Klima-Quizfrage: Wann sagte die neue Bundeswirtschaftsministerin dies hier zum Thema CCS, also zur CO2-Abscheidung und ‑Speicherung?
Zitat Katherina Reiche: "Für den Umstieg in eine Energieversorgung, die auf erneuerbaren Energien basiert, brauchen wir mehr effiziente Gas- und Kohlekraftwerke. Hierfür brauchen wir klimafreundliche Lösungen. CO2 entsteht nicht nur bei der Stromproduktion, sondern auch bei Industrieprozessen."
Und nahtlos weiter: "Deshalb hat auch die Industrie ein großes Interesse daran, über eine Technologie zu verfügen, die es erlaubt, Industrieprozesse umweltfreundlich und klimafreundlich zu gestalten. Dies betrifft die Stahlerzeugung, die Zement- und Kalkindustrie, Raffinerien und andere Produktionszweige."
Nun, die Kohlekraftwerke passen nicht mehr ins Jahr 2025. Ihre Tage sind in Deutschland gezählt. Alles andere aber klingt, als hätte es Reiche gestern gesagt.
Tatsächlich stammt der Auszug aus einer Bundestags-Rede vor mehr als 14 Jahren. Reiche begründete darin als Staatssekretärin im Umweltministerium, warum die damalige schwarz-rote Koalition ein Gesetz zu Abscheidung, Transport und Speicherung von Kohlendioxid für nötig hielt, also ein CCS-Gesetz.
Ziel ist weiter die kommerzielle CO2-Speicherung
Mehr als ein Jahrzehnt und zwei schwarz-rote Koalitionen später ist das Bundeswirtschaftsministerium unter der Ministerin Reiche erneut dabei, so ein CO2-Speichergesetz auf den Weg zu bringen. Grundlage soll eine noch von der Ampel erarbeitete, aber nicht mehr beschlossene Vorlage sein.
An den Zielen der Speicherung hat sich seit 2014 nicht viel getan. Es geht um die Kommerzialisierung von CCS. Das Treibhausgas soll exportiert oder unterirdisch im deutschen Teil der Nordsee oder gar an Land gespeichert werden.
Profitieren sollen ebenso die Industrien mit den sogenannten "schwer vermeidbaren" Emissionen wie Zement, Kalk, Müllverbrennung und Chemie – sowie die neuen Gaskraftwerke, die die Ministerin bis 2030 bauen lassen will.
Sichtlich geändert hat sich die Dringlichkeit, das CO2 irgendwie loszuwerden. Mittlerweile will Deutschland bis 2045 klimaneutral sein. CO2, das nicht vermieden wird, muss anderweitig aus der unternehmerischen Klimabilanz entfernt werden.
Ab 2040 keine neuen Emissionsrechte mehr
Der Zeitdruck für Kraftwerke und energieintensive Industrie ist dabei noch größer. Ab 2040 sollen im europäischen Emissionshandel keine neuen Emissionsrechte mehr ausgegeben werden.
Stößt ein emissionshandelspflichtiges Unternehmen dann noch CO2 aus, muss es die Klimawirkung mit Gutschriften kompensieren – oder das Treibhausgas per CCS entsorgen.

Im Jahr der Klimaneutralität 2045 wird Deutschland, sagen Studien, noch 65 bis 90 Millionen Tonnen CO2 emittieren, die vermutlich schwer oder gar nicht zu vermeiden sind. Der größte Teil davon wird mittels CCS entsorgt werden müssen, sagen die Prognosen auch.
Theoretisch gibt es dafür ausreichend Speicher. In porösen Gesteinsschichten in Deutschland sollen bis zu 20 Milliarden Tonnen CO2 unterzubringen sein, davon sollen rund vier Milliarden Tonnen unterm deutschen Meeresgrund liegen, besagen Schätzungen. Dazu kommen bereits ausgebeutete Erdgas- und Erdöllager mit knapp drei Milliarden Tonnen CO2-Speichervolumen.
