Ein grünes Jackett macht noch keine grüne Kanzlerin. Aber in einer schwarz-grünen Minderheitsregierung könnte die einstige Umweltministerin und "Klimakanzlerin" Merkel wieder klimapolitisch glänzen. (Foto: European People's Party/Flickr)

"Schwarz-Grün" war vor wenigen Jahren noch ein absolutes Tabuthema bei Grünen und Union. Zu unterschiedliche Welten, wenig gemeinsame Schnittmengen. Nach dem Ausstieg der FDP aus den Gesprächen für eine "Jamaika"-Koalition rückt die Möglichkeit plötzlich näher. Neben einer Großen Koalition, die die parlamentarische Mehrheit hätte, allerdings von den Sozialdemokraten ausgeschlossen wurde, und riskanten Neuwahlen ist Schwarz-Grün eine dritte Option – als Minderheitsregierung.

Tatsächlich zeigen die letzten Ergebnisse der "Jamaika"-Gespräche, die Klimareporter in Teilen vorliegen, das auch bei den als umstritten geltenden Klimafragen in etlichen Punkten Einigkeit geherrscht hat – und für Union und Grüne noch herrschen dürfte. Beispielsweise einigte man sich auf einen "verbindlichen Senkungspfad für die deutschen Kapazitäten der Kohlekraftwerke" bis 2030 – und darauf, Geld in die Hand zu nehmen, um den Strukturwandel in den heutigen Kohleregionen zu finanzieren. Das heißt noch nicht, dass damit der Kohleausstieg bis 2030 garantiert wäre – im Gegensatz zu den bisherigen Zusagen der Großen Koalition ist die zugesagte Verbindlichkeit aber schon neu.

Außerdem wollte "Jamaika" auch eine neue "sektorenübergreifende und aufkommensneutrale" Energiesteuer prüfen, die sich am CO2-Gehalt bemisst. "Das wäre ein wichtiger Schritt vorwärts gewesen", sagt Oldag Caspar von der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch.

Annäherung in der Energiepolitik

Natürlich finden sich auch noch zahlreiche Klammern in dem Dokument. Wenn ein Satz eingeklammert ist, bedeutet das, dass es noch eine andere Position gibt, dass der Punkt also noch nicht geklärt ist. Wie viele Kohlekraftwerke vor 2020 vom Netz gehen sollen, war demnach noch umstritten. Eine Leistung von 3.000 bis 5.000 Megawatt könne stillgelegt werden, hieß es von Union und FDP, 8.000 bis 10.000 Megawatt wollten die Grünen festschreiben.

Nach Angaben von Annalena Baerbock, klimapolitische Sprecherin und Verhandlerin der Grünen, haben sich die Parteien aber gerade am Sonntagabend noch weiter aufeinanderzubewegt. Ein Ergebnis, unter anderem für den Kohleausstieg, gebe es nur deshalb nicht, "weil die FDP den Stift weggeschmissen hat, kurz bevor man es aufschreiben konnte", sagte Baerbock im Interview mit Klimareporter. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte einen Kompromiss von 7.000 Megawatt vorgeschlagen.

Das Kapitel zur Landwirtschaft, für den Klimaschutz ebenfalls von Bedeutung, konnte in den Sondierungen sogar komplett abgeschlossen werden. Vereinbart wurde beispielsweise ein Reduzierungsplan bei Pestiziden, um den Ackerbau umweltgerechter zu gestalten.

Grüne und Union: "Gute Vertrauensbasis"

Dass es überhaupt so viel Einigkeit zugunsten einer – relativ – ehrgeizigen Umweltpolitik gab, lag vor allem an der starken Annäherung zwischen CDU und Grünen, wie sich nun zeigt. "Mit Merkel hatten wir am Ende eine gute Vertrauensbasis", bestätigt der wirtschaftspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Dieter Janecek, gegenüber Klimareporter.

Sogar mit einigen CSU-Fachpolitkern habe man sich gut verstanden, sagt der frühere bayerische Grünen-Chef. "Wir waren wirklich dabei, einige harte Brocken wie das Kohleausstiegsgesetz durchzubekommen und hatten bereits Reformen in der Landwirtschaft durchgekämpft, an der die CSU wirklich zu knabbern hatte", meint Janecek. 

Kein Wunder, dass nun über eine schwarz-grüne Minderheitsregierung spekuliert wird. "Schwarz-Grün unter Merkel wäre nicht die schlechteste Konstellation für die Energiewende", meinen auch Energieexperten wie Claudia Kemfert. Und grüne Verhandler wie Annalena Baerbock wollen in erster Linie "mitregieren, um den Kohleausstieg gesetzlich zu verankern".

Auch Grünen-Politiker Janecek meint: "Für einen Kohleausstieg würden wir in einer Minderheitsregierung versuchen, Mehrheiten zu organisieren". Das sei vielleicht schwer, aber keinesfalls unmöglich.

Neuer Antrag zum Kohleausstieg

Die am Samstag zu Ende gegangene UN-Klimakonferenz in Bonn nahmen die Grünen dann zum Anlass, den Kohleausstieg nochmals in die Schlagzeilen zu bringen. Kurz nach dem Scheitern von Jamaika brachte die Fraktion im Bundestag den Antrag "Schneller Ausstieg aus der Kohle ist jetzt nötig" ein. Für die Grünen kein ungewöhnlicher Schachzug – diesmal kann er vor dem Hintergrund der schwierigen Regierungsbildung aber auch als Versuch gewertet werden, im Gespräch zu bleiben und von der Kanzlerin nicht vergessen zu werden.

In dem Antrag stehen – nach all den Diskussionen der vergangenen Wochen – nämlich keine konkreten Zahlen. Stattdessen heißt es nur allgemein, man solle "jetzt einen Kohleausstieg einleiten", um die Klimaziele für 2020 einzuhalten und sich der auf der Klimakonferenz formierten internationalen Anti-Kohle-Koalition anschließen, bei der unter anderem Kanada, Großbritannien und Frankreich mitmachen. 

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