Anton Hofreiter und Katrin Göring-Eckard (mit Helm) schieben Fahrräder durch eine Menschenmenge
Die Grünen-Fraktionschefs auf dem Fahrrad: Anton Hofreiter und Katrin Göring-Eckardt. (Foto: Bundestagsfraktion Bündnis 90/​Die Grünen/​Flickr)

Die Grünen wollen das Grundgesetz ändern. Sie fordern, dass Klimaschutz darin explizit als Staatsziel genannt wird. Nach ihrem Gesetzentwurf, der heute erstmals im Bundestag besprochen wurde, soll der Artikel 20a dann nicht nur den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen und den Tierschutz vorschreiben, sondern auch, dass "völkerrechtlich verbindliche Ziele und Verpflichtungen des Klimaschutzes alle staatliche Gewalt unmittelbar binden".

Die Änderung des Artikels 20a ist das Kernstück des Gesetzentwurfs, zugleich wollen die Grünen aber weitere Änderungen am Grundgesetz vornehmen. Verbrauchssteuern sollen ausdrücklich auch auf Gemeingüter erhoben werden können, die gar nicht gehandelt werden. Das soll ausschließen, dass eine CO2-Steuer an kleinlichen Debatten um Definitionen scheitert, weil das Treibhausgas nicht auf dieselbe Art "verbraucht" wird wie Bier, Strom oder Zigaretten.

Außerdem soll Klimaschutz auf die Liste der konkurrierenden Politikfelder geschrieben werden. Das sind jene, in denen der Bund zuständig ist – und Länder nur dann Gesetze erlassen dürfen, wenn Berlin nicht tätig wird. So wollen die Grünen sicherstellen, dass allen klar ist, wer welche Aufgaben hat.

Als viertes und letztes wollen die Grünen den Atomausstieg ins Grundgesetz aufnehmen, damit kommende Regierungen nicht ihn nicht so einfach kippen können – möglicherweise sogar im Namen des Klimaschutzes.

Grüne versprechen "Klarheit und Planungssicherheit"

"Die Klimakrise ist nichts Abstraktes, was irgendwo weit weg passiert", sagte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter am Nachmittag im Bundestag. "Doch wo bleiben die politischen Konsequenzen, um diese Krise zu bekämpfen? Wo der Krisengipfel, wo das Rettungsprogramm für unser Klima und unsere Lebensgrundlagen?" Die Verankerung des Klimaschutzes im Grundgesetz werde zu "Klarheit und Planungssicherheit" führen, argumentierte Hofreiter, und so dabei helfen, die Klimaziele zu erreichen.

Unterstützung bekommen die Grünen von der Linksfraktion, ansonsten herrscht Gegenwind. Für den Antrag sieht es damit schlecht aus: Zwei Drittel der Abgeordneten müssen sowohl im Bundestag als auch im Bundesrat zustimmen, wenn das Grundgesetz geändert werden soll. Jetzt wandert der Gesetzentwurf aber erst mal in einen Bundestagsausschuss, bis er zu einer zweiten und dritten Lesung mit Abstimmung wieder im Plenarsaal landet.

Was die Aufnahme des Klimaschutzes ins Grundgesetz bewirken würde, ist umstritten. Juristen meinen: Eigentlich verpflichtet das Grundgesetz Deutschland auch jetzt schon zum Klimaschutz. "Es ist schon jetzt herrschende juristische Meinung, dass der Artikel 20a selbstverständlich auch den Klimaschutz umfasst", sagt die auf Umweltfragen spezialisierte Rechtsanwältin Cornelia Ziehm im Gespräch mit Klimareporter°. "Eine ausdrückliche Erwähnung des Klimaschutzes kann die Verpflichtung aber natürlich sämtlichen politischen Ebenen noch einmal besonders deutlich vor Augen führen."

"Ein Staatsziel Klimaschutz ist witzlos"

Das ist es auch, was die Grünen sich erhoffen, die in ihrem Gesetzentwurf selbst erwähnen, dass auch für sie der Klimaschutz schon im jetzigen Artikel 20a enthalten ist. Aber: "Die Dringlichkeit des Problems erfordert es, eine solche grundlegende Konkretisierung festzulegen, und dies auf Ebene der Verfassung selbst", schreiben sie.

Der Umweltjurist Felix Ekardt von der Forschungsstelle Nachhaltigkeit und Klimapolitik in Leipzig findet das Herangehen der Grünen dagegen sogar hinderlich. "Der Grünen-Vorstoß ist kontraproduktiv, denn er lenkt von den bereits bestehenden und stärkeren Verpflichtungen ab", sagt Ekardt gegenüber Klimareporter°.

Es geht ihm darum, dass Artikel 20a zwar zu den Staatszielen gehört, nicht aber zu den Grundrechten, die tatsächlich einklagbar sind. Vor allem bei denen sollte man Ekardt zufolge ansetzen, um Klimaschutz auf juristischem Wege zu erreichen. "Ein Staatsziel Klimaschutz ist witzlos, weil Staatsziele den Staat zu fast nichts verpflichten und nicht einklagbar sind", so der Jurist.

"Es gibt bereits heute Klimaschutzverpflichtungen aus den Grundrechten auf Leben, Gesundheit, Existenzminimum und Eigentum im deutschen und europäischen Verfassungsrecht", erläutert Ekardt. "Und die sind einklagbar und inhaltlich weitergehend als ein Staatsziel."