Klimareporter°: Herr Friedrich, Ihr Institut ISOE war im letzten Herbst an einer bundesweiten "Kommunalbefragung Klimaanpassung" beteiligt. Danach haben bisher zwölf Prozent der befragten Landkreise, Städte und Gemeinden ein Klimaanpassungskonzept. Ist das nicht sehr wenig, schließlich hat die Bundesregierung schon vor fast 16 Jahren die erste Strategie zur Anpassung an den Klimawandel beschlossen?
Thomas Friedrich: Wenn zwölf Prozent ein Konzept haben, zeigt uns das jedenfalls, dass das Thema Klimaanpassung in der kommunalen Praxis angekommen ist.
Um bewerten zu können, ob das wenig oder viel ist, muss man sich klarmachen, dass die Entwicklung von Konzepten zur Klimaanpassung von vielen Faktoren abhängt. Da spielt die Größe der Kommune eine Rolle, die finanzielle Ausstattung oder die verfügbare Expertise. So haben bei den kreisfreien Städten bereits 60 Prozent ein Klimaanpassungskonzept.
Die Zahlen unserer Studie sind außerdem Momentaufnahmen. Bereits jetzt geben 23 Prozent der Kommunen, also doppelt so viele an, dass sie ein Klimaanpassungskonzept vorbereiten.
Das Bild wird sich in den kommenden Jahren weiter stark verändern, gerade vor dem Hintergrund des im Juli Kraft getretenen Bundes-Klimaanpassungsgesetzes.
Einige Ergebnisse der Befragung
Bei der Befragung zur Klimaanpassung hatte das ISOE-Team im September 2023 rund 4.700 Kommunen angeschrieben. Am Ende beteiligten sich mehr als 1.000 Kommunen. Wichtige Ergebnisse sind:
- Fast 90 Prozent der Kommunen, die geantwortet haben, schätzen die (künftigen) Klimaveränderungen in ihrer Kommune überwiegend negativ ein.
- Betroffenheit durch allmähliche Klimaveränderungen und Extremwetterereignisse sind mit 64 und 62 Prozent die am häufigsten genannten Gründe, die dazu führten, sich mit Klimaanpassung zu beschäftigen. Weitere Aspekte sind: Verbesserung der Lebensqualität (54 Prozent), der Wunsch, mit gutem Beispiel vorangehen zu wollen (49 Prozent), sowie Förderprogramme und finanzielle Unterstützung (46 Prozent).
- Eine deutliche Mehrheit der antwortenden Kommunen ist bei der Klimaanpassung bereits aktiv. Nur 17 Prozent gaben an, sich informiert, aber noch keine weiteren Schritte unternommen zu haben.
- Für die kommunale Verwaltungsstruktur wird Klimaanpassung als große Herausforderung betrachtet (82 Prozent). Hierfür sei eine verantwortliche Person ("Kümmerer") erforderlich, die auch über die Grenzen von Fachabteilungen hinaus aktiv werden kann (78 Prozent).
Noch bis zum Freitag findet übrigens zum dritten Mal die bundesweite "Woche der Klimaanpassung" statt.
Ebenfalls nur zwölf Prozent der Kommunen verfügen laut Ihrer Befragung über einen Klimaanpassungsmanager. Sind das die Kommunen, die auch schon ein Anpassungskonzept haben?
Das stimmt nicht eins zu eins überein, aber einen Zusammenhang sehen wir schon: In Kommunen mit Klimaanpassungskonzept arbeitet etwa doppelt so häufig eine Managerin oder ein Manager für Klimaanpassung – im Vergleich zu den Kommunen, die ein Klimaanpassungskonzept erst noch vorbereiten.
Auf der anderen Seite stellte sich heraus: 90 Prozent der Kommunen, die derzeit weder ein Klimaanpassungskonzept haben noch vorbereiten, haben auch keine entsprechende Stelle. Das Vorhandensein einer solchen Managementposition scheint sich also positiv darauf auszuwirken, dass ein Klimaanpassungskonzept existiert oder entsteht.
An den Umfrageergebnissen fällt auf, dass die Kommunen den größten Anpassungsbedarf nicht bei der Bewältigung extremer Hitze sehen, sondern beim Wasserhaushalt und in der Wasserwirtschaft. Spielen da die häufigeren und extremen Niederschläge und Überflutungen eine Rolle?
So einfach lässt sich aus den Daten nicht herauslesen, dass die Kommunen weniger Anpassungsbedarf bei Hitze sehen als im Bereich Wasser.
Das Thema Hitze erhält schon große Aufmerksamkeit, besonders in den größeren Städten – Stichwort Hitzeinsel. Allerdings haben erst vergleichsweise wenige Kommunen schon Hitze-Maßnahmen umgesetzt, ein deutlich größerer Anteil plant sie erst noch. Das gilt beispielsweise für die Begrünung von Straßen, Gebäuden und Dächern sowie für die Beschattung von Straßen, Plätzen oder Gebäuden.
Die in Kommunen am häufigsten bereits funktionierende Klimaanpassung ist mit 52 Prozent die Bewässerung öffentlicher Grünflächen bei Hitze und Trockenheit. Mehr als ein Drittel der Kommunen hat zudem Schritte zur Anpassung ihrer Grünflächen unternommen, etwa durch eine klimaangepasste und standortgerechte Wahl von Baumarten und Pflanzen.
