Immer wieder sonntags: Die Mitglieder unseres Herausgeberrats erzählen im Wechsel, was in der vergangenen Woche wichtig für sie war. Heute: Aysel Osmanoglu, Vorstandssprecherin der GLS Bank.
Klimareporter°: Frau Osmanoglu, die Ampel-Koalition brachte diese Woche endlich den Haushalt 2025 in den Bundestag ein. Die Milliarden-"Lücke" wurde aufgelöst – auch zulasten des Klima- und Transformationsfonds.
Energiebranchenchefin Andreae kritisiert, dass wegen globaler Minder- und Mehrausgaben von zwölf Milliarden Euro nun für 2025 in dem Fonds nur zwei Drittel des Budgets verlässlich zur Verfügung stehen. Stimmen Sie der Kritik zu?
Aysel Osmanoglu: Ob und inwiefern die Budgetierung aufgeteilt wird, möchte ich nicht bewerten. Als herausfordernd betrachte ich die Kalkulation der "globalen Minderausgaben".
Dahinter steht doch die Institutionalisierung eines Missstandes: Dringend benötigte Gelder werden über die geschaffene Infrastruktur der Fördertöpfe nicht abgerufen. In denen steckt wahnsinniges Potenzial. Warum werden diese Förderungen nicht genutzt? Wir benötigen Investitionen, um für Wirtschaft und Gesellschaft den Übergang zu einer lebenswerten Zukunft zu gestalten.
Öffentliche Gelder werden dazu nicht ausreichen, darum ist zusätzliche Anstrengung nötig, um privates Kapital zu mobilisieren. Darauf konzentrieren wir uns neben vielen anderen Alternativbanken als GLS Bank.
Ich wünsche mir, dass es auf der politischen Ebene eine ebenso konzentrierte Arbeit für öffentliche Gelder gibt. Ein Topf, der "Transformation" im Namen trägt, sollte auch transformieren. Dazu braucht es bessere Zugänge für Unternehmen und Initiativen. Werden die Gelder nicht abgerufen, ist die Förderstruktur anzupassen.
Eine bisher zurückgehaltene Studie für das Bundeswirtschaftsministerium beziffert erstmals die konkrete CO2-Wirkung von Subventionen. Danach sorgen das Diesel- und Dienstwagenprivileg, die Entfernungspauschale sowie die Finanzhilfen für Industriestrom oder die Mehrwertsteuerermäßigung für tierische Produkte für Mehremissionen von zusammen rund 150 Millionen Tonnen CO2 bis 2030. Warum kommt Deutschland beim Abbau klimaschädlicher Subventionen nicht voran?
Es tut immer weh, wenn Privilegien entfallen. Da geht es Unternehmen wie Privatpersonen. Gleichzeitig befinden wir uns in einer Veränderungsdynamik. Wie wertvoll die Arbeit einzelner Branchen auch sein mag, die über die vergangenen Jahrzehnte wichtige Beiträge geleistet haben – Antworten auf die heutigen Fragen liefern sie wenig.
Darum sollte auch ihr Einfluss in Zukunft begrenzt sein. Denn darum geht es: um unsere Zukunft. Wie schaffen wir diese Veränderungen sozial- wie ökologisch verträglich?
Jetzt haben wir die Chance, diese Veränderungen mitzugestalten. Verharren wir auf unseren fossilen Strukturen, kommt die Veränderung trotzdem – das Gestalten wird dann aber schwerer.
Der Politikwissenschaftler Lasse Thiele fordert, die ostdeutschen Braunkohletagebaue zu vergesellschaften und die Bergbauunternehmen wirksam zu verpflichten, sich an den Kosten der Wiederherstellung der Landschaft ausreichend zu beteiligen. Zugleich ist aber klar, dass die Sanierung der Tagebaue eine Jahrhundertaufgabe ist und die Hauptkosten folglich von der Allgemeinheit getragen werden müssen. Wie sollen wir mit diesem Widerspruch umgehen?
Da die Erträge bis hierhin von den Energiekonzernen abgeschöpft wurden, ist deren verbindliche Beteiligung an der Renaturierung obligatorisch. Weder Leag noch Mibrag veröffentlichen aber Zahlen zu dementsprechenden Rücklagen.
Entweder verlassen wir uns, verlässt sich die Bevölkerung vor Ort darauf, dass beide Konzerne verantwortungsvoll mit den von ihnen begangenen Schäden umgehen und sich entsprechend beteiligen. Historisch betrachtet stehen die Chancen dafür aber schlecht. Die Transparenz-Verweigerung der Unternehmen hinterlässt ebenfalls einen Eindruck.
Lösungsalternativen wären Finanzierungsvehikel, die in Form einer Stiftung oder eines Vereins zwischen Kommunen und Konzernen etabliert werden. Darüber würden die Konzerne verpflichtend Gelder einzahlen, die entsprechend an die Ertragslage zukünftiger Einnahmen und notwendige Renaturierungsmaßnahmen angepasst wären.
Wichtig dabei: Die Konzerne werden als Ganzes in die Verantwortung dieser Zahlungen genommen – eine Abscheidung in Form von geplanten Insolvenzverfahren der Einzelgesellschaften darf keine Haftungsfreiheit der Verantwortlichen bedeuten.
Und was war Ihre Überraschung der Woche?
Ich habe mich darüber gewundert, wie viele Banken bereit waren, den Kauf der Plattform "X" zu finanzieren. Die Kredite haben inzwischen stark an Wert verloren und sind damit zu einer Belastung für die Institute geworden.
Wir sprechen häufig über den Begriff "wahre Kosten", betrachten also die monetären Kostenfaktoren, die in klassischen Kalkulationen nicht einberechnet werden, wie Bergbauschäden in Ostdeutschland beispielsweise, die Wasserverunreinigungen, Klimafolgekosten und andere noch nicht quantifizierbare Kosten nach sich ziehen.
Auch das Verbreiten von Hass und Falschmeldungen bildet in meinen Augen ein großes Risiko und führt zu hohen Kosten. Diese können noch nicht anhand klassischer Instrumente der Wirtschaftslehre analysiert werden – das "X"‑Beispiel zeigt aber unmissverständlich und in einer konventionellen Bilanz-Logik, was passiert, wenn wir diese Risiken ignorieren.
Fragen: Jörg Staude und David Zauner