Sebastian Sladek. (Bild: Bernd Schumacher)

Immer wieder sonntags: Die Mitglieder unseres Herausgeberrats erzählen im Wechsel, was in der vergangenen Woche wichtig für sie war. Heute: Sebastian Sladek, geschäftsführender Vorstand der Elektrizitätswerke Schönau (EWS).

Klimareporter°: Herr Sladek, die neue Bundesministerin für Wirtschaft und Energie heißt Katherina Reiche. Zuvor war sie Staatssekretärin, Chefin des Verbands kommunaler Unternehmen, der rund 1.500 Stadtwerke vertritt, und seit 2020 Vorstandsvorsitzende des Energieversorgers Westenergie, einer Eon-Tochter.

Was sind Ihre Erwartungen an die Ministerin?

Sebastian Sladek: Als Wirtschaftsministerin bringt Katherina Reiche zweifellos energiewirtschaftliche Kompetenz mit. Ihre langjährige Erfahrung als Chefin des Verbandes kommunaler Unternehmen und als Vorstandsvorsitzende von Westenergie macht sie zu einer Expertin, die mit den konkreten Herausforderungen der Branche bestens vertraut ist.

Bei den ursprünglich für diesen Posten gehandelten Personen war das definitiv nicht der Fall. Ich bin daher erstmal verhalten optimistisch gestimmt.

Entscheidend wird aber sein, ob sie unabhängig von ihren bisherigen Rollen agieren kann und auch die Anliegen kleinerer und mittelständischer Akteure aus der Bürgerenergie berücksichtigen wird.

Ich erwarte von Reiche, dass sie als Wirtschaftsministerin für faire und verlässliche Rahmenbedingungen für alle Marktteilnehmer eintritt. Die große Akteursvielfalt im deutschen Strommarkt ist ein Garant für Wettbewerb. Genossenschaften bilden ebenso wie viele kommunale Unternehmen das Rückgrat einer dezentralen, nachhaltigen Energieversorgung.

Auch wenn die neue Ministerin viel Expertise mitbringt, wird es darauf ankommen, wie schnell sie die Baustellen der Energiewende – Strommarktdesign, Wärmewende, Finanzierung der Erneuerbaren – wirklich angeht und ob sie dabei das enorme Potenzial der Bürgerenergie voll abruft.

Sorgen bereiten mir ihre bisherigen Positionen, wenn es um Technologieoffenheit und Kapazitätsmarkt geht. Hier besteht unter anderem die Gefahr, dass einmal mehr große Konzerne auf Kosten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler bevorzugt werden.

Claudia Kemfert kritisiert, dass der Klimaschutz aus dem Wirtschaftsressort herausgenommen und wieder dem Umweltministerium zugeordnet wird. Die Transformation der Wirtschaft sei eine zentrale Aufgabe, argumentiert die Energieökonomin.

Andere sehen den Klimaschutz als eigenständiges Politikfeld im Umweltressort viel besser aufgehoben. Wie ist Ihre Sicht darauf?

Beim Klimaschutz geht es darum, unsere natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen, wirtschaftlichen Wohlstand zu sichern und allen Menschen das Mitgestalten am Wandel zu ermöglichen. Die Art und Weise, wie wir Energie produzieren und verbrauchen, ist damit eng verbunden.

Insofern war es richtig und wichtig, Wirtschaft und Klima unter der Ampel-Regierung in einem Ressort und beim Vizekanzler anzusiedeln, zumal die größten Emissionsrückgänge dank des starken Ausbaus der Erneuerbaren im Energiesektor stattfinden.

Dass der Klimaschutz wieder zurück ins Umweltministerium geschoben wird, lässt sich als Zeichen lesen, wie wenig Bedeutung die neue Bundesregierung dem Thema beimisst.

Klar ist aber auch: Klimaschutz ist ein Querschnittsthema. Deswegen müssen alle Ressorts ihren Teil zur Reduktion der Emissionen beitragen. Die Verantwortung liegt bei der gesamten Bundesregierung!

Damit wir unsere Klimaziele für 2030 tatsächlich einhalten, muss der Verkehrsbereich endlich mit nachhaltigen Mobilitätslösungen und bei der E‑Mobilität vom Fleck kommen. Auch im Gebäudebereich läuft es noch zu schleppend.

Spannend wird es am 15. Mai, wenn der Expertenrat für Klimafragen seinen neuen Prüfbericht vorlegt. Kommt er zu dem Schluss, dass Deutschland sein Emissionsbudget zum zweiten Mal in Folge überschreitet, müssen insbesondere die zuständigen Bundesministerien bis August neue Maßnahmen vorlegen.

Allein schon deswegen wird die neue Bundesregierung nicht an der Tatsache vorbeikommen, dass Klimaschutz kein Thema für ein einzelnes Ressort ist.

Bis 2045 ließen sich bei der Energiewende bis zu 700 Milliarden Euro einsparen, verkündete kürzlich eine Alalyse des Energiekonzerns EnBW und des Beratungsunternehmens Aurora Energy Research. Doch dafür liefern die Autoren keinen nachvollziehbaren Beleg, kritisiert unser Autor Tim Meyer.

Die Frage bleibt aber: Wie kann die Energiewende effizienter und für den Staat wie die Verbraucher preiswerter werden?

Voller Verdruss haben mich die Aussagen einiger Akteure aus der Energiewirtschaft zu einem sogenannten "Neustart der Energiewende" zurückgelassen. Als ob wir in Deutschland mit der Energiewende gescheitert wären.

