Beim Klimaschutz zeigt sich die Koalition von CDU, CSU und SPD bisher wenig ehrgeizig, um nicht zu sagen: fossil rückwärtsgewandt. Nur an einer Stelle musste Schwarz-Rot bisher politisch ein Zugeständnis machen.
Um die verfassungsrechtlich nötige Zustimmung der Grünen zum 500-Milliarden-Sondervermögen zu bekommen, wurde im Grundgesetz ein Artikel 143h eingefügt. Laut diesem kann das Sondervermögen auch für "zusätzliche Investitionen zur Erreichung der Klimaneutralität bis zum Jahr 2045" eingesetzt werden. Die Zusätzlichkeit ist dabei gegeben, "wenn im jeweiligen Haushaltsjahr eine angemessene Investitionsquote im Bundeshaushalt erreicht wird".
Gemeint ist damit: Der Bundeshaushalt muss bereits eine angemessene Investitionsquote aufweisen und die klimaneutralen Ausgaben kommen gewissermaßen obendrauf. Diese Vorgabe sehen Umwelt- und Klimaverbände aktuell als nicht erfüllt an – auch angesichts des Entwurfs für den Bundeshaushalt 2025 sowie der Haushaltseckpunkte 2026 bis 2029. Beides hat das Kabinett bereits heute beschlossen.
Simon Wolf von Germanwatch kritisiert etwa, dass für den größten Teil des Sondervermögens Klimaschutz als Zweck nicht vorgesehen und klimaschädliche Investitionen in fossile Infrastrukturen oder Autobahnen nicht ausgeschlossen seien. "So schaffen wir die Klimaneutralität bis 2045 nicht. Das stellt sogar die Verfassungskonformität der Haushaltsplanung infrage", sagte Wolf, Bereichsleiter für deutsche und europäische Klimapolitik bei der Umweltorganisation.
Als positiv wertet Germanwatch, dass im Klima- und Transformationsfonds (KTF) weiterhin umfangreiche Gelder für klimafreundliche Gebäude und Mobilität vorgesehen sind. Dagegen sei die geplante Entlastung bei den Energiekosten keine Investition und gehöre deshalb nicht in den KTF, betonte Wolf.
Fossile Umwidmung kollidiert auch rechtlich mit Klimaneutralität
Mit der Entlastung meint Wolf auch die Absicht der Bundesregierung, die Gasspeicherumlage künftig aus dem KTF zu bezahlen. Drei Milliarden Euro hatten Haushalte und Industrie 2024 für die Umlage zur Gasspeicherung aufzubringen.
Dass so eine Umwidmung der grundgesetzlichen Klimaneutralität 2045 zuwiderläuft, hatte schon ein Rechtsgutachten gezeigt, das die Anwältin Roda Verheyen Mitte Mai im Auftrag des WWF Deutschland vorlegte.

Der KTF müsse "wesentliches Vehikel für Klimaschutz bleiben und gestärkt werden", stellt das Gutachten fest. Selbst allgemeine Infrastrukturaufgaben – etwa beim Bahnausbau – aus dem KTF zu finanzieren, sollte laut dem Gutachten auf den Prüfstand gestellt werden, ebenso die geplante Strompreiskompensation.
Die vagen Formulierungen zum Sondervermögen – auch im Koalitionsvertrag – bergen laut dem Gutachten die Gefahr, dass KTF-Mittel umgelenkt werden. Eine begründete Befürchtung, wie sich jetzt zeigt.
Dass die Klima-Entscheidungen im politischen Alltag derzeit ganz anders ausfallen, ruft die geballte Kritik von Fachleuten und Zivilgesellschaft hervor. So fordern die Klima-Allianz und die Sozialverbände Caritas und AWO gemeinsam, die Klimawirkung der geplanten Maßnahmen zu überprüfen und Investitionen in fossile Projekte auszuschließen.
