Porträtaufnahme von Ralf Schmidt-Pleschka.
Ralf Schmidt-Pleschka. (Foto: Lichtblick)

Immer wieder sonntags: Die Mitglieder unseres Herausgeberrates erzählen im Wechsel, was in der vergangenen Woche wichtig für sie war. Heute: Ralf Schmidt-Pleschka, Koordinator für Energie- und Klimapolitik beim Hamburger Ökostrom-Anbieter Lichtblick.

Klimareporter°: Herr Schmidt-Pleschka, schon in dieser Woche soll es im Wirtschafts- und Klimaministerium die erste Verbändeanhörung mit der Erneuerbaren-Branche gegeben haben. Worum ging es da und wie ist Ihr Eindruck: Haben die Interessen der Ökoenergien jetzt einen anderen Stellenwert als zuvor?

Ralf Schmidt-Pleschka: Dem Vernehmen nach ging es bei dem Treffen um die Vorbereitung des von Minister Robert Habeck angekündigten Oster-Pakets, das ja unter anderem die nächste EEG-Novelle enthalten soll.

Es ist gut und richtig, erst einmal mit den betroffenen Interessenvertretern zu reden und nicht zuerst Fakten zu schaffen und dann die Gesetze im Galopp durchzusetzen, wie wir es von der letzten Bundesregierung gewohnt waren. Diese Veränderung ist auch bei den Verbänden gut angekommen.

Insofern kann man schon von einem neuen Wind reden. Ob daraus ein starker Rückenwind für die Energiewende wird, bleibt natürlich noch abzuwarten.

Am Freitag verabschiedete die EU-Kommission den Entwurf der Taxonomie für Atomkraft und Erdgas. Ist die Kritik der deutschen Regierung an der Taxonomie, gerade was das Einbeziehen von Erdgas betrifft, nicht wohlfeil? Schließlich hat die Ampel Erdgas im Koalitionsvertrag als "Übergangsenergie" definiert. Genau das setzt die EU-Kommission mit der Taxonomie doch um.

Klares Nein. Es ist ein grundlegender Unterschied, ob man klimaschädliche Gaskraftwerke zur Absicherung der Versorgungssicherheit für eine Übergangszeit nutzt oder ob man diese Kraftwerke generell als nachhaltig und deshalb förderungswürdig einstuft. Das muss man auseinanderhalten. Eine Übergangstechnologie kann schließlich schon per Definition nicht nachhaltig sein.

Das Kind ist zudem bereits Mitte letzten Jahres in den Brunnen gefallen. Da hat die alte Regierung zugelassen, dass Frankreich den Spaltpilz Atomkraft in die EU-Taxonomie einbringen durfte. Zugleich begnügte sie sich damit, im Gegenzug der deutschen Gaswirtschaft ebenfalls ein grünes Mäntelchen umzuhängen.

Dieser Deal war ein Riesenfehler! Denn herausgekommen ist ein Stück Papier, das meilenweit von der klimapolitischen und energiewirtschaftlichen Realität entfernt ist. Wer Erdgas und Atomkraft als "grünes Investment" zertifiziert, macht sich nicht nur bei Umweltverbänden, sondern auch den großen Finanzplayern lächerlich.

Aber es gibt Hoffnung, dass die Sache doch noch ein vernünftiges Ende finden kann. Allein kann die neue Bundesregierung den Taxonomie-Entwurf zwar nicht aufhalten, doch zusammen mit den anderen kritischen EU-Staaten und dem EU-Parlament muss sie weiter entschlossen gegenhalten und darf sich nicht von den Krokodilstränen der deutschen Gaswirtschaft in die Irre führen lassen.

Nicht nur der Inhalt der Taxonomie, sondern auch das bisherige Verfahren ist eine Farce. Es gibt also reichlich Ansatzpunkte für eine Kurskorrektur.

Auf dem EEG-Konto hat sich Ende 2021 ein Überschuss von mehr als zehn Milliarden Euro aufgrund der stark gestiegenen Strompreise angesammelt. Das wird sich in diesem Jahr fortsetzen. Was sollte die Politik mit den Milliarden am besten anfangen?

Das Geld haben die Stromkundinnen und -kunden über die EEG-Umlage bezahlt, es muss deshalb an sie zurückgezahlt werden. Wie, darüber lässt sich sicher streiten.

Ich fände es nicht richtig, es zur Senkung der Strompreise zu verwenden. Denn zum einen sollte der Staat nicht direkt den Preis steuern und zum anderen ist nicht sicher, ob die Preissenkungen wirklich an alle Endkunden weitergegeben werden. Besser wäre die gezielte Unterstützung einkommensschwacher Haushalte. Zehn Milliarden Euro werden dafür natürlich bei Weitem nicht benötigt.

Allerdings dürfte ein Teil des Überschusses im Laufe des Jahres noch an die Betreiber von Solar- und Windenergieanlagen ausgezahlt werden. Außerdem schadet ein Polster nicht, denn ab dem kommenden Jahr sollen die gesamten Kosten für die Ökostromförderung aus dem Bundeshaushalt bezahlt werden.

Mit dem Überschuss kann folglich der Ausbau von Wind- und Solarenergie beschleunigt werden, ohne dass die Stromkundinnen und Steuerzahler dafür aufkommen müssen. Das senkt letztlich auch die Belastung für die Verbraucher:innen.

Ob die Klimaerwärmung bei 1,5 Grad gestoppt werden kann, ist zweifelhaft. Einige Wissenschaftler schlagen nun erneut vor, das Klima mit Aerosolen zu kühlen. Andere fordern jetzt ein Abkommen, um ein solches "Dimmen der Sonne" zu verbieten. Ein Konsens ist nicht in Sicht. Bekommen wir angesichts der Dynamik des Klimawandels immer mehr solcher Debatten um technische Notlösungen?

Je weniger wir tun, um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen, umso mehr werden solche Pseudo-Lösungen in Stellung gebracht werden – ob gigantische CO2-Lagerstätten im Untergrund oder Aerosol-Injektionen in die Atmosphäre. Aber das sind nur Ablenkungsmanöver. In Wahrheit gibt es nur eine Lösung: keine menschengemachten CO2-Emissionen mehr.

Die Menschheit muss den globalen Klima-Fußabdruck ab sofort senken und bis spätestens 2050 auf netto null bringen. Hoffen wir also nicht auf neue Großtechnik, sondern konzentrieren wir uns auf das Abschalten der vom Menschen verursachten Klimagasquellen.

Und was war Ihre Überraschung der Woche?

Meine Überraschung hat diese Woche einen Namen: Klaus Müller. Dass der Chef der Verbraucherzentralen an die Spitze der Bundesnetzagentur wechseln soll, ist ein echter Hammer, über den ich mich sehr freue. Lichtblick setzt sich seit Jahren zusammen mit Verbraucherverbänden für faire und transparente Netzentgelte ein. Mit Klaus Müller versprechen wir uns frischen Wind.

Fragen: Jörg Staude

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