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Laut, bunt und kreativ – zumindest das "laut" vereint Youtuber und Politiker. Doch die Uhr der Youtuber tickt schneller. Während die Politiker seit Monaten über CO2-Steuer oder Emissionshandel debattieren, heißt es nun aus den Reihen der Youtuber: "Wir haben den Plan."

Der sei wissenschaftlich geprüft und müsse nun dringend von der Bundesregierung angehört werden, erklärt die Chemikerin und Journalistin Mai Thi Nguyen-Kim, die auf ihrem Kanal Mailab das Youtube-Video mit dem Titel "Das ist jetzt zu tun" veröffentlicht hat. Bisher hat das Video von Nguyen-Kim 430.000 Klicks. Ihr Youtube-Kanal Mailab ist ein Angebot von Funk, der Jugendplattform von ARD und ZDF

"Ohne politische Maßnahmen, ohne große kollektive Veränderungen ist alles, was wir so als Einzelpersonen machen – Rad fahren, weniger Fleisch essen, was auch immer – nur Pillepalle", so die Youtuberin. Anhand von fünf Punkten erklärt sie nicht nur die Basics der Klimaschutzdebatte, sondern auch, was die Politik gegen den Klimawandel tun kann.

Fünf-Punkte-Plan für Politiker

Punkt eins des Plans ist, dass es einen CO2-Preis geben müsse, der die Diskussion um CO2-Steuer oder Emissionshandel obsolet macht. "Steuer und Emissionshandel wirken auf eine ganz ähnliche Weise. Am Ende des Tages müssen wir, die Konsumenten, bezahlen", kommentiert Ottmar Edenhofer vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), der im Video zugeschaltet wird.

"Wer Schaden anrichtet, der muss dafür zahlen", beschreibt Edenhofer das Verursacherprinzip. Wichtig sei allerdings eine sozial gerechte Ausgestaltung der Steuer oder Kompensation, damit nicht nur Niedrigverdiener belastet werden, meint Youtuberin Nguyen-Kim – Punkt zwei. 

Die Bepreisung schade aber nicht der Volkswirtschaft – im Gegenteil. "Wir wissen, dass der ungebremste Klimawandel höhere ökonomische Schäden anrichtet als das, was wir heute an Kosten aufwenden müssen, um die Emissionen zu reduzieren", begründet Edenhofer vom PIK den dritten Punkt.

Punkt vier sind Zusatzmaßnahmen zum Klimaschutz, die emissionsarme Alternativen fördern, wie beispielsweise öffentliche Verkehrsmittel und technische Innovationen.

Und schließlich sollen die Klimaschutzmaßnahmen nicht auf die Einzelnen abgewälzt werden. "Dann passiert doch das, was wir eh schon wissen. Einige werden was tun, andere werden nichts tun", meint der Potsdamer Ökonom Edenhofer. Gerade deswegen sei die allgemeine CO2-Bepreisung so wichtig.

CO2-Steuer wirkt anders als Emissionshandel 

Es sei ein wirklich guter, wissenschaftlicher Plan, den vor allem die Bundesregierung hören müsse, sagt die Youtuberin. "Nur leider interessiert sich kein Politiker für Youtuber, es sei denn natürlich, Rezo ist involviert."

Und so wird jede politische Maßnahme von Rezo mit dem Satz "Jetzt gut zuhören!" eingeleitet. Der bekannte Youtuber hatte vor der Europawahl mit dem Video "Die Zerstörung der CDU" eine große Debatte über die Partei, aber auch über die Rolle von Youtubern in der Medienwelt ausgelöst. Im neuen Video von Nguyen-Kim sorgt er für das breite Interesse.

Covering Climate Now

Klimareporter° beteiligt sich wie rund 250 andere Zeitungen und (Online-) Magazine weltweit an der Initiative "Covering Climate Now". Die teilnehmenden Medien verpflichten sich, vor allem in der Woche vor dem New Yorker UN-Klimagipfel am 23. September über die Klimakrise zu berichten. Wir freuen uns über die Bewegung in der Medienlandschaft. Klimaschutz braucht guten und kritischen Journalismus.

