Das Flachdach eines Wohnhauses in Berlin-Moabit ist mit Solarmodulen bedeckt.
Ein massiver Ausbau von Dachsolaranlagen wie hier in Berlin-Moabit wäre bei einem erfolgreichen Volksentscheid wahrscheinlich gewesen. (Foto: Christopher Rowe/​EWS)

Eine knappe Mehrheit der Berliner:innen ist dafür, dass Berlin nicht erst 2045, sondern bereits 2030 klimaneutral wird. Dies hatte eine von der Initiative Klimaneustart Berlin in Auftrag gegebene Umfrage ergeben, deren Ergebnisse Anfang März – zwei Wochen vor dem heutigen Volksentscheid – präsentiert wurden.

In der Umfrage hatten sich rund 46 Prozent der Befragten dafür ausgesprochen, dass Berlin in einem Zeitraum von gut sieben Jahren klimaneutral werden soll. 42 Prozent waren zum Zeitpunkt der Umfrage noch dagegen oder eher dagegen. Zwölf Prozent konnten sich im Umfragemonat Februar noch nicht entscheiden.

Mit einer knappen Mehrheit für ein klimaneutrales Berlin 2030 endete am heutigen Sonntag auch der Volksentscheid selbst. Laut dem vorläufigen Ergebnis erreichten die Befürworter:innen mit 442.210 Ja-Stimmen eine Mehrheit von 50,9 Prozent.

Nötig für einen Erfolg des Volksentscheids ist aber auch, dass 25 Prozent der Wahlberechtigten mit Ja stimmen. Das sich daraus ergebende Quorum von 607.518 Ja-Stimmen wurde damit deutlich verfehlt. "Damit ist der Volksentscheid gescheitert", sagte Abstimmungsleiter Stephan Bröchler im Sender RBB.

Mit Nein stimmten am Sonntag 423.418 Wahlberechtigte. Das sind 48,7 Prozent. Die Abstimmungsbeteiligung lag nach den Angaben bei knapp 36 Prozent.

Die geringe Beteiligung hatte sich bereits im Laufe des Tages abgezeichnet. Um 16 Uhr hatten erst 26 Prozent der Abstimmungsberechtigten ihre Stimme abgegeben. Expert:innen hatten auch nicht damit gerechnet, dass so viele Wahlberechtigte aktiv gegen den Volksentscheid stimmen würden.

"Stärker nach sozial verträglichen Lösungen suchen"

Das Bündnis Klimaneustart Berlin wollte mit der Abstimmung eine Änderung des Landes-Energiewendegesetzes erreichen. Aus bisherigen "Klimaschutzzielen" wären dann "Klimaschutzverpflichtungen" geworden. Berlin hätte seine Treibhausgas-Emissionen bis 2030 um mindestens 95 Prozent im Vergleich zu 1990 verringern müssen.

In dem Bündnis hatten sich nahezu 80 Verbände und Initiativen zusammengeschlossen. Das Vorhaben wurde auch von zahlreichen Künstler:innen unterstützt.

Skeptisch hatte sich dagegen vor dem Entscheid der Soziologe Fritz Reusswig vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung geäußert. Bis 2030 sei wahrscheinlich nur eine Verringerung der Emissionen um 65 bis 75 Prozent möglich, hatte Reusswig laut Medienberichten gesagt.

Reusswig, der an Untersuchungen zur Klimaneutralität Berlins mitgearbeitet hat, kritisierte, dass bei der Sanierung der Gebäude die Frage der Kostenverteilung und der Belastungen vor allem für Mieter völlig ungeklärt geblieben sei. Beispielsweise könne das Land Berlin nicht einspringen, um eine Warmmieten-Steigerung als Folge von Gebäudesanierungen abzufangen.

Er sei trotzdem für den Volksentscheid, weil er politisch sinnvoll sei, meinte Reusswig. Er könne den Effekt haben, dass sich die Politik mehr Gedanken mache und sozial verträgliche Lösungen zum Erreichen von Klimazielen finde.

Initiative kritisiert auch separaten Abstimmungstermin

Trotz des Scheiterns sieht die Initiative Klimaneustart auch positive Aspekte, wie sie am späten Abend erklärte. Das Ergebnis zeige deutlich, dass Berlin mehr Klimaschutz wolle, aber aufgrund des verfehlten Quorums trete die Gesetzesänderung nun nicht in Kraft, bedauerte Sprecherin Michaela Zimmermann. "Hätte der Volksentscheid wie ursprünglich geplant parallel zur Berlin-Wahl stattgefunden, wäre das nicht passiert", vermutete sie.

Klimaneustart Berlin kündigte zugleich an, die Berliner Klimapolitik weiterhin kritisch und konstruktiv zu begleiten. Dabei setze die Initiative vor allem auf mehr Bürger:innenbeteiligung, sagte Zimmermann. Der sozial-ökologische Umbau der Stadt brauche offenbar mehr Antrieb aus der Bevölkerung.

Aus der Abstimmung und der Zahl an Nein-Stimmen sei auch zu lernen, forderte Julian Zuber von der Klimaschutzinitiative German Zero am späten Abend. "Die Sorge vor der nötigen Transformation scheint noch größer als die Sorge vor der Klimakrise selbst."

Es müsse besser miteinander kommuniziert und der Dialog zwischen Wissenschaft, Gesellschaft, Wirtschaft und Politik vereinfacht werden, sagte Zuber. Den Weg dafür habe das Bündnis Klimaneustart, dem German Zero angehört, in Berlin geebnet.

Der Beitrag wurde um 22:30 Uhr aktualisiert mit dem vorläufigen Ergebnis und Stellungnahmen der Initiativen.

Lesen Sie dazu unseren Kommentar: Gut gemeint, aber offenbar doch zu radikal

Anzeige