Verdi-Mitglieder auf einer Gewerkschafts-Demonstration im Rheinland.
Verdi-Plakate auf der Demonstration am vergangenen Mittwoch verglichen Hambacher-Forst-Aktivisten mit Reichsbürgern. (Foto: Susanne Götze)

Verstörende Plakate mit der Aufschrift "Aktivisten im Hambacher Forst: Reichsbürger mit Rastas" waren auf der Großdemonstration der Bergleute des Rheinischen Reviers Mitte vergangener Woche in Bergheim zu sehen. Für besondere Empörung sorgte dabei das Gewerkschaftslogo, das groß auf den Schildern prangte – das der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi.

Geistiger Urheber des Vergleichs ist offensichtlich ein Kommentar der FAZ, der – Mitte September veröffentlicht – unter der Überschrift "Wie Reichsbürger mit Rastas" den Widerstand in die Nähe militanter Steinewerfer rückte und den Aktivisten den "Rat" gab, doch einfach einen neuen Wald zu pflanzen.

Schon während und unmittelbar nach der Pro-Kohle-Kundgebung gab es in den sozialen Netzwerken jede Menge Kritik an dem diffamierenden Schild, das – so lässt jedenfalls das Logo vermuten – von Verdi-Mitgliedern zur Demo mitgebracht worden war. Der Fachbereich Ver- und Entsorgung der Dienstleistungsgewerkschaft war neben der Kohlegewerkschaft IG BCE offizieller Mitorganisator der Demonstration, an der sich vor allem RWE-Mitarbeiter beteiligten.

Schließlich veröffentlichte die Bezirkskommission der Selbstständigen im Verdi-Bezirk Köln-Bonn-Leverkusen Ende vergangener Woche ein Schreiben, in dem sie sich gegen "diffamierende und beleidigende Plakate mit Verdi-Logo" bei der Demo am 24. Oktober in Bergheim-Elsdorf ausspricht.

Der Kölner Gewerkschafterin Kathy Ziegler, Mitglied der Selbstständigen-Kommission und Initiatorin des Schreibens, hatte das "unsägliche Plakat" keine Ruhe gelassen, wie sie gegenüber Klimareporter° sagt. Ihrem Vorschlag hätten die anderen Mitglieder der Kommission auch sogleich zugestimmt.

Die Aktivisten im Hambacher Forst, argumentiert das Gremium in dem Schreiben, hätten im Rahmen der demokratischen Ordnung protestiert, zivilen Ungehorsam ausgeübt und sich gegen die Rodung des Waldes und für einen schnellen Kohleausstieg eingesetzt. Diese Menschen hätten mit Reichsbürgern "nicht das Geringste gemein", heißt es weiter. Die Klimabewegten in der Gewerkschaft engagierten sich nicht gegen die RWE-Mitarbeiter, "sondern für den Klimaschutz, der uns alle betrifft".

Distanzieren ja, diskutieren nein

Verlangt wurden schließlich eine Stellungnahme der Verdi-Landesleitung Nordrhein-Westfalen zu den Plakaten und ein "Aktionsplan für einen konstruktiven Dialog" zwischen den verschiedenen Positionen innerhalb der Gewerkschaft.

Was den Dialog betrifft, stellt die inzwischen vorliegende Stellungnahme des Verdi-Landesbezirks Kathy Ziegler und ihre Mitstreiter nicht zufrieden. In einer "Bekanntmachung" distanziert sich der Landesbezirk NRW zwar von den Plakaten, "da wir die Inhalte und Vergleiche menschenverachtend und ekelhaft finden", und spricht sich dafür aus, den Strukturwandel "schnellstmöglich zu vollziehen" – unter Berücksichtigung der Sozialverträglichkeit, der Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit von Energie. Allerdings findet sich die Forderung der Selbstständigen nach einem "konstruktiven Dialog" innerhalb von Verdi nicht in der Erklärung wieder.

Schon bei der jüngsten Konferenz des Verdi-Bezirks Köln-Bonn-Leverkusen am 6. Oktober sei eine Debatte um den Kohleausstieg mit dem für Energie zuständigen Bereich Ver- und Entsorgung nicht möglich gewesen, weil dieser nicht anwesend war, beklagt Kathy Ziegler.

Kathy Ziegler lächeln bei einer Konferenz auf dem Podium am Mikrofon.
Die Gewerkschafterin Kathy Ziegler will bei Verdi einen Dialog zwischen den unterschiedlichen Positionen zum Kohleausstieg anstoßen. (Foto: Paulo dos Santos/​nrw.verdi.de)

Die auf der Konferenz beschlossene Solidaritäts-Resolution für den friedlichen Widerstand am Hambacher Forst hat der Landesbezirk übrigens in seiner jetzigen "Bekanntmachung" fast wortwörtlich aufgegriffen – gestrichen wurde nur, und das sicher nicht ganz zufällig, die Aufforderung, die Signale der Demonstrationen im Rheinischen Revier bei Verdi aufzugreifen und zu diskutieren.

Nicht nur bei den Inhalten gibt es offenbar noch viel Klärungsbedarf in der Dienstleistungsgewerkschaft. So klingt die Behauptung von Verdi NRW, die "Reichsbürger"-Plakate seien von Verdi "weder frei- noch in Auftrag gegeben" worden, nicht besonders glaubwürdig: Für Beobachter ist klar, dass die kritisierten Plakate nicht handgemalt waren oder heimlich mit dem Verdi-Logo ausgestattet wurden.

Innerhalb von Verdi NRW soll deswegen schon eine hektische Suche nach den Verantwortlichen laufen, die für den Druck des Plakats gesorgt haben.

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