Positive Nachricht gefällig? Es geht voran mit dem Klimaschutz.

Im Jahr 1990, beim Start der Anstrengungen zur Minderung der Treibhausgas-Emissionen, pustete Deutschland aus Kraftwerken, Schornsteinen und Auspuffen die gewaltige Menge von 1.251 Millionen Tonnen CO2 in die Atmosphäre. Im vorigen Jahr, 2024, waren es nur noch 656 Millionen Tonnen, also etwas mehr als die Hälfte, wie die jetzt vorgelegte Bilanz des Thinktanks Agora Energiewende zeigt.

 

Man muss sich klarmachen: Zuletzt lagen die deutschen Emissionen in den 1950er Jahren auf diesem Niveau, bei einem deutlich geringeren Wohlstand, bei einem vergleichsweise minimalen Autoverkehr, bei viel kleinerer Pro-Kopf-Wohnfläche und bei einem weit niedrigeren Konsumniveau.

Es ist richtig, diesen Erfolg beim Klimaschutz zu würdigen. Deutschland liegt mit der Bilanz unter den großen Industrieländern weit vorne.

Ein nicht unerheblicher Teil der CO2-Einsparung ist zwar dem Ab- und Umbau der ineffizienten, schmutzigen DDR-Industrie geschuldet, die nach der Wende nicht mehr konkurrenzfähig war. Doch insgesamt wäre dieser Erfolg bei den Emissionen nicht ohne eine aktive und erfolgreiche Energiewende-Politik möglich gewesen, vor allem nicht ohne den Aufbau der erneuerbaren Energien, das Abschalten von Kohlekraftwerken und zahlreiche Maßnahmen in anderen Bereichen.

Bereits heute führt das dazu, dass weniger fossile Energie importiert werden muss und das Geld in Investitionen im eigenen Land fließt.

Nötig ist eine "Fortschrittskoalition", wie sie die Ampel sein wollte

Also alles im grünen Bereich? Leider nicht. Trotz der Erfolge gilt: Die Herausforderungen, die Deutschland bis zu der für 2045 angepeilten Klimaneutralität zu bewältigen hat, sind sogar noch größer als die zurückliegenden.

Denn während die Bundesrepublik für die erste Hälfte der CO2-Minderung rund dreieinhalb Jahrzehnte gebraucht hat, bleiben für den Rest nur noch zwei. Das heißt, der Tempo des Umbaus muss praktisch verdoppelt werden.

Stau auf der Autobahn.
Im Verkehr hat es nicht mal für eine Antriebswende gereicht. (Bild: Gerhard Gellinger/​Pixabay)

Die aktuelle Agora-Bilanz zeigt erneut, dass die Energiewende zwar im Strombereich gut läuft, die anderen zentralen Sektoren Industrie, Gebäude und Verkehr aber hinterherhinken. Das kann nicht so bleiben.

Zwar wird Strom künftig eine immer größere Rolle auch in den anderen Bereichen spielen – Stichworte: Elektrifizierung in der Industrieproduktion, Wärmepumpe, E‑Motor in Autos –, doch müssen dafür schnell auch die richtigen Strukturen geschaffen werden.

Es braucht mehr gezielte Anreize, um diese Transformation zu stemmen. Das geht von einem subventionierten Industriestrompreis für kritische Branchen über geringere Netzentgelte für Wärmepumpen-Nutzer bis zu einer intelligenten Förderung von E‑Autos, die auch Gebrauchte einschließt.

Es ist also keine Frage, die Herausforderungen für die nächste Bundesregierung im Bereich Klimaschutz sind sehr groß. Die neue Koalition, wohl unter Führung der Union, muss für die Nachzügler-Sektoren jene "Fortschrittskoalition" werden, die die Ampel nur postuliert hat.

 

Hoffnung macht hier, dass sowohl CDU und CSU als auch SPD und Grüne, die als Juniorpartner infrage kommen, jenseits sonstiger Differenzen bei Atomkraft, Verbrennern oder Klimageld am Datum 2045 für die Klimaneutralität festhalten wollen – anders als die FDP, die nun 2050 anpeilt, und anders als die AfD, die ohnehin im fossilen Zeitalter bleiben will.

Sie folgen damit zum Glück dem Gebot des Bundesverfassungsgerichts, wonach die Klimaschutz-Anstrengungen nicht auf künftige Generationen verschoben werden dürfen.

Die neue Regierung hat hier einen großen Job, aber auch große Chancen, da eine CO2-neutrale Wirtschaft Wertschöpfung im Inland und Jobs schafft. Es bleiben nur fünf Legislaturperioden, um die Treibhausgase auf netto null herunterzufahren, und die Weichen dafür müssen jetzt gestellt werden.