Immer wieder sonntags: Die Mitglieder unseres Herausgeberrats erzählen im Wechsel, was in der vergangenen Woche wichtig für sie war. Heute: Sebastian Sladek, geschäftsführender Vorstand der Elektrizitätswerke Schönau (EWS).
Klimareporter°: Herr Sladek, die Stiftung Klimaneutralität hat sich mit 55 Politik-Empfehlungen in den Wahlkampf eingeschaltet. Sie fordert eine vom Bund festgelegte soziale Staffelung für die Förderpolitik – sektorenübergreifend. Um die bis 2030 nötigen zusätzlichen 400 Milliarden Euro aufzutreiben, soll auch die Schuldenbremse reformiert und ein neues Sondervermögen eingerichtet werden. Finden diese Empfehlungen Gehör im Wahlkampf?
Sebastian Sladek: Aktuell muss man konstatieren, dass Klimaschutz und Energiewende in diesem Wahlkampf eine eher untergeordnete Rolle spielen. Das ist sehr traurig, denn schließlich liegen gewaltige Transformationsaufgaben vor uns. Die kommende Bundesregierung, wie auch immer sie zusammengesetzt sein mag, hat die Aufgabe, die Energiewende weiter voranzutreiben, den Wandel sozial gerecht zu gestalten und das Land dabei wirtschaftlich anschlussfähig zu erhalten.
Wir haben als EWS bereits im Herbst Empfehlungen an die neue Bundesregierung formuliert und werden auch beim nächsten Klimastreik am 14. Februar mit Fridays for Future in Berlin und Freiburg auf den Straßen sein, um dem dringenden Anliegen des Klimaschutzes und der Energiewende wieder mehr Sichtbarkeit zu verleihen.
Inhaltlich sind die Forderungen der Stiftung Klimaneutralität fundiert und spiegeln den wissenschaftlichen Konsens zu klimapolitischen Maßnahmen wider. Gerade an der sozialen Komponente entscheidet es sich, ob Klimaschutz als gewinnbringend oder belastend wahrgenommen wird. Die gerechte Verteilung der Belastungen ist ein entscheidender Aspekt bei jeder Klimaschutzmaßnahme. Das haben auch wir in den Vordergrund gestellt, zum Beispiel bei unserer Kampagne zur Klimagerechtigkeit vor einem Jahr.
Darum muss die nächste Bundesregierung auch aus den Fehlern der Ampel-Regierung lernen, baldmöglichst einen Kompensationsmechanismus – zum Beispiel ein Klimageld – einführen und jeden Schritt kommunikativ gut begleiten. Am Beispiel des Gebäudeenergiegesetzes hat man schließlich gesehen, wie leicht Ängste vor ungebührlichen Belastungen zu instrumentalisieren sind.
Ein neues Gesetzespaket zu Solar- und Bioenergie sowie Kraft-Wärme-Kopplung haben am Freitag Union, SPD und Grüne beschlossen. Vor allem die Biogasbranche konnte sich mit einigen Forderungen durchsetzen, was wiederum durch höhere EEG-Förderkosten den Bundeshaushalt belasten dürfte. Trotzdem ein Erfolg für die Energiewende?
Erst mal freut es mich, dass trotz rot-grüner Minderheitsregierung wichtige energiepolitische Gesetze Mehrheiten im Parlament fanden. Ich war skeptisch, ob es nach dem Auseinanderfallen der Ampel-Regierung noch vor den Bundestagswahlen zu Kompromissen zwischen den demokratischen Parteien kommen würde.
Besonders die Maßnahmen gegen die Überlastung der Stromnetze durch Einspeisespitzen sowie zur Stärkung der Bioenergie stellen gute Kompromisse dar. Beim Ausbau kleiner Solaranlagen und bei den Einspeisespitzen hätte ich mir dennoch weitergehende Schritte gewünscht.
Die Einigung scheint die energiewirtschaftliche Realität auszublenden, insbesondere den schleppenden Rollout intelligenter Messsysteme. Auch müssen Flexibilitäten wie Speicher weiter angereizt und Schritte zur Verbesserung der Direktvermarktung von Strom aus Kleinanlagen unternommen werden.
Bedauerlich ist, dass kein Absatz zu Energy Sharing enthalten ist, wie noch im Entwurf der Novelle des Energiewirtschaftsrechts der Ampel. Gerade dieser Punkt hätte das Potenzial gehabt, die dezentrale Energiewende voranzubringen und Bürgerenergie, Akzeptanz und Teilhabe zu stärken. Hier wäre mehr Mut für innovative Konzepte wünschenswert gewesen. Wir haben dazu erst kürzlich eine Studie veröffentlicht, die aufzeigt, wie Energy Sharing ausgestaltet werden kann.
In Sachen Bioenergie ist es gut, dass wir nun endlich mehr Gewissheit haben, wo die Reise hingehen soll. Die Bioenergie soll zukünftig zu einem flexibleren Energieträger in unserem Energiesystem werden und verlässlich im Strom- und im Wärmesektor Verwendung finden. Ein höheres Ausschreibungsvolumen und die nun länger mögliche Förderung der Anlagen verbessern ihre Wirtschaftlichkeit.
