Hier ist ein Schaufelrad zum Abbau von Braunkohle zu sehen
Deutschlands Braunkohlevorräte müssen größtenteils im Boden bleiben, wenn die Klimaziele erreichbar bleiben sollen. (Foto: RWE Generation/Flickr)

Klimareporter°: Herr Krug, die Kohle-Kommission ist der Weg der großen Koalition, den Zeitpunkt hinauszuzögern, an dem sie sich beim Kohleausstieg politisch festlegen muss. Unterstützen Sie durch die Beteiligung an dem Gremium die deutsche Klimaschutz-Lethargie?

Stefan Krug: Nein, das sehe ich nicht so. Dass in Deutschland jetzt nur noch über das Wie und nicht mehr über das Ob eines Kohleausstiegs diskutiert wird, ist ein großer Fortschritt. Das wäre noch vor kurzer Zeit undenkbar gewesen und ist auch ein Verdienst der Jamaika-Verhandlungen.

Genau zu diesem Wie muss die Kommission jetzt bis November sehr konkrete Vorschläge liefern. Sich diesem Prozess zu verweigern mit dem Hinweis, das hätte alles viel früher passieren müssen, würde ja nichts beschleunigen. Der Zeitplan ist straff, das ist gut, und ich glaube, da wird von Lethargie nichts mehr zu spüren sein.

Vor dem Start der Endlager-Kommission 2013 gab es eine riesige Debatte in der Umweltbewegung. Greenpeace und auch andere verweigerten die Teilnahme. War das diesmal auch im Gespräch?

Natürlich haben wir sehr intensiv diskutiert, ob wir in die Kommission gehen oder nicht. Dazu zählte auch die Frage, ob wir für den Kohleausstieg durch öffentlichen Druck außerhalb der Kommission mehr erreichen können als innerhalb. Wir waren uns schließlich einig, dass wir am meisten erreichen können, wenn wir das eine tun, ohne das andere zu lassen.

Zur Person

Stefan Krug leitet das Greenpeace-Team in Berlin. Zu seinen Schwerpunkten gehören internationaler Klimaschutz, Umwelt-, Wachstums- und Nachhaltigkeitsfragen sowie Handelspolitik. (Foto: Greenpeace)

Was ist anders?

Der Unterschied liegt darin, dass die Endlager-Kommission damals Gorleben als Endlageroption mitaufgenommen hatte und damit für uns eine Teilnahme nicht mehr in Frage kam. Solche inakzeptablen Vorbedingungen gab es bei der Kohle-Kommission nicht.

In der Kohle-Kommission sind Vertreter sehr unterschiedlicher Positionen versammelt. Glauben Sie, dass die Arbeit dennoch konstruktiv wird?

Das hoffe ich sehr. Die Kohlefrage ist keine Technik-Debatte zwischen Energieversorgern und Umweltverbänden, sondern ein gesellschaftlicher Konflikt um die ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Folgen unserer Energieerzeugung.

Erstmals sitzen Vertreter aller betroffenen Bereiche an einem Tisch, von Vertretern der Länder und Regionen über Wirtschaftsverbände und Gewerkschaften bis hin zu Wissenschaftlern und Umweltverbänden. Alle Beteiligten müssen sich konstruktiv und mit gegenseitigem Respekt einbringen, wenn ein gesamtgesellschaftlicher Konsens erzielt werden soll.

Die Umweltverbände gehen mit der Forderung nach einem Kohleausstieg bis 2030 in die Kommission. Ist das überhaupt realistisch – oder setzen Sie den frühen Zeitpunkt an, damit das Herunterhandeln von höherem Niveau aus beginnt?

Diese Forderung ist nicht nur realistisch und erfüllbar, sondern auch notwendig, wenn wir unsere völkerrechtliche Verpflichtung aus dem Klimavertrag von Paris erfüllen wollen. Unrealistisch ist es doch, zu glauben, wir könnten eine Welt mit drei oder vier Grad Erwärmung in Kauf nehmen, indem wir die klimaschädlichste Art der Energieerzeugung noch 20 oder gar 30 Jahre lang weiterlaufen lassen.

Was wäre das für ein Signal an andere Länder mit hohem Kohleverbrauch wie China, Indien oder Polen? Das Mutterland der Kohle – Großbritannien – hat ebenso wie Italien beschlossen, bis 2025 aus der Kohle auszusteigen. Deutschland kann das bis spätestens 2030 auch schaffen.

Was wäre aus Ihrer Sicht das bestmögliche Ergebnis der Kommission?

Ein klarer Fahrplan für einen Kohleausstieg bis 2030, mit Sofortmaßnahmen, die uns das 2020er Klimaziel erreichen lassen, kombiniert mit einer langfristigen Finanzierung von Strukturmaßnahmen, die den betroffenen Regionen und ihren Menschen eine echte Zukunftsperspektive sichern.

Und was wäre ein schlechtes Ergebnis?

Ein Pseudo-Ausstieg, der das 2020-Ziel aufgibt, die Kohlenutzung noch um 20 oder 30 Jahre verlängert und die Menschen in den Regionen mit kurzfristigen Finanzspritzen abspeist.

Würde Greenpeace aus der Kommission rausgehen, wenn sich abzeichnet, dass es in diese Richtung geht?

Wir werden mit Sicherheit keinen Kompromiss mittragen, der das Pariser Klimaabkommen und unsere Klimaziele de facto aufkündigt.

Für diesen Sonntag hat Greenpeace zusammen mit anderen Umweltorganisationen zur Anti-Kohle-Demo in Berlin aufgerufen. Wollen Sie in der Kommission das erste Wort haben?

Sicher nicht. Diese Demonstration soll daran erinnern, dass sich 75 Prozent der Bundesbürger für einen Ausstieg aus der Kohle aussprechen. Und daran, dass es eine breite Zivilgesellschaft gibt, die diese Kommission kritisch-konstruktiv begleiten wird.

Glauben Sie, dass Unterstützung von Bürgern auf der Straße die Kommission vor sich hertreiben kann?

Es ist wichtig, dass die Kommission merkt, was die Leute draußen wollen. Wir brauchen diesen Druck von außen, vor allem, wenn Dinge in der Kommission schieflaufen oder während der Verhandlungen Fakten geschaffen werden sollen, die das Problem verschärfen, wie zum Beispiel neue Kohlekraftwerke oder Rodungen für Tagebaue.

Mindestens so wichtig ist aber auch, Druck auf die Bundesregierung auszuüben, denn die trifft die politischen Entscheidungen, nicht die Kommission. Die Bundesregierung muss Sofortmaßnahmen vorbereiten, um das Klimaziel 2020 zu erreichen, und sie muss parallel zur Kommission ein Klimaschutzgesetz entwickeln, das den Anforderungen von Paris entspricht. Nur was am Ende des Tages gesetzlich festgelegt ist, wird Bestand haben.

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