Ein Bündel 50-Euro-Scheine mit einer roten Schleife.
Geldgeschenke sind in der Politik nicht selten, allerdings wird in der Regel eine Gegenleistung erwartet. (Foto: Gerd Altmann/​Pixabay)

Löblich ist das Anliegen des Energie-Branchenverbandes BDEW allemal. Es gehe darum, erklärt Geschäftsführer Stefan Kapferer am heutigen Dienstag in Berlin, die "Blockaden" zwischen den beiden "Denkschulen" aufzulösen, die derzeit die CO2-Debatte bestimmten – zwischen denjenigen, die den CO2-Preis in den europaweiten Emissionshandel eingebunden sehen wollen, und denen, die den CO2-Preis, wie Kapferer formuliert, mit einem "gewissen Maß an Willkür" festlegen wollten.

Insofern sieht das vom Essener RWI-Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung erarbeitete und vom BDEW heute vorgestellte CO2-Preis-Konzept vor, den jeweiligen Preis im EU-Emissionshandel – derzeit um die 26 Euro pro Tonne – zu nehmen und als Steuer auf den Energieverbrauch in den Bereichen Wärme und Verkehr aufzuschlagen – eben den Bereichen, die nicht vom Emissionshandel erfasst werden.

Durchgerechnet hat das RWI Preisaufschläge von jeweils 25, 45 und 65 Euro je Tonne CO2. Bei 25 Euro ergäbe sich beispielsweise für den Liter Benzin ein Plus von 5,9 Cent und bei Diesel von 6,6 Cent. Insgesamt käme ein Steueraufkommen von jährlich rund 4,4 Milliarden Euro zusammen, so die bis dahin wenig überraschende Mathematik des BDEW-Vorschlags.

Rückzahlung an Bürger nur indirekt

Interessanter wird das Konzept an den Stellen, wo es um die Rückzahlung der Steuergelder an die Bevölkerung geht. Gegen das bisher präferierte Modell einer Pro-Kopf-Pauschale führt Kapferer letztlich drei Argumente ins Feld.

Zum einen, sagt er, wisse man nicht, was die Bürger mit dem erstatteten Pro-Kopf-Geld tun – ob sie weiter SUV fahren oder sich effizientere Haushaltsgeräte anschaffen.

Des Weiteren ortet der BDEW ein Bürokratiekostenproblem bei der Pro-Kopf-Pauschale. Im Unterschied etwa zur Schweiz gebe es in Deutschland nicht zwischen jedem Bürger und dem Staat eine Finanzbeziehung. Kapferer räumt zwar ein, dass jeder Bürger eine eigene Steueridentifikationsnummer hat, dennoch besteht aus seiner Sicht die Gefahr, dass die Bürokratiekosten die Erstattung "auffressen".

Das stärkste Argument, das der BDEW gegen die Pro-Kopf-Pauschale ins Feld führt, ist aber die hohe Zahl von Ein- und Zwei-Personen-Haushalten in Deutschland. In diese beiden Kategorien fallen laut Kapferer derzeit 31 Millionen der 41 Millionen Haushalte hierzulande – und der Anteil dieser kleinen Haushalte, in denen zudem immer mehr Ältere leben, werde schon aus demografischen Gründen weiter steigen.

Erneuerbaren-Branche will 60 Euro CO2-Preis

Der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) hat am Dienstag ein eigenes Konzeptpapier zur CO2-Bepreisung vorgelegt. Darin fordert der Verband unter anderem:

  • Gebäude: CO2-Preis von 60 Euro je Tonne ab 2020, Anstieg um 25 Euro alle vier Jahre, bis das Klimaziel erreicht ist
  • Verkehr: kontinuierliche Erhöhung der Treibhausgas­minderungs­quote von sechs Prozent 2020 auf 16 Prozent 2030 sowie Erhöhung des Erneuerbare-Energien-Anteils im Kraftstoffsektor auf 20 Prozent
  • Flugverkehr: dynamisch ansteigende Quote für grünes Kerosin auf Inlandsflügen bis auf 100 Prozent im Jahr 2035
  • vollständige Rückgabe der Einnahmen an Bürger und Unternehmen; Prüfung für Wirtschaft beziehungsweise Industrie, ob die Rückerstattung innerhalb der einzelnen Branchen zu einer gerechteren Verteilung der CO2-Kosten führt
  • Absenkung der Stromsteuer in Höhe der zusätzlichen CO2-Bepreisungseinnahmen

Die Erstattung pro Kopf, das zeigen auch die entsprechenden Gutachten, bevorteilt größere Haushalte. Wer zwei Kinder hat, braucht sich praktisch keine Sorgen mehr zu machen, bei einer CO2-Steuer draufzuzahlen.

