Gero Lücking. (Foto: Amac Garbe)

Immer wieder sonntags: Unsere Herausgeber erzählen im Wechsel, was in der vergangenen Woche wichtig für sie war. Heute: Gero Lücking, Geschäftsführer für Energiewirtschaft beim unabhängigen Ökostrom-Anbieter Lichtblick.

Klimareporter°: Herr Lücking, nach der jüngsten Reform des EU-Emissionshandels könnte es sich für Privatanleger lohnen, selbst CO2-Zertifikate zu erwerben und in ein paar Jahren wieder zu verkaufen. Und zwar für den Klimaschutz wie für den eigenen Geldbeutel. Haben Sie selbst schon mal überlegt, zuzugreifen?

Gero Lücking: Nein, das habe ich, ehrlich gesagt, noch nie in Betracht gezogen. Ich bin kein Aktienhändler oder Spekulant. Solche Geschäfte, so lukrativ sie im Moment auch erscheinen mögen, gehen dann nämlich kräftig in die Hose, wenn die Preise – aus welchen Gründen auch immer – wieder fallen. Auch wenn ich mich beruflich mit Preisentwicklungen und Marktprognosen beschäftige – privat wetten, das mache ich nicht.

Immer mehr Solarfirmen müssen in Deutschland ihre Produktion einstellen. Sollte die Regierung eingreifen oder ist es letztlich für den Klimaschutz egal, woher die Solarmodule auf den deutschen Dächern kommen?

Lichtblick unterstützt die Safe-Initiative. Safe steht für Solar Alliance for Europe. Verschiedene in der Solarbranche tätige und sich der Energiewende verpflichtet fühlende Unternehmen haben sich zusammengetan, um gegen Handelsbeschränkungen, Einfuhrzölle oder Mindestpreise für Solarmodule Stellung zu beziehen.

Seit 2013 gelten in Europa Handelsbeschränkungen für die Einfuhr chinesischer Solarmodule. Das hat zur Folge, dass die Preise für Solarmodule praktisch unverändert hoch geblieben sind, obwohl die Fertigungskosten in Europa um 35 bis 48 sanken. Das verteuert die Energiewende in unnötiger Art und Weise.

Die Solarenergie spielt eine zentrale Rolle für die Energiewende und die künftige Energieversorgung. Wir brauchen den kontinuierlichen Ausbau der Photovoltaik zu möglichst günstigen Kosten. Handelsbeschränkungen, Mindestpreise oder Strafzölle sind dafür kontraproduktiv.

Unternehmen in Deutschland können Mengeneffekte, Fertigungsvorteile und die damit verbundenen Kostenreduktionen im Vergleich zu Anbietern aus Asien offenbar nicht erreichen. Insofern sollte sich jeder auf seine Stärken konzentrieren und nicht Zielen hinterherlaufen, die im internationalen Wettbewerb leider nicht erreichbar scheinen.

Und was war Ihre Überraschung der Woche?

Der neue Abgastest WLTP für konventionell angetriebene Autos bringt die gesamte Autobranche in Schwierigkeiten. Seit vier Jahren war bekannt, dass der neue Test kommt, doch er wurde nicht rechtzeitig implementiert. Die Branche hatte wohl auf den Erfolg ihrer geballten Lobbyistenmacht vertraut und gehofft, den neuen, realistischeren Test noch abwenden zu können. Das ist offenbar kräftig schiefgegangen. Ganze Modellpaletten und Baureihen können nicht mehr verkauft werden.

Jetzt hat es also auch die Autoindustrie erwischt. Ähnlich wie bei Innogy. Die Stromtochter des Braunkohlekonzerns RWE wird zwar gemeinhin als "Ökostromtochter" tituliert, aber sie kann nur drei Prozent Ökoenergie-Anteil in ihrem Strommix vorweisen.

Die PR-Strategen waren erfolgreich, aber die Produkte halten nicht annähernd das, was versprochen oder zumindest suggeriert wird. Die Autoindustrie nimmt Produkte dieser Art lieber direkt aus den Regalen, als dass sie sich die Blöße gibt, sagen zu müssen, was laut WLTP wirklich drin ist.

Fragen: Benjamin von Brackel

Anzeige