Wissenschaftler freuen sich über die Aufmerksamkeit für ein schwieriges Thema. "Der Beitrag ist sehr wertvoll und ich freue mich, dass ein breites Publikum für ein kompliziertes ökonomisches Instrument wie die CO2-Bepreisung erreicht wird", sagt die Energieökonomin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin.

Allerdings vermittle das Youtube-Video den Eindruck, dass CO2-Steuer und Emissionshandel praktisch äquivalent seien. "In der Theorie mag es zwar stimmen, dass beide Instrumente die gleiche Wirkung haben, in der Realität aber nicht", so Kemfert. Und so sind sich auch Experten nicht einig, welches Instrument Politiker wählen müssen, um dem CO2-Ausstoß einen Preis zu geben.

Der Emissionshandel steuere die Menge an verfügbarem CO2 und schaffe damit eine hohe Sicherheit darüber, wie viele Emissionen tatsächlich vermieden werden, heißt es in einem Diskussionspapier des DIW, bei dem Kemfert Mitautorin ist. Allerdings könne der Preis schwanken, was bei einer CO2-Steuer nicht so schnell passieren könne. Das habe vor allem für das Erreichen langfristiger Klimaziele Vorteile, weil sich politische und ökonomische Prozesse besser planen ließen.

Bei einer CO2-Steuer sei es dagegen schwer einzuschätzen, wie viel Treibhausgase tatsächlich vermieden würden. Diese Unsicherheit kann dem DIW zufolge aber durch Prüfung und Anpassung des Steuerniveaus ausgeglichen werden.

Absage an Flugscham-Debatten

So gesehen ist es vielleicht auch verständlich, dass sich die Koalitionsparteien immer noch über die Frage streiten. Während die Unionsparteien auf einen Emissionshandel setzen, fordert die SPD eine Steuer. Eine Einigung über die tatsächlichen Maßnahmen zum Klimaschutz wollen die Parteien auf der Sitzung des Klimakabinetts am 20. September erzielen.

Klar ist allerdings auch: Die Klimabewegung, allen voran Fridays for Future, und auch Youtuber wie Rezo und Mai Thi Nguyen-Kim treiben die Politik an. Und so gibt diese auch den Hinweis, dass jede und jeder Einzelne jetzt viel zum Klimaschutz beitragen könne, indem er oder sie zum Beispiel beim Klimagroßstreik am 20. September mitmacht.

Scheinargumenten, die nichts zur Lösung beitragen, sondern Bürger und Politiker sogar davon abhalten zu handeln, solle dagegen kein Raum gegeben werden. Damit spielt Nguyen-Kim auf die scheinbare Doppelmoral etwa beim Thema Fliegen und Klimaschutz an.

Die Absurdität sogenannter Ad-hominem-Argumente, die nur auf die Person statt auf das Problem zielen, macht sie am Beispiel Alkohol deutlich: "Du brauchst mir gar nichts zu den Risiken des Alkohols zu erzählen – so, wie du säufst." Argumente gegen Alkohol müssten aber unabhängig von der Person zählen, die sie vorträgt, so Nguyen-Kim.

Übertragen auf die Klimaschutz-Debatte müsse es also egal sein, wie viele Kontinente Greta Thunberg auf welche Weise bereist hat. Im Vordergrund müssten dagegen die tatsächliche Klimaschutz-Argumentation und ihr Wirken auf die Politik stehen.

Eine personenbezogene Ad-hominem-Argumentation sei also nichts anderes bewusste Ablenkung, erklärt die Youtuberin. "Fallt nicht drauf rein!"

Redaktioneller Hinweis: Claudia Kemfert gehört dem Kuratorium von Klimareporter° an.

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