"Sondervermögen muss Alltag der Menschen verbessern"
Das Sondervermögen sei mit dem Ziel beschlossen worden, dass es zum Klimaschutz beiträgt, betonte Klima-Allianz-Geschäftsführerin Stefanie Langkamp. Im Haushaltsentwurf fehle jedoch eine klare Regelung, dass die Mittel nicht in fossile Projekte wie neue Gaskraftwerke und Autobahnen fließen dürfen. Umgekehrt fehle die Möglichkeit, dass alle Gelder des Sondervermögens auch explizit für Klimamaßnahmen genutzt werden können.
Damit das Sondervermögen wirklich bei den Leuten ankomme, müsse es in Dinge investiert werden, die den Alltag verbessern – Langkamp nannte verlässlich fahrende Busse und Bahnen, gedämmte Schulen und Wohnungen sowie gut ausgebaute Wärmenetze in den Kommunen. Die Klima-Allianz hat rund 150 Mitgliedsorganisationen aus den Bereichen Umwelt, Kirche, Entwicklung, Bildung, Kultur, Gesundheit, Verbraucher, Jugend, Soziales und Gewerkschaften.
Die Sozialverbände Caritas und AWO hoben ihrerseits die Notwendigkeit hervor, den Klimaschutz gerade im Sozialbereich voranzubringen. Die Träger von Pflegestätten, Kitas und anderen sozialen Einrichtungen wollten seit Jahren ihre Gebäude sanieren, erklärte AWO-Präsident Michael Groß. Neben Klimaschutz gehe es dabei um den Schutz der Menschen etwa vor zunehmender Hitze.
Gemeinnützige Träger hätten für die dazu nötigen Investitionen nicht genug Mittel, da sie kaum Rücklagen bilden und keine Gewinne erwirtschaften dürfen. "Das Sondervermögen muss deshalb gezielt gemeinnützige Träger und Einrichtungen unterstützen", sagte Groß. Er verwies darauf, dass die Sanierung und Modernisierung den Energieverbrauch in den Einrichtungen dauerhaft reduziert, wodurch auch die Kosten für die öffentlichen Kassen sinken.
Abbau umweltschädlicher Subventionen könnte Gelder freimachen
Wie hoch der Finanzbedarf für die Klimaneutralität 2045 und die Modernisierung der Infrastruktur tatsächlich ist, zeigt unterdessen eine neue Analyse des Thinktanks Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS). Danach muss die öffentliche Hand 30 bis 90 Milliarden Euro pro Jahr für Investitionen aufwenden – also ein Mehrfaches der im KTF vorgesehenen Summe von etwa zehn Milliarden Euro jährlich bis 2035.
Die Lücke zwischen Anspruch und derzeitiger Finanzplanung sei eklatant, heißt es beim Umweltdachverband Deutscher Naturschutzring (DNR), der die FÖS-Analyse in Auftrag gegeben hat. "Die Unterfinanzierung gefährdet neben dem Erreichen der Klimaziele die nachhaltige Modernisierung unserer Volkswirtschaft und verlängert die Abhängigkeit von fossilen Autokratien", sagte Tobias Pforte-von Randow vom DNR.
Um die Modernisierung des Landes finanzieren zu können, forderte er eine grundlegende Reform der Schuldenbremse sowie den Abbau umweltschädlicher Subventionen. Letztere liegen laut Umweltbundesamt in einer Größenordnung von jährlich 65 Milliarden Euro, womit sich laut DNR bei einer Umschichtung die Öko-Investitionslücke schließen ließe.
Gemäß der FÖS-Auswertung liegt der Gesamtbedarf für Klimaschutzmaßnahmen bis 2045 je nach Studie bei 215 bis 550 Milliarden Euro pro Jahr. Zwischen 72 und 89 Prozent dieser Mittel seien aber "Sowieso-Investitionen" – etwa für Heizungen, Autos oder Stromleitungen, die ohnehin neu angeschafft oder errichtet, aber klimafreundlich gestaltet werden müssen. Die höchsten Mehrinvestitionen fallen dabei laut Analyse im Energiesektor an, gefolgt von Gebäuden und Verkehr.
Hauptautor Florian Zerzawy vom FÖS betonte: "Klimaschutzinvestitionen sind kein Luxus – sie zahlen sich aus. Sie sparen Kosten für fossile Brennstoffe, vermeiden Folgekosten für Klimaschäden und führen zu wirtschaftlichem Wachstum."