Immer wieder sonntags: Die Mitglieder unseres Herausgeberrates erzählen im Wechsel, was in der vergangenen Woche wichtig für sie war. Heute: Matthias Willenbacher, Gründer der Plattform für nachhaltiges Investieren Wiwin.
Klimareporter°: Herr Willenbacher, einen "Investitionsbooster" hat die schwarz-rote Koalition in dieser Woche beschlossen – zum einen steuerliche Erleichterungen für Unternehmen, zum anderen eine Art Super-Abschreibung für betrieblich genutzte E‑Autos. Kann sich Deutschlands Wirtschaft damit in die richtige Richtung bewegen?
Matthias Willenbacher: Die verbesserten Abschreibungsregeln für Investitionen helfen mit Sicherheit Unternehmen, die neue Anlagen und Maschinen anschaffen wollen. Das werden die Unternehmer:innen aber nur machen, wenn sie künftig einen Markt und Abnehmer:innen für ihre Produkte erwarten können.
Dazu brauchen Unternehmen, Handwerker:innen und Verbraucher:innen vor allem eins: Planungssicherheit. Dafür muss die neue Bundesregierung noch einiges tun – zum Beispiel Bürokratie abbauen, ohne Beteiligungsrechte einzuschränken, die Sozialsysteme sozial gerecht reformieren und den Ausbau erneuerbarer Energien beschleunigen statt bremsen.
Die Abschreibung für E‑Fahrzeuge wird nicht viel bringen, weil die aktuellen Abschreibungsmöglichkeiten schon sehr gut sind und andere finanzielle Erleichterungen stärker wirken, wie die gestrichene Kfz-Steuer, die günstigeren Betriebskosten sowie das auch für E‑Autos geltende Dienstwagenprivileg. Zudem werden Leasing-Fahrzeuge von den neuen Abschreibungsregeln nicht erfasst und auch Privatmenschen haben gar nichts davon.
Besser wäre eine Kaufprämie, wie sie zu Zeiten der Ampel-Regierung eingeführt wurde, die günstigere Modelle stärker und teure gar nicht fördert. Wenn dies noch mit "Social Leasing" gekoppelt würde, wäre allen mehr geholfen.
"Smart Meter light" sollten in den Haushalten breit eingeführt werden, sagt Christian Ofenheusle vom Bundesverband Steckersolar. Weniger Bürokratie und sinnvolle Anreize seien nötig, damit Heimspeicher netzdienlicher laufen. Das könne die sogenannte Solarspitze entschärfen, die in diesem Jahr den Börsenstrompreis schon an fast 250 Stunden unter null trieb. Gibt es hier überhaupt schnelle Abhilfe?
Schnelle Abhilfe ist theoretisch möglich. Es ist ja peinlich genug, dass die halbe EU über den langsamen Smart-Meter-Rollout in Deutschland den Kopf schüttelt. Die Initiativen des Bundesverbandes Steckersolar und der HTW Berlin zeigen, dass es am Strommarkt genügend innovative Ansätze und engagierte Mitdenker:innen gibt.
In der Realität werden die Innovationen jedoch durch hartnäckige Glaubenssätze in der Politik, beim Regulator sowie bei den Netzbetreibern gebremst. Die Politik traut sich nicht, deutliche Richtungsvorgaben zu machen. Der Regulator hat Sorge vor Veränderung im althergebrachten System und übertreibt es mit der Vorsicht.
Und die Netzbetreiber kommen nur schwer aus ihren Rollen als Stromzählerbetreiber und Netzausbauer raus. Sie wollen partout alles in der Hand halten, auch wenn dies aus Systemsicht nicht immer sinnvoll ist. Hier braucht es einen Kulturwandel, der schneller als bisher vorankommt.
Mir geben da die Diskussion um Solarspitzen und die Preisentwicklung in der Speicherbranche Hoffnung.
Eine Anlage für CO2-neutrales Kerosin im Emsland hat in vier Jahren nur sehr wenig von dem Flugzeugsprit produziert. Der Hersteller hofft weiter auf einen Durchbruch für den E‑Treibstoff – mit abgespeckten Öko-Ambitionen. Gleichzeitig verabschieden sich ganze Airlines von Angeboten zur CO2-Kompensation oder stellen das Ziel infrage, klimaneutral zu werden. Erleben wir das klimapolitische Scheitern einer Branche?
Wir erleben die ungeheure technische Herausforderung, vor der die gesamte Luftfahrt steht.
Wir sehen, dass sich das Versprechen einiger Fans von Technologieoffenheit, der technische Fortschritt werde unsere Klimaschutzprobleme schon lösen, nicht so einfach erfüllen wird.
Führen wir uns den weltweiten Bedarf an E‑Kerosin vor Augen, wird deutlich, dass wir Unmengen an erneuerbarem Strom brauchen werden, um diesen Bedarf zu decken. Das heißt: Gerade die Luftfahrtunternehmen müssen ein enormes Interesse daran haben, dass der Ausbau erneuerbarer Energien beschleunigt wird. Ansonsten ist ihr Geschäftsmodell langfristig in Gefahr.
Und was war Ihre Überraschung der Woche?
Überrascht hat mich, wie schnell die neue Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche ihren ursprünglichen Plan, 20.000 Megawatt neue Gaskraftwerke auszuschreiben, aufgegeben hat. Stattdessen ist sie auf den von ihrem Vorgänger Robert Habeck mit der EU-Kommission ausverhandelten Ausschreibungsplan umgeschwenkt.
Der schnelle Wechsel zu vielleicht doch ganz brauchbaren Ideen des politischen Gegners scheint eine neue Eigenschaft von CDU-Verantwortungsträgern zu sein. Friedrich Merz mit seiner 180-Grad-Kehre bei der Schuldenbremse war da ein gutes Vorbild. Gehen die Schwenks in die richtige Richtung, kann ich damit persönlich sehr gut leben.
Bleibt zu hoffen, dass die Wirtschaftsministerin auch bei anderen Themen eine so steile Lernkurve zeigt: zum Beispiel, dass Versorgungssicherheit auch mit marktlichen Mitteln sichergestellt werden kann, ein langsamerer Erneuerbaren‑Ausbau zu höheren Börsenstrompreisen führt oder wir viel erneuerbaren Strom benötigen, um den Gebäude- und Mobilitätssektor zu dekarbonisieren.
Ich würde mich sehr darüber freuen.
Fragen: Jörg Staude