Klimapolitik ist kein Selbstläufer. Man muss sie erstens konsequent anlegen, zweitens sozial gestalten und, drittens, den Bürgerinnen und Bürgern gut erklären. Die sehen sich nämlich mit Schlagworten wie CO2-Preis, Verbrennerverbot oder Solaranlagen-Pflicht konfrontiert und ziehen vor allem den einen Schluss daraus: Es wird alles wahnsinnig teuer und auch noch unbequem.
Die Bundesregierung hat in all diesen Punkten versagt, obwohl sie seit fast 16 Jahren doch angeblich von einer "Klimakanzlerin" geführt wird. Auch jetzt, da die Merkel-Groko mit dem neuen Klimaschutzgesetz und einer Reihe Sofortmaßnahmen im letzten Moment halbwegs auf den Kurs geht, den das bereits 2015 verabschiedete Pariser Klimaabkommen vorgibt, ist das nicht anders.
Die Kanzlerin stellt sich auf dem "Tag der Industrie" hin und sagt: "Wir werden in den nächsten Jahren gigantische Summen ausgeben müssen." So ein Satz, der dann abends als Quintessenz in den TV-Nachrichten läuft, hat eine verheerende psychologische Wirkung im Volk. Es fehlt nämlich die Einordnung.
Verpasste Jahrzehnte
Denn wahr ist doch auch: Nicht oder zu wenig in den klimafreundlichen Umbau der Industriegesellschaft zu investieren würde schon mittelfristig durch die Kosten stark steigender Klimaschäden noch viel teurer. Eine gewaltige Hypothek für künftige Generationen.
Und wenn dann noch als Hauptnachricht aus dem neuen Groko-Klimapaket herausdestilliert wird, dass die Mieter alleine, also ohne Beteiligung der Vermieter, die Zusatzkosten aus der CO2-Abgabe auf Heizöl und Erdgas zahlen müssen, dann ist der Super-GAU für das Image der Klimapolitik perfekt.
Es rächt sich, dass vor allem die unionsgeführten Bundesregierungen in den letzten drei Jahrzehnten das Klimafit-Machen der Gesellschaft hintertrieben haben. Bereits 1990 legte eine Enquetekommission des Bundestages die Blaupause für den Umbau vor. Stichworte: Gebäudesanierung, schneller Ausbau der Öko-Energien, Kohleausstieg, Verkehrswende, ökologisch wahre Preise. Es ist alles das, was heute immer noch diskutiert wird.
Hätten die Regierungen seither diese Punkte zügig angepackt, Deutschland stünde heute gut da, und die Paris-Ziele einzuhalten wäre ohne Crashkurs machbar. Allein der Ökostrom-Ausbau nahm nach 1998 unter Rot-Grün planmäßig Fahrt auf, wurde dann aber unter Merkels Grokos und Schwarz-Gelb bewusst abgebremst.
Plötzlich soll es schnell gehen
Nach drei Jahrzehnten vor allem lobby-gesteuerter Energie- und Klimapolitik ist die Bundesregierung nun plötzlich in der Zwickmühle. Die Fridays-for-Future-Bewegung heizte ihr ein, das Bundesverfassungsgericht trat ihre Klimapolitik in die Tonne, und die Warnungen aus der Wissenschaft vor einem Überschreiten des 1,5-Grad-Erwärmungslimits werden immer dringender, so wie jetzt wieder durch den Weltklimarat.
Das neue Klimaschutzgesetz, das einen Pfad zur Klimaneutralität bis 2045 (statt bisher 2050) beschreibt und heute im Bundestag verabschiedet werden soll, ist die Reaktion darauf.
Man reibt sich die Augen. Dauerte es früher ein Jahr und mehr, bis lobbyumkämpfte Entscheidungen in dem Sektor getroffen wurden, etwa beim Kohleausstieg, brauchte die Groko nun keine zwei Monate für viel weiter reichende Festlegungen. Ein Wunder? Nein. Endzeit-Stimmung, in zweifacher Hinsicht.
Ein wenig mag es mit Bewusstseinsbildung zu tun haben. Auch dem letzten Skeptiker in der Politik (außer AfD) dürfte seit den Hitze- und Trockenjahren 2018 bis 2020 inklusive vertrocknender Wäldern klar sein, dass sich das Klima schon heute rasant verändert. Also Eile geboten ist.
Vor allem aber ging es so flott, weil Union und SPD kurz vor Ultimo den Grünen noch etwas Wind aus den Wahlkampfsegeln nehmen wollen. Und weil beide wissen: Umsetzen muss die Groko weder das Langfrist-Programm noch die "Sofort"-Maßnahmen. Es ist der Job der nächsten Bundesregierung.
Weg von den Angst- und Verzichts-Debatten
Und die muss, egal, ob von der Union oder den Grünen angeführt, die Klimapolitik ganz neu aufsetzen. Am wichtigsten dabei: Die neue Regierung sollte den Umbau als positives Projekt darstellen, nicht als Verzichtsprogramm. Und sie muss die Ängste in der Bevölkerung abbauen.
Die Argumente sind ja alle da. Gut gemachter Klimaschutz schafft unter dem Strich mehr Jobs, sichert den Autobauern die Absatzmärkte, stärkt die Tourismusbranche im Inland, macht das Leben durch bessere, auch digitalisierte Technik und durch Entschleunigung angenehmer.
Schon richtig: Ohne steigende CO2-Abgaben funktioniert die Sache nicht. Aber auch hier gilt: umdenken. Sie lassen sich offensiv als soziales Projekt gestalten – durch komplette Pro-Kopf-Rückgabe der Einnahmen. Die ärmeren Haushalte würden sogar profitieren, der Mittelstand nichts oder wenig drauflegen.
Die Idee: Klimaschutz würde zuerst mit dem jährlichen Energie-Barscheck verbunden, der ins Haus flattert, statt mit steigenden Sprit- und Heizenergiepreisen, gegen die man ja übrigens etwas tun kann. Es wäre eine andere Debatte. Eine bessere.