Den EnBWs und Eons geht es bei diesem Vorstoß darum, unter dem Deckmantel der Kosteneffizienz ihre eigenen Geschäftsmodelle zu stärken und kleinere Wettbewerber aus dem Markt zu drängen.

Würden wir die Forderungen eins zu eins erfüllen, wären dezentrale Energiewendekonzepte und auch die Bürgerenergie die Leidtragenden. Die Konsequenz wäre kein Neustart, sondern ein Rollback in die Zeiten der Großkonzern-dominierten, zentralistischen Energieversorgung.

Klar ist, dass wir die Kosteneffizienz der Energiewende weiter verbessern können. Daher haben wir gemeinsam mit anderen Ökostromern kürzlich ein Papier vorgelegt, wie wir mit weiterentwickelten Rahmenbedingungen die Energiewende zum Erfolg bringen können.

"Durchstarten statt Neustart" haben wir das Papier genannt. Die neue Regierung muss jetzt endlich die Fesseln für die Entwicklung zu einem Strommarktsystem der Zukunft lösen. Nur so können wir das Ziel der Klimaneutralität erreichen.

Wenn ich mir den Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD anschaue, sehe ich bei der Energiewende zum Glück keine grundsätzliche Kehrtwende, wie es besonders von Teilen der Union im Wahlkampf angekündigt wurde.

 

Gleichwohl sehe ich viele Lippenbekenntnisse. Ja, es ist gut, dass sich eine deutsche Bundesregierung zu den Klimazielen bekennt. Aber wenn keine konkreten Maßnahmen darauf einzahlen, macht man sich in diesem Politikbereich schnell unglaubwürdig.

Dabei sind im Koalitionsvertrag durchaus sinnvolle Entlastungen vorgesehen, zum Beispiel bei den Stromnebenkosten. Der staatliche Anteil am Strompreis macht immer noch knapp 30 Prozent aus und muss dringend reduziert werden, um Unternehmen und Haushalte zu entlasten und um strombasierte Technologien wie Wärmepumpen und E‑Autos attraktiver zu machen.

Man kann der künftigen Regierung nur an die Hand geben, die vorgeschlagenen Maßnahmen zur Senkung der Stromsteuer und der Deckelung der Netzentgelte zügig einzuleiten und dabei die Gegenfinanzierung nicht aus den Augen zu verlieren.

Für eine effizientere, preiswertere Energiewende braucht es darüber hinaus nun vor allem Verlässlichkeit und Planungssicherheit für investierende Unternehmen sowie eine hohe Akzeptanz in der Bevölkerung. Um das zu erreichen, muss sich die künftige Regierung an fünf Leitplanken orientieren.

Erstens muss der Ausbau der Erneuerbaren sinnvoll weiterentwickelt werden. Dazu gehört, die Fördersystematik entlang bestehender EU-Vorgaben zu gestalten sowie Direktvermarktung und Power Purchase Agreements zu stärken.

Zweitens ist die Bürgerenergie zu stärken. Es braucht funktionierende Rahmenbedingungen für das Energy Sharing. Wir haben das immer wieder angemahnt, jetzt muss es endlich passieren.

Drittens muss die Energieeffizienz als tragende Säule der Energiewende etabliert werden. Das ginge zum Beispiel mit der Einführung einer steuerlichen Prämie, die gezielt Unternehmen und Haushalte bei Investitionen in effizientere Technologien unterstützt.

Viertens sind mutige, zukunftsorientierte Schritte bei der Reform des Strommarktdesigns notwendig. Sowohl eine Anpassung der Strompreiszone als auch eine umfassende Reform der Netzentgeltsystematik hin zu dynamischen Netzentgelten können hier wichtige Bausteine sein.

Fünftens braucht es für dekarbonisierte Wärmetechnologien wie Wärmepumpen und Wärmenetze bessere Finanzierungsbedingungen. Dazu wäre die Einführung eines bundesweiten staatlichen Bürgschaftsprogramms für Wärmenetze ein wichtiger Schritt. Das könnte die hohen Finanzkosten in diesem Bereich senken und zu preiswerteren Angeboten beitragen.

 

Und was war Ihre Überraschung der Woche?

Das war eine wirklich außergewöhnliche Woche – Kanzlerwahl und Papstwahl im Abstand von zwei Tagen erlebt man nicht so häufig.

Natürlich muss ich das überraschende Scheitern von Friedrich Merz im ersten Wahlgang hervorheben. Dass der Kanzlerkandidat keine Beliebtheitsrekorde aufstellt, war ja allgemein bekannt, aber dass das selbst für seine eigene Koalition gilt, hätte ich in dieser Deutlichkeit nicht erwartet.

Ich will nicht spekulieren, wer ihm da aus welchen Motiven die Gefolgschaft verweigert hat. Die Ereignisse zeigen jedoch im Kleinen auf, was im Großen gilt: Spielen zu viele ihre eigenen politischen Spielchen, scheitert das gesamte Projekt – und am Ende freuen sich nur die Rechtsextremen, die das System der regelbasierten parlamentarischen Demokratie scheitern sehen wollen.

So ist dieser peinliche Fehlstart nicht nur ein Warnschuss an den neuen Kanzler, besser demokratische Allianzen zu schmieden als Alleingänge zu wagen, sondern auch an die Regierungsfraktionen: Der Wahlkampf ist vorbei, jetzt ist konstruktive politische Arbeit gefragt.

Die Aufgaben sind groß, und Instabilität können wir uns in der gegenwärtigen Weltlage nicht erlauben.

Fragen: Jörg Staude