Kann die das? Kanzlerin werden ohne Regierungserfahrung? Annalena Baerbock muss sich diese Frage gefallen lassen. Immer wieder kommt sie. Obwohl sie völlig unsinnig ist.
Wie man an der amtierenden Kanzlerin, Angela Merkel, sehen kann. Die kann es nämlich nicht, obwohl sie schon vorher (unter Kohl) in der Bundesregierung war und ihr aktuelles Amt nun satte 15 Jahre "erfolgreich" verwaltet.
Merkel hat, obwohl dermaßen erfahren, das eigentlich wichtigste Thema ihrer Kanzlerschaft vergeigt: den Klimaschutz. Sie hat es ausgesessen, weichgespült, ist vor der fossilen Lobby eingeknickt. Nichts spricht dafür, dass eine Baerbock es schlechter machen würde. Und viel dafür, dass besser.
Ahnung jedenfalls hat sie. Immerhin war der Klimaschutz ihr Fachthema, bevor sie Co-Parteichefin wurde. Und wer die früher schwer berechenbaren Grünen zu solchen Höhen geführt hat, kann eine schlechte Politik-Managerin nicht sein.
Aber Kanzlerin? Wirklich? Das zu diskutieren ist ohnehin voreilig. Natürlich schwimmt Baerbock jetzt auf einer Welle der Sympathie. Zusammen mit Robert Habeck liefert sie das harmonische Gegenbild zu den Macho-Machtkämpfen in der Union, die sich just zerlegt, während die Coronakrise heiß läuft.
Dem zermürbten Publikum erscheint die Grünen-Doppelspitze wie Lichtgestalten. Selbst eingefleischte Unionswähler muss das beeindrucken. Bloß, ob das Hoch auf Dauer trägt, ist die Frage. Selbst wenn die Grünen nun in Umfragen an CDU/CSU heranrücken dürften – bis zur Wahl im Herbst ist noch viel Zeit.
Die einzige Partei, die Klima kann
Die Unionskonkurrenz, ob Söder oder Laschet, wird sich berappeln und vor allem tief in die politische Mottenkiste greifen, um vor der Ökopartei in "ihrem" Kanzleramt zu warnen. Eine ziemliche Schlammschlacht droht.
Und dass die Deutschen tatsächlich eine Grüne ins wichtigste politische Amt im Staate wählen? So richtig vorstellen kann man es sich noch nicht.
Zu hoffen ist es trotzdem. Die Grünen sind die einzige Partei, der man die Führung bei der Bewältigung der Klimakrise zutrauen kann und die gleichzeitig Antworten auf viele andere Fragen der modernen Gesellschaft anbietet.
Optionen dafür wären Grün-Schwarz, Ampel oder Grün-Rot-Rot – alles ein halbes Jahr vor der Wahl immer noch drin. Und sollte es nicht klappen, was derzeit der wahrscheinlichere Fall ist, bleibt immer noch, dass eine Regierungsbildung ohne die Grünen kaum denkbar ist.
Auch in einer schwarz-grünen Groko könnte die Ökopartei die Klimapolitik maßgeblich bestimmen. Sie wäre ja dann nicht mehr Kellner wie weiland bei Gerhard Schröders Rot-Grün, sondern schon der zweite Koch.