Dass Kommunen am häufigsten Grünflächen bewässern lassen, führt Ihre Studie auch auf die Häufung von Trockenperioden in den letzten Jahren zurück. Dagegen wurden Fragen wie Entsiegelung oder Renaturierung in der Umfrage deutlich weniger genannt. Fehlt es da an politischer Durchsetzbarkeit oder an den Finanzen?
Gegenüber den 52 Prozent, die öffentliche Grünflächen bei Hitze und Trockenheit bewässern, hat tatsächlich erst ein knappes Drittel der Kommunen Maßnahmen zur Renaturierung von Gewässern und Grünland umgesetzt, und nur 14 Prozent haben Flächen entsiegelt.
Schaut man aber auf das, was die Kommunen planen, ergibt sich ein anderes Bild. Bei Renaturierung und Flächenentsiegelung gibt jeweils knapp ein Drittel der Kommunen an, dass entsprechende Maßnahmen in Vorbereitung sind. Bei der Bewässerung öffentlicher Grünflächen sind es 16 Prozent.
Thomas Friedrich
ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für sozial-ökologische Forschung (ISOE) in Frankfurt am Main. Sein Schwerpunkt ist die Klimaanpassung. Er studierte und promovierte in Sozial- und Kulturanthropologie in Köln und Hamburg. Am ISOE leitet er das Verbundprojekt "Komklan", das im Herbst 2023 die erste bundesweite repräsentative Kommunalbefragung zum Stand der Klimaanpassung durchführte.
Daran ist zu sehen, dass bestimmte Themen aktuell an Wert gewinnen. Hierzu zählen auch die Fassadenbegrünung von Gebäuden oder die Beschattung öffentlicher Plätze.
Als Hürden bei der Umsetzung von Klimaanpassungsmaßnahmen generell nannten die Kommunen mit großem Abstand das Fehlen personeller und finanzieller Ressourcen. Das Gelingen hängt aber auch von der Akzeptanz und Unterstützung der Politik, der kommunalen Verwaltung und der Bevölkerung ab.
Flächen umzugestalten und etwa versiegelten Boden wiederzugewinnen, kann in der Bürgerschaft auf Widerstand stoßen und Konflikte auslösen, aber auch mit anderen kommunalen Interessen wie der Stadtentwicklung kollidieren. Das zeigt, wie wichtig es ist, das Bewusstsein für die langfristigen Vorteile von Klimaanpassung zu stärken und entsprechend zu kommunizieren.
Was können Kommunen tatsächlich gegen Jahrhunderthochwasser tun, wie wir es gerade in Polen, Tschechien, der Slowakei und Österreich erlebten? Vielfach scheitert es doch schon daran, überflutungsgefährdete Gebiete nicht oder nicht wieder zu bebauen.
Mit einem Mix technischer, planerischer, ökologischer und sozialer Maßnahmen können Kommunen ihre Resilienz gegenüber solchen Wetterextremen erhöhen. Dazu gehören beispielsweise Bau und Instandhaltung von Rückhaltebecken oder die Renaturierung von Flussläufen.
Hierbei sind auch Maßnahmen wichtig, um Gefahren bewusst zu machen sowie die Vorsorge zu stärken. Dazu gehört, Frühwarnsysteme zu verbessern oder Notfallpläne zu entwickeln.
Entscheidend dafür, dass das in den Kommunen klappt, sind die interne Kommunikation und die Zusammenarbeit über verschiedene Fachbereiche und Verantwortlichkeiten hinweg. Das zeigt unsere Befragung genauso wie Ergebnisse anderer Forschungsprojekte von uns zur kommunalen Klimaanpassung.
Anpassung an den Klimawandel bedeutet zudem: Kommunen müssen mit ihren Bürgerinnen und Bürgern aktiv kommunizieren, um die Eigenverantwortung in Hochwasserregionen zu stärken und Risiken gemeinsam zu vermindern.
Kommunen, die Maßnahmen zur Klimaanpassung planen oder durchführen, gaben in der Umfrage an, dass sie für mehr als 80 Prozent dieser Maßnahmen auch Eigenmittel aufwenden. Heißt das lediglich, dass die Kommunen Fördermittel des Bundes und der Länder meist kofinanzieren müssen, oder müssen hier Kommunen für fehlende Gelder zur Klimaanpassung in die Bresche springen?
Die 80 Prozent können ein Hinweis darauf sein, dass die Finanzlast für Klimaanpassung derzeit noch stark auf kommunaler Ebene liegt. Zwar gibt es Fördermittel, die auch vielfach abgerufen werden, aber häufig müssen Kommunen offenbar auch zusätzliche Eigenmittel aufbringen, um überhaupt Maßnahmen realisieren zu können.
Das kann gerade finanzschwächere Kommunen vor erhebliche Herausforderungen stellen. Inwiefern eine flächendeckende Klimaanpassung gesichert werden kann, indem beispielsweise Bund und Länder die Kommunen finanziell noch stärker unterstützen, ist eine politische Frage, die derzeit im Rahmen des Klimaanpassungsgesetzes ja auch diskutiert wird. Unsere Studie kann das nicht abschließend beantworten.