Ich bin fest davon überzeugt, dass Investitionen in die erneuerbaren Energien Investitionen in die Zukunftsfähigkeit unseres Landes sind. Erneuerbare sind heute die günstigste Form der Stromproduktion. Ihr konsequenter Ausbau inklusive Flexibilisierung und Digitalisierung des Strommarktes macht unsere Energieversorgung sicher und bezahlbar.
Als Reaktion auf Donald Trumps Ankündigung, den Bau von Windparks zu bremsen, sind die Aktienkurse von US-Windkraftunternehmen abgesackt. Das ist sicher eine schlechte Nachricht für das Klima, aber vielleicht eine gute Nachricht für die europäische Wirtschaft, die nun diese Leerstelle bei grünen Technologien besetzen kann?
Es ist traurig, dass die USA als weltweit zweitgrößter CO2-Emittent den Pfad des Klimaschutzes wieder verlassen. Besonders der Austritt aus dem Pariser Klimaabkommen, gekoppelt mit der versuchten Ausweitung der fossilen Energien und dem Abbremsen der Windkraft, ist eine klimapolitische Rolle rückwärts.
Aber leider hat sich dieses gefährliche Gedankengut mittlerweile auch in der deutschen Politik festgesetzt. So forderte die Parteichefin der AfD auf einer Parteitagsrede ganz ungeniert den Abriss aller Windkraftwerke. Die negativen Auswirkungen für unser Land – zu nennen wären nur die Folgen für Wirtschaft, Arbeitsplätze und Klima – werden der bewussten Provokation und Polarisierung untergeordnet.
Während andere von der Zerstörung träumen, treiben wir den Aufbau voran. Seit vielen Jahren projektieren und betreiben wir eigene Windkraftparks und tragen so dazu bei, dass Regionen unabhängig von fossiler Energie werden und finanziell an der Energiewende partizipieren. Und wir werden auch weiterhin Windparks errichten, denn wir stellen uns der energie- und klimapolitischen Realität.
Wir setzen bei unseren Windparks auf heimische Anlagenhersteller, um weitere Wertschöpfung im Land zu schaffen. Heute ist der Windenergiemarkt aber ein internationaler Markt und wird von chinesischen Anbietern dominiert. 2023 waren chinesische Hersteller für etwa 60 Prozent der weltweit in dem Jahr installierten Kapazitäten verantwortlich.
Es bleibt also abzuwarten, ob eine mögliche Krise der US-Windkraftunternehmen wirklich der europäischen Wirtschaft zugutekommt oder ob damit die Dominanz Chinas weiter gefestigt wird. Deutschland und die EU müssen nun liefern und die richtigen Rahmenbedingungen schaffen, um nicht weiter Marktanteile zu verlieren. Sonst droht der Windbranche das gleiche Schicksal wie der Solarindustrie.
Und was war Ihre Überraschung der Woche?
In Rückschau auf die vergangene Woche kommt man nicht an dem historischen Tabubruch vorbei, den die CDU unter Friedrich Merz im Bundestag begangen hat. Ohne Not hat er einen Entschließungsantrag mit den Stimmen der AfD durchgebracht und damit sein vorher gegebenes Wort gebrochen, nicht mit einer Partei zu paktieren, die vom Verfassungsschutz als in Teilen rechtsextremistisch eingestuft wird.
Damit hat die Merz-Union die Brandmauer geschleift, menschenverachtende rechte Narrative weiter salonfähig gemacht und das Land in eine demokratische Krise gestürzt – und all das für ein Stückchen Symbolpolitik, das die Sicherheit in unserem Land nicht erhöhen wird.
Das ist nicht nur ein fatales Zeichen an die immer selbstbewusster auftretenden Extremisten, sondern sorgt auch für große Unsicherheit bei allen, die es mit "nie wieder" ernst meinen. Denn was einmal geschehen ist, kann jederzeit wieder geschehen – dann ist es bis zu österreichischen Verhältnissen nicht mehr weit.
Die dringenden Zukunftsaufgaben können aber nicht bewältigt werden, wenn man sich von einer Partei abhängig macht, die die Klimakrise leugnet, die Energiewende rückabwickeln will und sich lieber Autokraten mit ihren fossilen Ressourcen unterwirft. Zudem würde ein verschärft fremdenfeindliches Gesellschaftsklima unserer Wirtschaft konkreten Schaden zufügen – die ist auf Zuwanderung von Fachkräften angewiesen.
Was mir Hoffnung macht, ist die beeindruckende Antwort der Zivilgesellschaft und von Demokrat:innen, die klarmacht: Die Brandmauer muss stehen. Es ist wunderschön zu sehen, wie viele Menschen sich spontan zusammentun, um auf der Straße zu zeigen, dass sie nicht bereit sind, das solidarische Miteinander aufzugeben.
Und hier soll nicht unerwähnt bleiben, dass es zum Glück auch wichtige Stimmen aus der Union selbst gibt, die sich klar vom neuen Kurs der Merz-CDU abwenden. In diesen Zeiten sind wir alle gefragt, unsere demokratische Kultur zu verteidigen.
Fragen: David Zauner