Jens Mühlhaus. (Foto: Dominik Parzinger)

Immer wieder sonntags: Die Mitglieder unseres Kuratoriums erzählen im Wechsel, was in der vergangenen Woche wichtig für sie war. Heute: Jens Mühlhaus, Vorstand beim unabhängigen Ökostrom-Anbieter Green City AG.

Klimareporter°: Herr Mühlhaus, parallel zu den großen Aktionen von "Fridays for Future" und "Ende Gelände" am letzten Wochenende forderte der bayerische Ministerpräsident Markus Söder einen Kohle-Ausstieg schon bis 2030 und erntete dafür sogar von Greenpeace Lob. Würden Sie da einstimmen?

Jens Mühlhaus: Auch wenn ich Herrn Söder sonst nicht unbedingt zustimme: Natürlich hat der CSU-Chef Recht. Ein Kohleausstieg bis 2030 ist möglich und vor allem auch dringend nötig.

Meine Lobeshymnen auf ihn halten sich trotzdem in Grenzen. Der bayerische Landeschef tätigt solche Äußerungen ja schließlich nicht ohne Kalkül. In einem Bundesland, in dem Kohleabbau faktisch keine Rolle spielt, kann man leicht für einen früheren Ausstieg plädieren.

Da hängen keine Arbeitsplätze dran, die Kritik im Freistaat hält sich ergo in Grenzen und man wirkt gleich ein bisschen grüner. Nur mit ernst gemeintem Klimaschutz hat das rein gar nichts zu tun.

Konsequent wäre es zum Beispiel, wenn Söder den Schritt weitergehen würde. Das hieße unter anderem: Weg mit der bayerischen Abstandsregel für Windkraft, Schluss mit der Deckelung für Photovoltaik. Dann würde auch in Bayern der Ausbau der erneuerbaren Energien endlich vorankommen.

Aber von solchen Vorschlägen will Söder genauso wenig hören wie von einer CO2-Steuer. Seine Unionskollegen haben sich ja auch schon vehement gegen Söders Vorschlag ausgesprochen. Was wieder einmal zeigt: In Sachen Klimapolitik agieren unsere Vertreter in Berlin nur noch hilf- und planlos.

Viel bemerkenswerter finde ich es da, dass der nordrhein-westfälische Wirtschafts- und Energieminister Andreas Pinkwart ebenfalls einen früheren Ausstiegstermin anpeilt. Und das im Kohle-Land NRW!

Pinkwart meinte, die Bewegung "Fridays for Future" fordere alle im Land dazu heraus, die Ärmel hochzukrempeln, damit der Kohleausstieg möglichst schnell und sicher gelinge. Vielleicht kommt diese Botschaft auch irgendwann bei Herrn Söder an.

Die Klimaforscherin Friederike Otto berichtete im Klimareporter°-Interview, dass sich mit dem Klimawandel für europäische Städte die Wahrscheinlichkeit, eine Hitzewelle wie die von 2018 zu erleben, etwa verdoppelt bis verzehnfacht. Wie nehmen Sie die Folgen in Ihrer Heimatstadt München wahr? Springen die Leute einfach nur öfter in die Isar oder haben sich in den letzten Tagen ernsthafte Probleme gezeigt?

Die Flüsse und Freibäder waren und sind bei dieser Gluthitze natürlich auch in München rappelvoll. Bei diesen Temperaturen zeigen sich eben wieder die Probleme von Großstädten. Die Innenstädte sind absolute Wärmeinseln.

Das heißt, es ist hier deutlich heißer als im Umland. Die Gründe dafür sind einfach: Wenig Grün, dafür viel Straßen und Beton, also ideale Wärmespeicher.

Schon jetzt – im Juni! – hatten wir in München das Problem, dass Fahrbahnen so weich geworden sind, dass sich gefährliche Spurrinnen gebildet haben. Und wenn Sie sich das Bild zwei Wochen zuvor anschauen: Schwere Unwetter mit faustgroßen Hagelkörnern!

In dem Punkt sind sich die meisten Klimaforscher einig: Mehr Hitze, mehr Starkregen, mehr Unwetter – das ist es, was uns künftig erwartet. Und das ist der Punkt, an dem wir trotz der Temperaturen alle einen kühlen Kopf bewahren sollten und uns fragen müssen: Was können wir dagegen tun und wie können wir diese Folgen abmildern?

Und was war Ihre Überraschung der Woche?

Vertreter der Münchner "Fridays for Future"-Bewegung haben in dieser Woche ihren Klimaplan vorgestellt. Und ich muss sagen, die Forderungen sind ganz schön knackig.

Zum einen wenden sich die Aktivisten erstmals direkt an eine Stadt und nicht an die Bundesregierung oder die EU. Außerdem formulieren die Jugendlichen unter anderem das Ziel, dass die Münchner Innenstadt bis 2025 zur autofreien Zone wird.

Da musste selbst ich mal kurz schlucken. Unsere schon radikalen Forderungen bei Green City waren vor 30 Jahren: 50 Prozent weniger Autoverkehr!

Ich habe mich mit einer jungen Aktivistin darüber unterhalten, die meinte: "Wir müssen mutig sein in unseren Forderungen, es reicht sonst nicht!" Das hat mir natürlich zu denken gegeben.

Aber die junge Frau hat völlig Recht. Vor einem Jahr wäre so eine Protestbewegung noch undenkbar gewesen. Doch das Thema Klimawandel ist in unserer Gesellschaft angekommen, die Zeit ist reif, alte Denkmuster zu verschieben. Das gilt für jeden Autofahrer, aber auch für altgediente Ökoaktivisten.

Also: Seid mutig!

Fragen: Jörg Staude

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