Fahrraddemo gegen Autobahnausbau in Niedersachsen
Fahrrad-Protesttour gegen den Autobahnausbau bei Braunschweig und Wolfsburg: Letztes Jahr durfte nicht wie geplant auf der Autobahn gefahren werden. (Foto: Constantin Jäge/​Wikimedia Commons)

Es ist eine schreckliche Erkenntnis, die viele Verbraucher umtreibt: Als Nutzer von Erdgas oder Heizöl, Sprit und Kohlestrom hat man jahrelang Putins Militärmaschine mitfinanziert, die nun die Ukraine überfällt, Menschen tötet oder in die Flucht treibt und Städte in Schutt und Asche legt. Und selbst jetzt, da der Krieg eskaliert, fließt das Geld weiter in Moskaus Kriegskasse.

Doch die Verbraucher sind hier nicht machtlos. Sie können zumindest einen Teil davon schnell wegsparen. Stichworte: mäßiger heizen, langsamer Auto fahren, sparsame Elektrogeräte kaufen. Und eine Unternehmensinitiative forderte jetzt, die Bundesregierung müsse ein "historisches Energiesparpaket" auflegen.

Rund 55 Prozent es in Deutschland verbrauchten Erdgases stammen bisher aus Russland, bei Steinkohle ist es die Hälfte, bei Erdöl gut ein Drittel. Im EU-Schnitt ist die Abhängigkeit ebenfalls hoch, wenn auch etwas geringer.

Russlands Einnahmen aus dem Export von Gas, Kohle und Öl alleine aus den EU-Ländern beliefen sich 2020 auf umgerechnet 67 Milliarden US-Dollar, während die Militärausgaben 61,7 Milliarden betrugen. Der Staatshaushalt wird zu einem Drittel aus den Energie-Einnahmen bestritten.

"Wir sitzen abends in warmen Wohnzimmern und schauen Krieg. Wir sind empört und wollen helfen", schrieb jetzt der Berliner Verkehrsforscher Andreas Knie in einem "Tacheles"-Beitrag für Klimareporter°. "Morgens gehen wir aber wieder in die Garage und starten das Auto. Mit dem Geld für den Sprit finanzieren wir zu einem großen Teil Putins Krieg. Das wollen wir nicht wahrhaben und denken lieber über die Renaissance von Braunkohle und Atomkraft nach. Hauptsache, die Versorgung ist gesichert!"

Doch das Klima dreht sich. Die Forderungen, Energiesparen und Energieeffizienz in allen Sektoren – von Verkehr über Heizung bis Industrie – umzusetzen, werden lauter.

Dramatischer als bei der ersten Ölkrise

Tatsächlich ist die Situation heute zumindest in Deutschland und Europa dramatischer als während der ersten Ölkrise 1973, in der die damalige Bundesregierung unter Kanzler Willy Brandt (SPD) immerhin vier Sonntagsfahrverbote und für sechs Monate ein allgemeines Tempolimit auf Autobahnen (Tempo 100) und Landstraßen (Tempo 80) erließ, um den Spritkonsum zu senken. Die Opec hatte damals den Ölexport gedrosselt, um den Westen unter Druck zu setzen, der Israel im Jom-Kippur-Krieg unterstützte.

Die Forderung nach einem Tempolimit wie damals hat die Deutsche Umwelthilfe (DUH) jetzt wieder auf die Agenda gesetzt. Das Argument: So lasse sich der Rohölbedarf aus Russland sofort um mehrere Millionen Tonnen und damit etliche Prozentpunkte absenken. Auch in den sozialen Medien fordern viele: 100 auf der Autobahn, 80 auf Landstraßen, 50 in Städten.

Verkehrsforscher wie Knie unterstützen das: "Ein Tempolimit ist aus Klimaschutzgründen ohnehin überfällig. Jetzt wäre der richtige Zeitpunkt, um es einzuführen. Wann sonst?" Auch an autofreie Sonntage solle man durchaus wieder denken. Das wäre zudem ein "sichtbares Zeichen der Solidarität mit der Ukraine", sagt der Soziologe gegenüber Klimareporter°.

Der Umweltforscher Rainer Grießhammer vom Freiburger Öko-Institut sieht im Verkehr weitere, noch sogar größere Einsparpotenziale. "Innerorts radeln, auf Bahn und ÖPNV umsteigen, längere Autofahrten möglichst vermeiden, spritsparend fahren", rät er.

Auch eine Fortsetzung der wegen Corona eingeführten Home-Office-Regelungen wirke positiv. Noch größere Effekte habe ein Verzicht aufs Fliegen, ob für Geschäftsreisen oder Wochenendtrips, wenn dadurch die Flugpläne ausgedünnt werden können.

Viele Alternativen rechnen sich jetzt

Weiteres Aktionsfeld: Heizen und Warmwasserbereitung, speziell bei den rund 48 Prozent der Haushalte, in denen dafür Erdgas genutzt wird. Mit wenigen Maßnahmen könne der Gasverbrauch hier um 15 bis 20 Prozent gesenkt werden, rechnet Grießhammer vor – und zwar auch von Mietern.

Thermografie-Aufnahme eines zweistöckigen Hauses, die Rotfärbung der Wände zeigt, dass dort beheizte Räume ohne Wärmedämmung sind.
Viele ältere Häuser heizen nach wie vor die Umgebung mit. (Foto: Ivan Smuk/​Shutterstock)

Maßnahmen sind: die Heiztemperatur um ein bis zwei Grad senken, automatische Thermostatventile einsetzen und mit Sparduschköpfen den Warmwasserverbrauch reduzieren.

