneuerbar zu erzeugen. Rechne man den Rückbau alter Anlagen heraus, müssten jährlich sogar 5.500 Megawatt neu hinzukommen, sagte Reiche.

Mangelndes Interesse an Windkraft-Ausschreibungen

An der Windflaute wird sich vorerst nichts ändern. Die VKU-Chefin wies dazu auf die sinkende Ausschöpfung der Windkraft-Ausschreibungen der Bundesnetzagentur hin. Im Februar wurden von 700 ausgeschriebenen nur knapp 500 Megawatt abgerufen, im Mai war das Verhältnis sogar 650 zu 295 und im August 650 zu 239 Megawatt.

Beim Zuschlag habe es zuletzt eine EEG-Förderung von 6,6 Cent pro Kilowattstunde gegeben, dabei sei man schon einmal deutlich unter drei Cent gewesen. "Mangelnder Wettbewerb führt zu höheren Förderkosten – das ist das Gegenteil dessen, was sich die Bundesregierung mit dem Ausschreibungsmodell vorgenommen hat", ätzte Reiche in Richtung Bundesregierung.

Bei den Ursachen verwies die VKU-Geschäftsführerin auf überzogene Abstandsregelungen, lange Genehmigungsverfahren sowie die Vorschriften der Deutschen Flugsicherung. Dass die Flugsicherung einen Sicherheitsabstand von 15 Kilometern zu ihren Funkfeuern verlangt, während in Europa sonst zehn Kilometer rechtlich vorgeschrieben sind und auch ausreichen, ist zwar schon lange bekannt, wird aber erst seit Kurzem intensiver kritisiert.

Die deutsche Sonderregelung auf den Zehn-Kilometer-Abstand anzupassen, gehört auch zu den zehn Vorschlägen in einem gemeinsamen, heute veröffentlichten Forderungspapier von Verbänden wie dem VKU und dem Energiebranchenverband BDEW, der Windbranche selbst und den Umweltorganisationen Greenpeace, WWF, Deutsche Umwelthilfe und Germanwatch.

Zählt man übrigens die Windprojekte zusammen, die wegen dem größeren Radius der Flugsicherung und wegen der Einschränkungen durch die Bundeswehr gegenwärtig auf Eis liegen, sollen das zwei Drittel aller Vorhaben sein. Hier könnte der Bund auch relativ schnell Änderungen erreichen – beim morgigen Windgipfel wird das aber wohl kaum ein Thema sein.

Den Flächenbedarf und die Abstandsregelungen für neue Windanlagen gehen der VKU und die anderen Verbände jetzt eher offensiv an. "Ja – die Energiewende benötigt Fläche", betonte Katherina Reiche. Das gehöre mit zum Übergang zu einem dezentralen und erneuerbaren Energiesystem. Entsprechende Flächenziele müsse der Bund eben im Raumordnungsgesetz festlegen und mit den Ländern koordinieren, fordert die VKU-Chefin.

Naturschutzbund stieg aus Verbände-Allianz aus

Reiche rückte auch von der bisherigen Idee ab, in jedem Bundesland gleichermaßen zwei bis 2,1 Prozent der Landesfläche als Windeignungsgebiet auszuweisen, sondern plädierte für einen stärkeren Ausbau in den Nordländern.

Bei den VKU-Unternehmen hängen Reiche zufolge derzeit 1.200 Megawatt Windkraft bei den Genehmigungsbehörden fest. Dauerte es früher im Schnitt 300 Tage, bis eine Windanlage genehmigt wurde, seien es jetzt 800 bis 900 Tage, verdeutlichte Susanna Zapreva, Vorstandschefin des Windkraftprojektierers und -betreibers Enercity, die gestiegene Zeitdauer.

Bei den Genehmigungen schlägt der VKU vor, die Fristen für die behördlichen Prüfungen zu verkürzen, Klagemöglichkeiten zu beschränken und Genehmigungsverfahren zu vereinheitlichen.

Wie in dem Zehn-Punkte-Papier zielen auch beim VKU diese Forderungen vor allem auf den Artenschutz. Man sei zwar für den Naturschutz, betonte Reiche, aber dessen Regelungen dürften nicht unterschiedlich gehandhabt werden. Ihr Verband könne sich da "Handreichungen" und "Musterverfahren" vorstellen, an denen sich lokale Behörden orientieren sollten.

Reiche wie auch das Verbände-Papier stellen so deutlich wie kaum zuvor den Standpunkt heraus, dass Klimaschutz auch Naturschutz ist. Deswegen sei es auch eine "zulässige Schlussfolgerung", so die VKU-Chefin, dass ein nachhaltiges Energiesystem gut für den Artenschutz sei.

Allerdings stieg der Naturschutzbund Deutschland (Nabu), der die Mehrzahl der Artenschutz-Klagen vertritt, kurz vor Verabschiedung des Zehn-Punkte Katalogs aus der Verbändeallianz aus und gehört – ebenso wie der BUND – nicht zu den Unterzeichnern. Der Nabu warnt in einer Klimareporter° vorliegenden Stellungnahme davor, in dem Verbände-Papier würden bei einigen für den Naturschutz kritischen Punkten Formulierungen gewählt, die Naturschutzbelange zu Kann-Vorschriften deklassierten.

Vorschlag für "Windausbaubeschleunigungsgesetz"

Der Druck auf bisher eher geschützte Räume durch die Windkraft wird aber steigen. Für eine Art "Windausbaubeschleunigungsgesetz" plädierte heute Simon Schäfer-Stradowsky, Geschäftsführer des Instituts für Klimaschutz, Energie und Mobilität (Ikem) in Berlin.

Windkraft könne ähnlich wie Flughäfen zu einem Projekt mit "überörtlicher Bedeutung" erklärt werden. Dann könnte die Landesebene die Planung an sich ziehen und eine Art Planfeststellungsverfahren einleiten. Bürger und Umweltverbände würden dann nur noch Anzuhörende, aber nicht mehr aktiv Mitwirkende sein, sagte Schäfer-Stradowsky.

Wie man aber die Forderungen an Bund und Länder, für die Windkraft Genehmigungsverfahren zu vereinfachen, zu verkürzen und mehr Flächen auszuweisen, mit der Forderung nach mehr Akzeptanz vor Ort bei den Bürgern zusammenbringt – da sind zurzeit keine wirklichen plausiblen Vorschläge zu hören.

Der Ikem-Chef setzt dabei weniger auf eine direkte Beteiligung der Einwohner an der Anlage und deren Erträgen, sondern eher auf einen größeren wirtschaftlichen Nutzen für die Kommunen – über deren Beteiligung oder eine Stärkung der lokalen Wertschöpfung. "Hierfür sollte die Vor-Ort-Nutzung des Windstroms, etwa in lokalen Unternehmen und für die Sektorenkopplung, gesetzlich gefördert werden", erklärte Schäfer-Stradowsky.

Das Zehn-Punkte-Papier plädiert seinerseits für eine bundesweit einheitliche und regelmäßige finanzielle Beteiligung von Standort- und Anrainerkommunen. Diese Windkraft-Abgabe solle transparent und einfach sein und für neu errichtete Anlagen gelten.

Lesen Sie dazu unseren Kommentar: Eine Chance für die Bürger-Windkraft

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