Wer den Hamburger Hauptbahnhof verlässt, könnte bald statt des aktuellen Verkehrschaos ruhige Straßen mit viel Begrünung, ordentliche Fahrradwege und maximal Tempo 30 fahrende Elektrobusse erwarten.

Denn die Hamburger Bürger:innen haben gestern mit dem "Hamburger Zukunftsentscheid" erfolgreich über ein soziales Klimaschutzgesetz abgestimmt und damit beschlossen, dass ihre Stadt 2040 klimaneutral sein soll. Bislang war 2045 das Zieljahr. 

 

Insgesamt 303.936 Hamburger:innen stimmten beim gestrigen Volksentscheid für die Änderungen des Klimagesetzes. Das sind rund 54 Prozent der Stimmen. 47 Prozent votierten gegen den "Zukunftsentscheid". Für die Annahme des Vorschlags waren insgesamt "nur" 262.000 Ja-Stimmen nötig.

"Die Initiative Hamburger Zukunftsentscheid hat auf bemerkenswerte Weise gezeigt, was durch zivilgesellschaftliches Engagement erreicht werden kann", freute sich Paula Kanzleiter von Fridays for Future. "Dass Hamburg jetzt ein ambitioniertes Klimaschutzgesetz hat, ist fantastisch und ein gutes Signal in einer Zeit, in der die Bundesregierung aktiv Klimaziele infrage stellt."

Ursprünglich hatte Fridays for Future Hamburg die Abstimmung durch ein Volksbegehren ausgelöst. Am Schluss unterstützten es über 160 unterschiedliche Organisationen. Neben Umweltverbänden wie dem BUND und Greenpeace traten auch die Gewerkschaft Verdi und der Fußballclub St. Pauli der Initiative bei.

Drei Forderungen für die Zukunft

Nun müssen der Senat und die Bürgerschaft das Hamburger Klimagesetz ändern. Das per Volksentscheid zur Abstimmung gestellte Gesetz tritt einen Monat nach der Feststellung des endgültigen Wahlergebnisses in Kraft.

Das angenommene Klimaschutzverbesserungsgesetz erfasst nicht alle Treibhausgase, sondern "nur" das wichtigste, das CO2. Gegenwärtig stößt das Land Hamburg im Jahr mehr als elf Millionen Tonnen Kohlendioxid aus, das sind etwa zwei Prozent der bundesweiten CO2-Emissionen.

Die Emissionen stammen in Hamburg zu etwa je einem Viertel aus Industrie, Verkehr, privaten Haushalten sowie dem Bereich Gewerbe, Handel und Dienstleistungen – letzterer liegt dabei leicht unter dem 25-Prozent-Anteil, während die Industrie etwas darüber liegt.

Auch der Hamburger Klimaplan, der konkrete Reduktionsziele und Maßnahmen zum Einhalten der Klimaziele festhält, muss angepasst werden. Allerdings erst in zwei Jahren, wenn er ohnehin überarbeitet wird.

Fridays-for-Future-Demo 2021 in Hamburg: Sind die Klimaziele doch noch erreichbar? (Bild: Jonathan Knodel/FFF Deutschland/Flickr)

Konkret stellte der "Hamburger Zukunftsentscheid" drei Forderungen: Klimaneutralität für Hamburg bis 2040, Planbarkeit und Transparenz sowie Sozialverträglichkeit beim Erreichen dieser Ziele.

Um Transparenz und Planbarkeit der gesetzten Ziele zu gewährleisten, sind in dem Gesetzesvorschlag der Initiative verbindliche CO2-Emissionsbudgets für die Jahre 2026 bis 2040 festgelegt.

Jeweils sechs Monate nach Jahresende sollen die Behörden dem Senat dann eine sogenannte CO2-Schätzbilanz vorlegen. Diese soll darlegen, ob die vorgegebenen Ziele erreicht wurden. Ist das nicht der Fall, muss der Senat zeitnah Maßnahmen beschließen, um die Überschreitungen auszugleichen. Die erste solche Schätzbilanz wird entsprechend Ende Juni 2026 fällig sein.

Diese Änderung macht die Hamburger Klimaziele um einiges verbindlicher, denn bisher existierten derartige Reduktionsziele lediglich für die Jahre 2030 und 2045. Zudem wurden die CO2-Emissionen des letzten Jahres erst nach 15 bis 18 Monaten veröffentlicht. Ein gezieltes Nachsteuern war so kaum noch möglich.

Zudem sollen die Kosten für die Umstellung im Sinne der Sozialverträglichkeit nicht vollständig etwa an die Mieter:innen weitergereicht werden. Um dies zu ermöglichen, sollen die Vermieter:innen durch Förderprogramme entlastet werden.

"Wer sich gar nicht erst Ziele setzt, kommt nie an"

Wie realistisch diese Pläne sind, prüften kürzlich das Öko-Institut und das Hamburg-Institut in einem Gutachten. Ihr Schluss: Ein Vorziehen des CO2-Neutralitätsziels auf das Jahr 2040 würde erhebliche Zusatzanstrengungen bedeuten, die je nach Ausgestaltung zu spürbaren Mehrbelastungen für private Haushalte, Unternehmen und den Landeshaushalt führen.

Die nötigen Maßnahmen teilten die Gutachter:innen in die Sektoren Verkehr, private Haushalte, Industrie und Gewerbe auf.

Der zentrale Hebel, um die Emissionen im Straßenverkehr zu senken, ist demnach die Elektrifizierung aller Fahrzeuge. Dafür sollte vor allem ein flächendeckendes Netz von Ladestationen aufgebaut werden.

Zudem fordert das Gutachten den Ausbau des ÖPNV wie den Hamburg-Takt, die U‑Bahn- und S‑Bahn-Projekte, besser ausgebaute Radwege, Carsharing-Angebote sowie die Einführung der Regelgeschwindigkeit innerorts auf Tempo 30 für die ganze Stadt. 

Entscheidend für das Erreichen der Klimaneutralität für Privathaushalte: Bis 2040 müssten alle Gas- und Ölkessel in Wohn- und Nichtwohngebäuden ausgetauscht werden.

Zudem muss das Fernwärmenetz schneller ausgebaut werden. 

Auch im Wohnungsbau müsste die Sanierung erheblich beschleunigt und der Einbau von erneuerbar betriebenen Heizsystemen wie Wärmepumpen schon jetzt stärker vorangetrieben werden.

 

"Klimaneutralität in Hamburg bis 2040, das ist sportlich, das ist ein Marathonlauf", kommentierte Sabine Sommer, Landesvorsitzende des Umweltverbands BUND. "Doch wer sich gar nicht erst Ziele setzt, kommt selbst 2080 noch nicht an." 

Das zeigt das Beispiel Kopenhagen, wo sich die Stadtgesellschaft das Ziel gesetzt hatte, 2025 klimaneutral zu werden. Das wurde zwar nicht vollständig erreicht, aber dank dieser Zielsetzung ist Kopenhagen heute näher an der Klimaneutralität als jede andere europäische Metropole. 

"Kopenhagen beweist: Nur wer ambitioniert denkt und handelt, schafft Durchbrüche", so Sommer. "Genau diesen Mut und diese Entschlossenheit braucht Hamburg jetzt."

Lesen Sie dazu unseren Kommentar: Das Hamburger Klima ist gut