Matthias Willenbacher
Matthias Willenbacher. (Foto: Wiwin)

Immer wieder sonntags: Die Mitglieder unseres Kuratoriums erzählen im Wechsel, was in der vergangenen Woche wichtig für sie war. Heute: Matthias Willenbacher, Geschäftsführer der Plattform für nachhaltiges Investieren Wiwin.

Klimareporter°: Herr Willenbacher, am Freitag hat das Klimakabinett endlich Ergebnisse vorgelegt. Was meinen Sie: Viel Lärm um fast nichts oder kam wirklich etwas heraus?

Matthias Willenbacher: Globuli für das Volk könnte man die homöopathischen Einzelmaßnahmen der Regierung auch nennen. Es ist ein Skandal! Anstelle des nötigen Abbaus der Subventionen in Milliardenhöhe für fossile Technologien kamen nur lächerliche neue Anreize und Verbote heraus. Ohne einen CO2-Preis, der die realen Kosten abbildet, reißen die das Ruder aber nicht herum.

Die Regierung will den Ausstoß von CO2 ab 2021 mit gerade mal zehn Euro pro Tonne belasten, 2025 sollen es 35 Euro sein. Das kann nur ein schlechter Scherz sein. Klimawissenschaftler haben längst gezeigt, dass ein CO2-Preis erst ab 40 bis 50 Euro pro Tonne überhaupt eine Wirkung hat.

Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung prognostiziert bei einem Preis von zehn Euro eine Einsparung von lediglich drei Millionen Tonnen CO2, die sogar noch verringert wird, wenn die geplante Anhebung der Pendlerpauschale zusätzlich zum Autofahren motiviert.

Nötig wäre aber eine jährliche CO2-Reduktion von 25 bis 40 Millionen Tonnen, wie Anders Levermann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung sagt.

Zeitgleich mit der Klimakabinettssitzung gingen am Freitag weltweit Millionen für einen konsequenten Klimaschutz auf die Straße. Auch viele Unternehmen gaben ihrer Belegschaft dafür frei. Können die sich der allgemeinen Stimmung nicht länger verschließen oder dreht sich da wirklich etwas in den Unternehmen?

Da gibt es zwei Seiten. Auf der einen Seite ist es großartig, dass auch große Unternehmen, deren Kernkompetenz nicht im Klimaschutz liegt, ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter freigestellt haben und beispielsweise die Stellungnahme von "Entrepreneurs for Future" unterzeichnet haben. Auf der anderen Seite liegt die Verantwortung natürlich auch bei den Unternehmen selbst, ihr wirtschaftliches Handeln und ihren Erfolg nicht über den Klimaschutz zu stellen.

Ich will damit sagen: Es ist einfach, einen Appell zu unterzeichnen und darüber zu sprechen – Stichwort Greenwashing –, aber tatsächlich das eigene unternehmerische Handeln zu hinterfragen und auf Nachhaltigkeit statt Gewinnmaximierung zu setzen, erfordert ein tiefergehendes Umdenken. Ob dieses bei allen 3.244 teilnehmenden Unternehmen bereits eingesetzt hat, wage ich zu bezweifeln.

Und was war Ihre Überraschung der Woche?

Es ist vielmehr ein Skandal der Woche: Während die Subventionen für fossile Energien erhalten bleiben – laut Umweltbundesamt 57 Milliarden Euro jährlich, darunter die Steuererleichterung für Diesel und die Steuerbefreiung von Flugbenzin –, wird der Ausbau der Windkraft weiter blockiert.

Die vom Klimakabinett beschlossene allgemeine Abstandsregelung von 1.000 Metern macht ein gewaltiges Potenzial an Windkraft zunichte. Insbesondere viele Altanlagen können nun nicht mehr repowert werden.

Covering Climate Now

Klimareporter° beteiligt sich wie rund 250 andere Zeitungen und (Online-) Magazine weltweit an der Initiative "Covering Climate Now". Die teilnehmenden Medien verpflichten sich, vor allem in der Woche vor dem New Yorker UN-Klimagipfel am 23. September über die Klimakrise zu berichten. Wir freuen uns über die Bewegung in der Medienlandschaft. Klimaschutz braucht guten und kritischen Journalismus.

Dadurch wird in den kommenden Jahren statt des angestrebten Ausbaus der erneuerbaren Energien vielmehr ein Abbau vollzogen. Denn mehrere Tausend Megawatt Leistung von Altanlagen fallen ab 2021 aus der EEG-Förderung.

Die 10-H-Regel des bayerischen Ministerpräsidenten Söder, der seiner schwarzen Rolle ein grünes Mäntelchen umzuhängen versucht, verhindert zudem jeglichen Ausbau der Windkraft in Bayern. Die Regel besagt, dass Windkraftanlagen den zehnfachen Abstand ihrer Gesamthöhe zu jeder Wohnbebauung haben müssen.

Um den Ausbau der Windkraft zu fördern, müssten die Genehmigungsverfahren vereinfacht werden. Die Kompromisslinie zwischen Klima- und Naturschutz müsste deutlich verbessert werden. Die Mindestabstände müssten verringert werden und weniger Ablehnungen durch die Flugsicherung wären nötig.

Das Ziel müsste sein, schnell viele neue Anlagen zu genehmigen. So würde es in den Ausschreibungsverfahren auch wieder zu geringeren Preisen kommen und der Anteil an Windstrom würde steigen.

Doch ganz offensichtlich will die Regierung den Ausbau der Erneuerbaren verhindern. Und das ist doch der tatsächliche Skandal in Anbetracht der Tatsache, dass vergangenen Freitag 1,4 Millionen Menschen allein in Deutschland für mehr Klimaschutz auf der Straße waren!

Fragen: Jörg Staude

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