Ein paar neue Windräder und ein Elektro- statt Dieselmotor unter der Haube, das ist es nicht, was sich Lorenz Gösta Beutin unter einer "echten Klimawende" vorstellt. Eine sozial-ökologische Klimawende bedeutet für den Linken-Politiker "nicht weniger als einen grundlegenden Systemwechsel".
Im neuen Bundestag leitet der 46-jährige Schleswig-Holsteiner den Umwelt- und Klimaausschuss. Sein Mandat sieht er dabei nicht als Selbstzweck: Er wolle Politik anders machen und an der Seite der Menschen für echte Veränderung kämpfen. Obgleich er seine Funktion als Ausschussvorsitzender natürlich, wie Beutin beteuert, mit der gebotenen Neutralität ausfüllen werde.
Dialogformate wie der Tag der Klimademokratie seien wichtig, um politische Entscheidungen nicht allein von Konzerninteressen definieren zu lassen, erklärt Beutin. Schiebt aber nach: "Wir beobachten seit Jahren, dass kein Mangel an Wissen besteht: Viele Politikerinnen und Politiker sind sich der Problematik sehr wohl bewusst."
Dennoch ändere sich sehr wenig. Es sei deshalb wichtig, über den parlamentarischen Diskurs hinauszugehen und sich breit zu organisieren.
Beutin lebt in Kiel, kandidierte aber im Wahlkreis Flensburg-Schleswig. Ebenso wie der ehemalige Wirtschaftsminister Robert Habeck von den Grünen musste er sich im Kampf um das Direktmandat der CDU-Politikerin Petra Nicolaisen geschlagen geben. Der Einzug in den Bundestag war ihm auf Landeslistenplatz eins dennoch sicher.
Es ist die zweite Runde, die Beutin im Parlament dreht. Schon während der letzten vier Merkel-Jahre, von 2017 bis 2021, vertrat er als klima- und energiepolitischer Sprecher die Linksfraktion.
"Keiner unserer Kämpfe ist vergebens"
Der Fokus auf Klimapolitik ergibt sich nicht zwangsläufig aus Beutins Biografie. Zur Jahrtausendwende begann er in Hamburg ein Studium der Geschichte, Politik und Germanistik. Das Studium finanzierte er sich mit Nebenjobs, etwa in der Archivarbeit oder als Sicherheitskraft in einem Pflegeheim.
Als klimapolitischer Sprecher seiner Fraktion habe er wieder an seine politischen Anfänge angeknüpft, erklärt Beutin. Als Jugendlicher war er in der Jugendgruppe des Umweltverbandes BUND "Milane" aktiv und hat 1996 eine Ortsgruppe der Grün-Alternativen Jugend mitaufgebaut.
Nur wenige Jahre später dann der Bruch mit den Grünen. Mit der Regierungsbeteiligung im Kabinett Schröder hätten die Grünen zentrale Werte aufgegeben, wie "den Pazifismus oder das Ziel einer sozial gerechten Gesellschaft", erinnert er.
Ab 2000 folgten dann Mitgliedschaften in der PDS, der SPD-Linksabspaltung WASG und schließlich dem Fusionsprodukt der beiden, der Linken. Ganz aus den Augen hat er den Umwelt- und Klimaschutz dabei nie verloren.
Aus Parteikreisen grummelte es das ein oder andere Mal, dass Beutin seiner Partei – vor dem Austritt des Wagenknecht-Flügels – "zu grün" gewesen sei.
Durch die Schlagzeilen flackerte Beutins Name 2021, als ihn das Amtsgericht Recklinghausen wegen Hausfriedensbruchs zu einer Geldstrafe verurteilte. Er hatte eine Protestaktion von Klimaaktivist:innen auf dem Gelände des Steinkohlekraftwerks Datteln als parlamentarischer Beobachter begleitet.
Da ist sie wieder, die außerparlamentarische Bewegung, deren Bedeutung Beutin stets hochhält. Wer etwas grundlegend ändern wolle, müsse die Gegenkräfte stärken, und dazu gehörten auch Aktionen des zivilen Widerstandes, sagt er. "Auch wenn es um unsere Sache gerade nicht gutsteht, es ist notwendig, für Klimagerechtigkeit zu kämpfen. Und keiner unserer Kämpfe ist vergebens." (dz)
Tag der Klimademokratie
Ein Bündnis aus mehr als 100 Verbänden und Initiativen ruft für den 14. Juni zum dritten Tag der Klimademokratie auf. Unter dem Motto "Hallo Bundestag, wir müssen reden!" laden sie alle Bundestagsabgeordneten der demokratischen Fraktionen sowie Bürger:innen zum größten Klimadialog des Jahres ein. Jeweils eine Politiker:in tauscht sich mit einer Gruppe von Bürger:innen aus. Die Gespräche stehen allen Interessierten offen. Initiiert wird der Tag von den Organisationen Bürgerlobby Klimaschutz, German Zero und Together for Future. Klimareporter° ist Medienpartner des Tages der Klimademokratie 2025.