"Mit dem heutigen Stand des Wissens wäre die geologische – also unterirdische – CO2-Speicherkapazität im europäischen Raum keine knappe Ressource", bilanziert Klaus Wallmann vom Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel.
Was die konkreten deutschen Ressourcen angeht, hegt er da eher Zweifel. In der deutschen Nordsee könne die Speicherkapazität von 0,9 bis 5,5 Milliarden Tonnen reichen, sagt der Forscher. Dabei sei sehr unsicher, wie viel davon wirklich realisierbar ist.
"Es ist möglich, dass die realen Speicherkapazitäten in Deutschland für die Industriesektoren gar nicht ausreichen", warnt Wallmann. Käme noch CO2 aus Gaskraftwerken hinzu, könnte es sein, dass nicht alles unterzubringen sei.
Am Ende eine Frage der Wirtschaftlichkeit
Die Potenziale zu erschließen, ist für Wallmann wie andere Fachleute letztlich eine wirtschaftliche Frage. "Abscheidung, Transport und Speicherung von CO2 werden sehr teuer sein – Schätzungen liegen zwischen 150 und 250 Euro pro Tonne für die ganze Kette", sagt der Geomar-Forscher. Vermeidung werde deswegen an vielen Stellen günstiger kommen.
Das größte Problem aus seiner Sicht ist aber, dass hierzulande noch gar keine Speicherstätten erkundet sind. Firmen, die CO2 speichern wollen, könnten momentan noch keine Erlaubnis für die Erkundung beantragen. Das solle sich durch die von Reiche geplante Novelle des CO2-Speichergesetzes ändern.
Erkundung, Beantragung und Aufbau der CO2-Infrastruktur werden Jahre dauern. Würde das Gesetz dieses Jahr verabschiedet und würden sich Planungsprozesse beschleunigen, gebe es frühestens in zehn Jahren, also 2035 oder später, das erste Speicherprojekt in Deutschland, umreißt Wallmann den Zeitraum.
Beschleunigend könnte wirken, wenn die Bundesregierung wie geplant in der Novelle ein "überragendes öffentliches Interesse" an den CCS-Projekten feststellt, ergänzt Peter Viebahn vom Wuppertal-Institut. Auch erlaube das Gesetz zunächst nur eine CO2-Speicherung unterm Meer. Die Speicherung unter Landgebieten müssten die jeweils betroffenen Bundesländer regeln.
Der Export von CO2 hingegen könnte laut den Prognosen schon 2030 starten. CO2-Leitungen brächten das Gas an die Küste, von dort könnte es nach Norwegen, Dänemark, Großbritannien und den Niederlanden verschifft werden. Diese Länder sind nach Expertenmeinung mit der Erkundung von Speichern schon weiter. Wallmann: "Deutschland wird voraussichtlich beides machen müssen: selbst CO2 speichern und CO2 exportieren."
Die von Katherina Reiche verfolgte Idee, die neuen Gaskraftwerke mit CCS zu betreiben, sehen die meisten Fachleute skeptisch. "Für den Stromsektor kann CCS angesichts der stark gesunkenen Kosten für den Umstieg auf erneuerbare Energien keine Option mehr sein", sagt Franziska Holz vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW).
Nach Ansicht von Felix Schenuit von der Stiftung Wissenschaft und Politik ist derzeit nicht abzuschätzen, was eine CCS-Option für Gaskraftwerke bringt. Unklar sei zum Beispiel, wie viele Kraftwerke bei einer Erlaubnis überhaupt mit Technologien zur CO2-Abscheidung ausgestattet würden.
"Sie sind zwar technisch gut verstanden, aber bislang kaum kommerziell erprobt", wendet der Klimawissenschaftler ein. "Belege dafür, dass CCS im großen Stil und kommerziell in Gaskraftwerken einsetzbar ist, stehen noch aus", stellt Schenuit fest.
Es kann also gut sein, dass Reiche nach den Kohle- zumindest noch die Gaskraftwerke aus dem CCS-Reich herausnehmen muss. Das wird sich nur schwer vermeiden lassen.