Immer wieder sonntags: Die Mitglieder unseres Herausgeberrats erzählen im Wechsel, was in der vergangenen Woche wichtig für sie war. Heute: Sebastian Sladek, geschäftsführender Vorstand der Elektrizitätswerke Schönau (EWS).
Klimareporter°: Herr Sladek, für private Haushalte wird die Stromsteuer nicht gesenkt, so entschied am Ende der Koalitionsausschuss. Zurzeit sei das nicht finanzierbar. Wie bewerten Sie die Nicht-Absenkung?
Sebastian Sladek: Ich bin fassungslos, ehrlich gesagt. Während die Extremwetterlagen weiter zunehmen und das Land von Hitzerekord zu Hitzerekord eilt, entscheidet sich die deutsche Bundesregierung offenbar dafür, bei der Energiewende einen Gang herunterzuschalten.
Abgesehen davon, dass CDU, CSU und SPD mit der Entscheidung ein weiteres zentrales Wahlversprechen beerdigen, wird gleichzeitig sogar noch die Nutzung fossilen Erdgases mit Geldern aus dem Klima- und Transformationsfonds vergünstigt.
Das ist klimapolitischer Irrsinn. Ja, tatsächlich darf man bezweifeln, dass derartige Vorhaben überhaupt noch etwas mit Klimaschutz zu tun haben.
Mit jeder weiteren Woche, in der wir die Wärmewende verschleppen, steigen die Risiken für unsere Gesundheit, unsere Infrastruktur und die Zukunft unserer Kinder.
Ein zentraler Hebel bei der Wärmewende ist der Preisunterschied zwischen Strom und Gas. In Deutschland ist die Nutzung fossiler Gase zum Heizen noch immer wesentlich günstiger als strombasierte Wärmeerzeugung.
In Ländern mit einem geringeren "Spread" zwischen Strom- und Gaspreis lässt sich beobachten, dass dort deutlich mehr Wärmepumpen installiert werden. Und genau das brauchen wir auch hierzulande, wenn wir rauswollen aus Öl- und Gasheizungen.
Doch statt diesen Hebel zu nutzen, subventioniert die Bundesregierung weiter fossile Energien – und bremst so zugleich die Elektrifizierung des Wärmesektors aus.
Volkswirtschaftlich ist das nicht vermittelbar, haushaltspolitisch ein Fass ohne Boden – und klimapolitisch hirn- und verantwortungslos.
Eine neue Studie zeigt zudem: Deutschland könnte ein Drittel seiner Klimaziele allein durch den Abbau klimaschädlicher Subventionen erreichen.
Und was tun wir? Wir subventionieren weiter munter fossile Energien, und das im Jahr 2025!
Das ist das Gegenteil von Vorsorge, das ist ein überdeutliches "Nach mir die Sintflut". Wer heute fossile Abhängigkeiten zementiert, heizt nicht nur das Klima weiter an, sondern verspielt auch unsere wirtschaftliche Zukunft und die Glaubwürdigkeit klimapolitischer Zusagen. Da wird Kindern und Enkeln der Stinkefinger gezeigt.
Es ist höchste Zeit, dass der Groschen fällt. Fossile Vergünstigungen zu beenden, ist mehr als überfällig. Wir müssen endlich aufhören, die Zukunft anderer zu verbrauchen – und das wird nur gelingen, wenn wir konsequent auf erneuerbare Energien, regionale Wertschöpfung und Unabhängigkeit von fossilen Energieimporten setzen.
Wenn in einer Region das Windkraft-Flächenziel erreicht ist, will die Koalition den weiteren Ausbau deutlich erschweren. In diesem Sinne soll die Erneuerbaren-Richtlinie RED III der EU in Deutschland umgesetzt werden. Auch fehlt noch immer die beihilferechtliche Genehmigung für das Solarpaket eins sowie das Biomassepaket. Geraten die Erneuerbaren unter Schwarz-Rot mehr und mehr in schweres Fahrwasser?
Ja. Das fing schon im Bundestagswahlkampf an, als Teile der Energiewirtschaft, allen voran die größeren Energiekonzerne, einen "Neustart" bei der Energiewende forderten. Tatsächlich aber meinten sie ein Rollback in die Zeiten der Großkonzern-dominierten, zentralistischen Energieversorgung.
