Kraftwerk Datteln 4 von der Zufahrt gesehen, im Vordergrund der 180 Meter hohen Kühlturm.
Das neue Kohlekraftwerk Datteln 4 im Norden des Ruhrgebiets ist ein Symbol für den Filz aus Kohlelobby und Politik. (Foto: Fabian Steffens/​Shutterstock)

Klimareporter°: Frau Badum, als es in die Stichwahl um den CDU-Vorsitz zwischen Armin Laschet und Friedrich Merz ging – dachten Sie da, jetzt gewinnt entweder der Kohlefan Laschet oder der Atomkraftfan Merz?

Lisa Badum: Merz ist jemand, der sich noch nie ernsthaft mit Klimaschutzpolitik befasst hat oder in diesen Zusammenhängen unterwegs war. Laschet schon, allerdings als Lobbyist für einen verspäteten und teuren Kohleausstieg. Von daher war die Auswahl insgesamt nicht optimal.

Viele Kommentare bewerten Laschet als denjenigen, mit dem die Grünen bei einer Regierungsbeteiligung auf Bundesebene besser auskämen. Tatsächlich aber hat sich der jetzige CDU-Chef beim Kohleausstieg als, so muss man es sagen, knallharter RWE-Lobbyist gezeigt. So einfach wird es mit ihm für die Grünen nicht werden.

Von Laschet und Klimapolitik habe ich mitbekommen, dass er zum einen der Polizeieinsatz im Hambacher Wald, der einen zweistelligen Millionenbetrag kostete, mitverantwortete. Nicht nur, dass der Einsatz ziemlich fatal ablief – die ganze Radikalisierung der Landesregierung ist extrem unnötig gewesen.

Wir erinnern uns: Wegen Brandschutz wurden die Baumhäuser geräumt. Im Nachhinein hat die Kohlekommission festgehalten, dass der Hambacher Wald bleiben soll. Da hatte sich die Landesregierung also ziemlich verrannt.

Auch der Zehn-Punkte-Plan, den Laschet und Spahn kürzlich vorlegten, zeugt von klimapolitischer Unkenntnis. Zum Beispiel wollen sie einen europaweiten CO2-Preis – da fragt sich doch, um welchen CO2-Preis es überhaupt geht. Wollen sie den Emissionshandel der EU erweitern oder einen Emissionshandel für Verkehr und Gebäude einführen, oder die Energiesteuerrichtlinie in der EU ändern?

Und was in den zehn Punkten überhaupt fehlt, ist der Ausbau der erneuerbaren Energien. Das ist aber die Basis für den Kampf gegen die Klimakrise.

Auch bei der Inbetriebnahme von Datteln 4 fiel Laschet nicht als jemand auf, der sich da in den Weg stellt.

Erst letzte Woche wurde der öffentlich-rechtliche Vertrag der Bundesregierung mit RWE und Leag über die Braunkohle-Entschädigungen in einer nur halbstündigen Debatte und per Sofortabstimmung durch den Bundestag gedrückt.

Ich bin erschüttert, dass sich die Bundesregierung da auf Jahre bindet. Der Bundestag konnte keinen Satz, keinen Buchstaben und kein Komma an dem Vertrag ändern, sondern nur zustimmen oder ablehnen. Die Kohlekonzerne haben jetzt mehr Rechtssicherheit und die öffentlichen Hände weniger.

An diesem Vertrag war Laschet als nordrhein-westfälischer Ministerpräsident auch beteiligt und ich sehe nicht, dass er den Unternehmen da Grenzen aufgezeigt hätte.

Bei dem Vertrag hoffen Sie ja noch, dass die EU-Kommission ihn beihilferechtlich nicht so einfach durchwinkt. Aber hätte nicht vor allem die SPD beim RWE-Leag-Vertrag mehr Rückgrat zeigen müssen?

Am Ende des Tages ist das Ergebnis einfach katastrophal. Da ist mir gar nicht so wichtig, wer in der großen Koalition daran mehr und wer weniger Schuld trägt.

Fakt ist ja auch, dass Bundeswirtschaftsminister Altmaier ein Gutachten zu den Folgekosten der Tagebaue in Auftrag gegeben hatte und dieses dann ein Jahr zurückhielt. Da hatte die SPD zwar im Herbst letzten Jahres verlangt, nun sollen mal alle Gutachten auf den Tisch, hat das Thema dann aber auch nicht weiterverfolgt – aus welchem Grund, weiß ich bis heute nicht.

Als das unter Verschluss gehaltene Gutachten Ende letzten Jahre doch bekannt wurde und so herauskam, dass mehrere Dörfer, die abgebaggert werden, hätten gerettet werden können, hatte das gar keine politischen Konsequenzen. Auch über die Räumungen in den betroffenen Dörfern wird gar nicht berichtet.

Mit der Union von Armin Laschet und Peter Altmaier wollen die Grünen nach der Bundestagswahl möglicherweise regieren. Aus Klimasicht müsste zum Beispiel der Kohleausstieg von 2038 nach vorn gezogen werden. Wie wollen die Grünen das angesichts des jetzt weitgehend festgezurrten Kohleausstiegs schaffen?

Beim öffentlich-rechtlichen Vertrag werden wir erst einmal sehen, ob von der EU-Kommission Einwände kommen und er möglicherweise entschärft wird. Das würden wir uns wünschen. Dann müssen wir analysieren, welche Mühlsteine der Vertrag einer künftigen Bundesregierung um den Hals legt.

Porträtaufnahme von Lisa Badum.
Foto: P. Haas, S. Hilgers

Lisa Badum

ist klimapolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag. Die studierte Politik­wissen­schaftlerin und langjährige Bürger­energie­politikerin ist außerdem Kreisrätin im ober­fränkischen Forchheim.

Insofern ist es jetzt noch zu früh, über entsprechende Wege zu spekulieren. Aber klar: Je mehr Stimmen wir Grünen bei der Bundestagswahl bekommen, desto mehr Chancen haben wir, uns für einen früheren Kohleausstieg einzusetzen.

Ich finde es verständlich, dass jetzt bei uns Schnittpunkte mit der Union gesucht werden. Die Union wird im Wahlkampf aber unser Hauptgegner sein – und nach der Wahl wird man dann sehen, wie die Bürgerinnen und Bürger entschieden haben und wer die Agenda wie bestimmen kann.

Neben einem Zusammengehen mit der Union gibt es ja noch andere Optionen, die im Spiel sind, gerade wenn wir stärkste Kraft werden würden. Den Klimacheck machen wir auch mit anderen potenziellen Koalitionspartnern.

Neben dem Vorziehen des Kohleausstiegs und dem Ausbau der Erneuerbaren – welche Themen werden Ihrer Ansicht nach klimapolitisch den grünen Wahlkampf bestimmen?

Ein Thema, das ebenfalls gesetzt ist, ist die Verkehrswende. Nach meinem Eindruck war das für viele bereits bei der Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen im letzten Jahr ein sehr entscheidender Punkt.

Wegen Corona fragen sich jetzt viele, ob sie noch mit dem öffentlichen Verkehr unterwegs sein wollen. Auch die Autoindustrie meldet sich und klagt, dass sie zum einen nicht ausgelastet, zum anderen aber noch nicht wirklich zukunftsfähig aufgestellt ist.

In meinem Wahlkreis Bamberg gibt es 20.000 Arbeitsplätze bei Autozulieferern. Da ist eine Verkehrswende regional von Bedeutung, aber nicht nur. Es kommt darauf an, den industriepolitischen Umbau mit einer besseren Lebensqualität für die Menschen zu verbinden.

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