Der Experte Michael Kopatz vom Wuppertal-Institut für Klima, Umwelt, Energie verweist darauf, dass so auch der Anstieg der Energierechnung wenigstens etwas gemildert werden kann: "Wer den Raumthermostat von 23 auf 21 Grad runterreguliert, spart zwölf Prozent Heizkosten." Auch nutzten viele immer noch die Fenster-Kipplüftung statt der empfohlenen Stoßlüftung. "Das ist eine Kostenfalle."

Mittel- und langfristig geht in dem Sektor freilich noch viel mehr: vor allem durch Wärmedämmung von Häusern und die Umstellung der Heizung auf Wärmepumpen.

Auch Stromsparen in allen Varianten macht laut den Experten als Anti-Putin-Maßnahme Sinn, da hierzulande noch rund 20 Prozent der Elektrizität mit Erdgas und Steinkohle produziert werden, die zu mehr als der Hälfte aus Russland kommen. Hier gibt es unzählige Möglichkeiten – vom Wäschewaschen mit Ökoprogrammen über das Abschalten des W‑Lan bei Abwesenheit bis zum Haushaltsgeräte-Neukauf mit bester Effizienzklasse.

Energiespar-Tipps

Wie können Verbraucherinnen und Verbraucher Energie sparen? Die Unternehmensinitiative Energieeffizienz (Deneff) rät:

Technik

  • Wasser-Durchflussbegrenzer im Bad einbauen
  • Fenster mit Dichtungsband abdichten
  • Haushaltsgeräte-Neukauf mit bester Effizienzklasse
  • Größe von Elektrogeräten dem Bedarf anpassen
  • Heizkörper entlüften (lassen)
  • digitale Heizkörperthermostate einbauen
  • Kühlschrank und Gefriertruhe abtauen
  • LED-Leuchten in Gebäuden einsetzen
  • Lichtsteuerung

Nutzung

  • Autofahrten und Flüge minimieren
  • zu Fuß gehen, ÖPNV nutzen oder Fahrrad fahren
  • auf Heizpilze verzichten
  • auf Klimaanlagen verzichten
  • elektrische Geräte seltener nutzen
  • elektronische Geräte ausschalten, auf Stand‑by verzichten, gegebenenfalls mit Zeitschaltuhr
  • Extra-Kühlgeräte stilllegen
  • Gefriergut im Kühlschrank auftauen
  • Geschirrspüler mit Ökoprogramm laufen lassen
  • energie- und wassersparend duschen und baden
  • Hände mit kaltem Wasser waschen
  • Heizung etwas herunterdrehen
  • Heizung in ungenutzten Räumen herunterdrehen
  • solare Wärmegewinne nutzen: Sonne ins Gebäude lassen
  • Rollläden im Winter gegen Wärmeverlust nutzen
  • Stoßlüften im Winter bei heruntergedrehter Heizung
  • Laptop statt PC verwenden
  • PC nach Nutzung ausschalten
  • W-Lan bei Abwesenheit abschalten
  • Sauna ausschalten
  • Wäsche auf einem Ständer und nicht in der Wohnung trocknen
  • Wäschewaschen mit Ökoprogrammen; bei 30 Grad; ohne Vorwäsche
  • Waschmaschine und Geschirrspüler voll beladen
  • weniger Lampen pro Raum benutzen
  • Beleuchtung dimmen; Licht ausschalten

Auch in Industrie und Gewerbe gibt es nach Einschätzung der Fachwelt noch zahlreiche Handlungsmöglichkeiten, den Energieverbrauch gerade relativ schnell zu senken, vor allem beim Strom. Pumpen hydraulisch optimieren, Druckluft-Leckagen abdichten, Lichtsteuerung verbessern, Videokonferenzen statt Dienstreisen – das sind Beispiele.

Da viele Produktionsprozesse in den letzten zwei Jahrzehnten aber schon aus Kostengründen optimiert wurden, sind große Sprünge hier nicht so schnell zu erwarten. Mittel- und langfristig gibt es dagegen erhebliche Verbesserungspotenziale, weil sich viele Alternativen durch die hohen Energiepreise und die CO2-Bepreisung nun rechnen.

Von Japan lernen

In dieser Situation macht die "Deutsche Unternehmensinitiative Energieeffizienz" (Deneff), der 200 Firmen, darunter Konzerne wie Covestro, Rockwool und Siemens, angehören, nun Druck, die "stille Reserve Energieeffizienz" zu nutzen. "Der Staat darf die Menschen nicht alleinlassen und muss jetzt in historischem Ausmaß aktiv werden", schreibt die Deneff in einem Appell. Die Bundesregierung müsse schnell handeln, um die Bevölkerung und die Unternehmen zu befähigen, den Energieverbrauch zu senken.

Im Einzelnen fordert die Deneff eine große, medienwirksame Energiesparkampagne, kostenlose Heizkosten- und Stromsparchecks, Energiespargutscheine etwa für besonders effiziente Geräte und den Start einer "Sanierungswelle" für den Gebäudesektor, beginnend mit den energetisch schlechtesten Häusern aus der Nachkriegszeit.

Dass eine solche Kampagne fruchten kann, zeigen die Erfahrungen aus Japan, wo die Regierung nach dem Fukushima-Supergau 2011 und der zeitweisen Stilllegung aller Kernkraftwerke des Landes das Energiesparen zur nationalen Aufgabe erklärte. Zeitweise sank der Stromverbrauch durch Maßnahmen in den Haushalten, Büros und Firmen um bis zu rund 20 Prozent, Energiesparen wurde zu einer Art Volkssport.

Deutschland sei gut beraten, sich daran ein Beispiel zu nehmen, meint Experte Grießhammer. "Die beste Kilowattstunde ist die, die gar nicht erst produziert werden muss."

Lesen Sie dazu unseren Kommentar: Auf die Putin-Bremse treten

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