Denjenigen, die mit einer Pro-Kopf-Pauschale operieren, unterstellt der BDEW-Geschäftsführer am Dienstag, darauf zu hoffen, "mit einem dicken Scheck gute Stimmung" für eine CO2-Steuer machen zu können.

Entsprechend anders sieht das Erstattungsmodell des BDEW aus. Viel von Schecks ist da nichts zu sehen, der größte Teil der Rückzahlung läuft über öffentliche Haushalte.

Zunächst soll ein Teil der Einnahmen genutzt werden, um die Stromsteuer langfristig abzusenken – bis auf das im Rahmen der EU mögliche Mindestniveau von 0,1 Cent je Kilowattstunde, wie Gutachter Manuel Frondel vom Essener RWI in Berlin erläutert.

Strom von der Steuer zu befreien und preiswerter zu machen, schlagen auch die drei Gutachten vor, die Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) Ende letzter Woche vorstellte. Quer durch die Institute ist man sich dabei einig, dass Ökostrom künftig das wichtigste Mittel sein wird, um Verkehr und Wärme zu dekarbonisieren – gegenwärtig scheitert das unter anderem daran, das Strom im Vergleich zu Öl und Gas vielfach zu teuer ist.

Einen weiteren Teil der Einnahmen will der BDEW über ein erhöhtes Wohngeld zurückgeben. Die Zahl der betroffenen Haushalte beziffert Frondel auf etwa 600.000. Diese Haushalte könnten einen, so der RWI-Mann, großzügig bemessenen Zuschlag von 50 Euro erhalten. Das würde 360 Millionen Euro jährlich kosten.

Schließlich will der BDEW einen dritten Teil der Steuereinnahmen für zusätzliche Unterkunftskosten für Transferbezieher verwenden – anders gesagt: Die öffentliche Hand bekommt mehr Geld, um die durch die CO2-Steuer steigenden Energiekosten bei Familien auszugleichen, die von Sozialgeld oder Hartz IV leben. Das kommt also in bar gar nicht bei den Haushalten an.

Eher Rentner als Pendler im Blick

Bisher von der Politik angeführte CO2-Steuer-Betroffene wie Berufspendler bleiben beim BDEW außen vor. Ihnen will Kapferer lieber Alternativen wie preiswerte kleine Elektroautos oder einen brauchbaren öffentlichen Nahverkehr ermöglichen.

Mehr Sorgen macht sich der Verband um Rentnerhaushalte, die ein Auto und eine Ölheizung haben. Letzteres sei bei Älteren stärker verbreitet, als man gemeinhin annehme, sagt Frondel.

Der RWI-Gutachter schätzt die Reaktionen der Haushalte auf Preiserhöhungen bei Energie deutlich konservativer ein als die Gutachter der Bundesumweltministerin. Einkommensschwache Haushalte würden zunächst "gar nicht reagieren", sie hätten, räumt Frondel ein, auch wenig Möglichkeiten, ihren Energieverbrauch zu reduzieren.

Aber auch andere Haushalte würden, so der Ökonom, nur auf lange Sicht ihr Investitionsverhalten ändern und sich erst bei einer ohnehin fälligen Neuanschaffung überlegen, ob sie sich ein kleineres oder ein E-Auto zulegen oder bei der Heizung auf Erdgas oder erneuerbare Wärme umsteigen.

Der geringe Einstiegspreis und die Annahmen über die geringen Einspar-Reaktionen der Haushalte haben ihre Folgen: Frondel beziffert die mit dem BDEW-Vorschlag von 25 Euro zu erzielenden Einsparungen auf 7,5 bis acht Millionen Tonnen CO2 jährlich, bei 65 Euro würden es dann 20 Millionen Tonnen sein.

Wie bei den Gutachten des Umweltministeriums ist deswegen auch beim BDEW zu lesen, dass ein CO2-Preis nur eine – wenn auch wichtige – Komponente sein kann, damit Deutschland seine Klimaziele erreicht. Zumindest in dem Punkt sind sich inzwischen alle kompromisslos einig.

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