Unsere Erwartungen an die Regierung orientieren sich zunächst am Koalitionsvertrag. Darin bekennt sich Schwarz-Rot klar zu den Klimazielen und dem Ausbau aller erneuerbaren Energien. Das ist positiv. Ebenso werden Begriffe wie Mieterstrom, Bürgerenergie und Energy Sharing würdigend hervorgehoben. Auch das ist gut.
Wie ernst es die Bundesregierung mit ihren Versprechen aus dem Koalitionsvertrag meint, zeigt sich allerdings inzwischen mehr als deutlich – nämlich gar nicht. Das sehen wir gerade am Beispiel der Absenkung der Stromsteuer für alle.
Wir werden uns darauf einstellen müssen, dass diese Regierung in bestimmten Bereichen das Gegenteil von dem tut, was sie versprochen hat. Das ist eine gefährliche Strategie, nicht nur für die Energiewende, sondern auch für die Demokratie.
Dass die RED‑III-Richtlinie der EU zeitnah umgesetzt werden soll, ist sehr wichtig. So können auch neue Erneuerbaren-Projekte in den Genuss beschleunigter Genehmigungsverfahren kommen.
Sehr kritisch sehe ich allerdings, dass die Regierungsfraktionen auch die bereits im Bundestagswahlkampf als "Lex Sauerland" bekannt gewordenen restriktiven Maßnahmen ins Gesetz einfließen lassen wollen, obwohl der EU-Rahmen das gar nicht vorsieht.
Mit dieser Regelung wird beim Ausbau der Windenergie schon auf die Bremse gedrückt, bevor überhaupt die vorgesehenen Flächenziele für die Windenergie erreicht sind. Diese regulatorische Irrlichterei muss im weiteren Gesetzesprozess unbedingt korrigiert werden.
Besonders große Sorge bereitet mir die aktuelle Diskussion, die gesetzlichen Erneuerbaren-Ziele zurückzudrehen. Die Bundesregierung hat ein sogenanntes Monitoring zum Stand der Energiewende in Auftrag gegeben. Dahinter verbirgt sich der politische Versuch, das Ausbautempo der Erneuerbaren mittels "wissenschaftlicher Legitimation" einzubremsen und die Axt an die Ziele zu legen.
Ein Indiz dafür: Der Auftrag der Bundesregierung wurde nicht regulär ausgeschrieben. Die einzelnen Arbeitspakete wurden explizit so gepackt, dass jedes einzelne Paket unter die Ausschreibungsschwelle fällt.
Offenbar hatte das Wirtschaftsministerium bereits Favoriten, an die die Arbeitspakete verteilt werden sollten. Normale Ausschreibungen hätten nur unkalkulierbare Risiken bedeutet – nicht zuletzt, was Inhalt und Ergebnis des Monitoring-Berichts angeht.
Um es klar zu sagen: Eine Bestandsaufnahme ist sinnvoll. Der Verbesserungsbedarf bei der Energiewende ist durchaus nicht gering. Allein die Art und Weise, wie dieses Monitoring nun aufgesetzt wird, weckt aber erhebliche Zweifel an der Seriosität des gesamten Vorhabens.
Wenn man merkt, dass die Erneuerbaren-Ziele nicht erreicht werden, gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder man krempelt die Ärmel hoch und versucht alles in die Wege zu leiten, um den Ausbau der Erneuerbaren und der Netze zu beschleunigen und die Ziele mit einer Kraftanstrengung doch noch zu schaffen.
Oder man geht den bequemen, unkomplizierten Weg und setzt stattdessen die Ziele herunter.
Ich bevorzuge den ersten Weg. Das schulden wir den Erdenbürgern, auf deren Kosten wir unverändert leben, wir schulden es unseren Kindern und Enkeln und als Homo sapiens schulden wir es uns auch selbst.
Mit monatelanger Verspätung hat die Europäische Kommission ihren Vorschlag für das EU-Klimaziel für 2040 veröffentlicht. Es bleibt bei einer CO2-Reduktion um 90 Prozent, allerdings werden Anrechnungstricks und Schlupflöcher erlaubt. Sollten wir nicht froh sein, dass der EU-Klimaschutz überhaupt weitergeht?
Tatsächlich stehen viele notwendige Klimamaßnahmen auf europäischer Ebene unter Beschuss – teilweise durch EU-Staaten, die über die Verteilung von Nutzen und Kosten besorgt sind, aber leider auch von Parteien, die mit falschen oder vermeintlich leicht erfüllbaren Versprechungen den Leuten Sand in die Augen streuen wollen.
