Alle im Bundestag vertretenen Parteien bekennen sich zum 1,5-Grad-Ziel des Paris-Abkommens (außer der AfD, die die Verantwortung des Menschen für den Klimawandel leugnet und in ihrem Wahlprogramm den Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen propagiert).
Das breite Bekenntnis zu dem wichtigen Klimaschutzvertrag ist gut und schön. Doch passen die Wahlprogramme von Union, Grünen, SPD, FDP und Linken auch dazu? Reichen ihre klimapolitischen Pläne aus, um die Paris-Ziele einhalten zu können? Kurz: Ist 1,5 Grad drin, wenn 1,5 Grad draufsteht?
Um diese Frage zu beantworten, haben die Klima-Allianz Deutschland, die Initiative German Zero und der Naturschutzbund Nabu die Wahlprogramme der Parteien ausgewertet und eine Art Klima-Wahlomat entwickelt, der vom heutigen Mittwoch an online ist. Unter klimawahlcheck.org können Wählerinnen und Wähler nun selber überprüfen, wer wofür steht beim Klimaschutz.
"Durch den Klimawahlcheck machen wir die klimapolitischen Ambitionen der Parteien transparent und vergleichbar, damit die Bürger:innen eine informierte Wahlentscheidung treffen können", erläuterte Christiane Averbeck von der Klima-Allianz bei der heutigen Vorstellung das Konzept des neuen Online-Tools.
Nicht zuletzt ist der Klimawahlcheck der drei zivilgesellschaftlichen Organisationen auch ein Service für die Wahlberechtigten, die nur in den seltensten Fällen die Zeit und die Muße haben, Hunderte Seiten von Wahlprogrammen zu lesen.
Insgesamt sieht Averbeck noch "erheblichen Nachholbedarf", was das 1,5-Grad-Ziel betrifft. "Es fehlt immer noch das Verständnis für die Größe des Problems", sagte Michael Schäfer vom Nabu. "Bei konkreten Vorschlägen zur Umsetzung schweigen sich die Parteien gerne aus."
Deutliche Unterschiede, kaum Überraschungen
Doch es gibt, wie der Klimawahlcheck zeigt, deutliche Abstufungen zwischen den Parteien.
Ähnlich wie beim Wahlomat der Bundeszentrale für politische Bildung wird man beim Klimawahlcheck zunächst nach der eigenen Einschätzung zu wichtigen klimapolitischen Entscheidungen gefragt – in den Bereichen Energie, Mobilität, Industrie, Gebäude, Klimagerechtigkeit und Klimaziele sowie Landwirtschaft und Artenvielfalt.
Soll eine Solarpflicht für Dächer eingeführt werden?, lautet beispielsweise eine Frage. Oder: Soll ein Neuzulassungsstopp für Verbrennungsmotoren beschlossen werden? Oder auch: Sollen die Nutztierbestände deutlich reduziert und klimaschonende Weidehaltung gefördert werden?
Die Antwortmöglichkeiten reichen von "stimme gar nicht zu" (dunkelroter Punkt) bis zu "stimme vollkommen zu" (dunkelgrüner Punkt). Anschließend erhält man einen Vergleich mit den Parteiprogrammen.
Eine Wahlempfehlung wird nicht ausgesprochen, aber man kann sehen, wo man selbst im Parteienspektrum steht – und welchen Parteien grüne, gelbe oder rote Punkte zugeordnet sind für ihre mehr oder weniger stark ausgeprägte Zustimmung respektive Ablehnung zu wichtigen klimapolitischen Maßnahmen.
Wenig überraschend gibt es die dunkelgrünen Punkte für völlige Zustimmung am häufigsten beim Wahlprogramm der Grünen – aber auch bei dem der Linken.
Bei Union und FDP häufen sich hingegen die dunkelroten Punkte für völlige Ablehnung, etwa bei der Beschleunigung des Kohleausstiegs, beim Tempolimit oder auch bei der Frage, ob Bahnfahren günstiger werden soll.
Die SPD landet in aller Regel im Mittelfeld. Nur bei einzelnen Fragen, etwa zur stärkeren Förderung von Bürgerenergie-Projekten, findet sich bei den Sozialdemokraten ein deutliches Ja, also dunkelgrün.
"Klima ist kein Gewinnerthema"
Mit ihrem Klimawahlcheck hoffen die Organisationen auch, die Bundestagswahl doch noch zu einer Klimawahl zu machen – was bislang, trotz der Flutkatastrophe vor wenigen Wochen, nicht der Fall ist.
"Wir haben nicht mehr viel Zeit, um die notwendigen Weichen zu stellen und der Klimakrise entgegenzuwirken", sagte Julian Zuber von German Zero. "Diese Bundestagswahl wird entscheidend für die Lösung der Klimakrise."
Dabei müsse Klimaschutz für alle Parteien ein wichtiges Thema sein, meinte Zuber. Schließlich sei Klimaschutz auch konservativ, da es ums Bewahren gehe. Er sei sozialdemokratisch, weil der soziale Zusammenhalt entscheidend sei. Und er sei liberal, denn es gehe darum, auch in Zukunft Freiheit und Wahlmöglichkeiten zu haben.
Bislang aber zeichnet sich noch nicht ab, dass die entsprechenden Parteien dem Klimaschutz Priorität einräumen. Er ist – immer noch – nur ein Thema unter vielen. "Klima", sagte Klima-Allianz-Geschäftsführerin Averbeck, "ist kein Gewinnerthema".
Dafür müsste es, glaubt der Arzt und Klimaaktivist Eckart von Hirschhausen, der den Klimawahlcheck unterstützt, eine neue politische Kultur geben, die die Komplexität der Probleme durchdringt. "Was fehlt, ist eine Vision: Wofür machen wir das?"