Klimaschutz ist das, was wir für den Erhalt unserer globalen Lebensgrundlagen, unseres Wohlstands und für eine selbstbestimmte und faire Gestaltung unserer Zukunft tun können und müssen – auch wenn gegenwärtig immer mal der Eindruck erweckt wird, das könne doch auch die KI erledigen.
Das wäre sicherlich sehr schön und dazu noch bequem und komfortabel. Es wird aber nicht passieren. Da müssen wir schon selbst ran, und das auch sehr gern mit bisschen mehr Tempo. Im Jahr 2040 brauchen wir mindestens – und nicht etwa höchstens – 90 Prozent CO2-Reduktion, wenn wir bis 2050 Klimaneutralität erreichen wollen.
Ich verstehe, dass die EU-Kommission Kompromisse macht, um die Zustimmung der Mitgliedsstaaten und aus dem Parlament zu gewinnen. Die Machtverhältnisse sind schwierig.
Aber Vorschläge, die Ziele "flexibler" zu erreichen und zum Beispiel drei Prozent der Minderung durch Klimaprojekte im Ausland oder mit CO2-Zertifikaten zu erkaufen, überzeugen mich ebenso wenig wie die von einer KI erwarteten Problemlösungskompetenzen.
Denn solche Projekte zur "flexiblen" Zielerreichung haben es bisher selten geschafft, Emissionen wirklich zu mindern, die Bedingungen vor Ort zu verbessern und dabei volle Transparenz zu gewährleisten. Das muss aber der Anspruch sein. Wer Flexibilisierung beim Erreichen von Klimazielen sagt, meint leider allzu oft Aufweichung oder die Verlagerung von Verantwortung.
Dabei übernehmen die Bürgerenergiebewegung, viele Kommunen und Initiativen bereits Verantwortung und zeigen, wie Klimaschutz mit Wertschöpfung in Europa gelingt, indem sie vor Ort erneuerbare Energien ausbauen oder gemeinschaftliche Lösungen für die Versorgung schaffen.
Diese Beispiele müssen wir weiter in den Nachbarort tragen, in die Hauptstädte und nach Brüssel bringen, damit Klimaschutz in der aktuellen Lage alle überzeugt.
Und was war Ihre Überraschung der Woche?
Ich stand in dieser Woche noch stark unter dem Eindruck unseres Jubiläums-Stromseminars in Schönau am letzten Juni-Wochenende, bei dem wir 30 Jahre EWS und 15 Jahre Genossenschaftsgründung gefeiert haben. Zu sehen und zu hören, wie viele Menschen unsere Geschichte dazu inspiriert hat, selbst zu handeln, ist immer wieder bewegend und motivierend.
Andere Nachrichten waren weniger erfreulich. Die Klimakrise haut uns rechts und links eine rein, und je deutlicher ihre Auswirkungen spürbar werden, desto mehr scheint man entschlossen, sie zu ignorieren.
Deutschland ächzt unter einer brutalen Hitzewelle, im Osten Deutschland stehen hunderte Hektar Wald in Flammen, und allerorten beschwört man, dass es früher ja auch schon mal heiß war. Dabei zeigen die Wetterdaten ganz deutlich, dass Häufigkeit und Temperaturen der Hitzeereignisse eine neue Qualität haben.
Zur immer aggressiveren Verdrängungshaltung passt auch die Nachricht, dass der MDR den Klima-Podcast meiner sehr geschätzten Herausgeberrats-Kollegin Claudia Kemfert einspart. Das halte ich in dieser Lage für ein fatales Zeichen – wir brauchen mehr Klima-Bildung, nicht weniger!
In den USA ist zu sehen, dass der nun mit der Machtfülle eines Diktators ausgestattete Präsident Trump die Wissenschaft gezielt angreift und mit "alternativen Fakten" niederknüppelt. Orwells Wahrheitsministerium lässt grüßen. Wir sogenannten alten Europäer sind gut beraten, diesem Vorbild – trotz seiner regelmäßigen Aufforderungen – nicht nachzueifern.
Und doch stehen auch deutsche Software-Konzerne den US-Republikanern in Sachen devoter Anbiederei in nichts nach. All das ist eher erschreckend als überraschend. Hoch peinlich ist es definitiv.
Dieser stromlinienförmigen Schleimigkeit, diesem geistlosen Zeitgeist ist nur mit kreativem Rebellentum beizukommen. Sonst fahren wir nicht nur gemeinsam zur Hölle, sondern langweilen uns auf der Rückbank auch noch zu Tode.
Fragen: Jörg Staude