Annalena Baerbock spricht im Bundestag am Rednerpult und unterstreicht das Gesagte mit der Hand.
Annalena Baerbock, hier im Bundestag. (Foto/Ausschnitt: ​Olaf Kosinsky/​Wikimedia Commons, CC by‑sa 3.0‑de)

Wenn man der Annahme folgt, dass Parteien im Wahlkampf demonstrieren, was sie im Falle einer Regierungsbeteiligung tun würden, dann wollen Union, SPD und FDP wohl einfach vier Jahre lang über die Grünen meckern. Letztere haben bisher im Grunde jedes Thema gesetzt, wenn auch teilweise unfreiwillig.

Diesmal geht es um eine politische Forderung: Die grüne Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock will, dass man im Jahr 2023 für einen Liter Benzin 16 Cent Klimaaufschlag zahlt.

Genau genommen will sie, dass dann eine Tonne CO2 in Deutschland 60 Euro kostet statt 25 Euro wie aktuell, was auf den Liter Benzin gerechnet laut ADAC schon etwa sieben Cent sind. So soll unter anderem die Verkehrswende an Fahrt gewinnen, obwohl es sich natürlich auch auf andere Lebens- und Wirtschaftsbereiche wie das Heizen auswirken würde.

Ihr SPD-Konkurrent Olaf Scholz fuhr schweres rhetorisches Geschütz auf: "Wer jetzt einfach immer weiter an der Spritpreisschraube dreht, der zeigt, wie egal ihm die Nöte der Bürgerinnen und Bürger sind", sagte er der Bild.

Die Tagespostille für Klimaungerechtigkeit hat aber nicht nur ihn befragt. "Es geht nicht, dass die Preise immer weiter nach oben gehen", sagte Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). Und FDP-Fraktionsvize Stephan Thomae wünscht sich eine Benzinpreisbremse.

Die Linke bringt Gegenvorschläge mit

Auch die Linke meckert ausgiebig. Dort hat man allerdings einen politischen Gegenentwurf im Gepäck. Man bevorzuge beim Klimaschutz "intelligentes Ordnungsrecht", schreibt das Spitzenduo Janine Wissler und Dietmar Bartsch gemeinsam mit dem Klimapolitiker Lorenz Gösta Beutin in einer Erklärung vom Freitag.

"Klimapolitik vor allem über Preiserhöhungen zu betreiben, spaltet die Gesellschaft und nützt dem Klima wenig, weil die Besserverdienenden, die zu einem höheren CO2-Ausstoß beitragen, die höheren Preise problemlos zahlen können", heißt es weiter.

Die Vorschläge der Linken sind an vielen Stellen noch recht unspezifisch. Auch ein Sätzchen zum Thema Erdgas, zu dem sich gerade Dietmar Bartsch in der Vergangenheit schon klimapolitisch fragwürdig geäußert hatte, wäre spannend gewesen. Wie die Partei es schaffen will, ihr extrem ambitioniertes Ziel "Klimaneutralität 2035" zu erreichen, ohne klimaschädliches Verhalten teurer zu machen, bleibt rätselhaft.

Aber der Fokus auf eine gerechte Verteilung der Kosten ist dringend nötig – einpreisen muss man dabei natürlich auch die gigantischen Kosten, die die Klimakrise verursacht, weil sie Lebensgrundlagen zerstört. Die Klimakrise ist insgesamt eine riesige Verteilungsfrage.

Die Linken tun galant als "schwammiges Grünen-Konzept der Kompensationszahlungen" ab, was die Grünen als Sozialausgleich eingeplant haben, nämlich das sogenannte Energiegeld. Das würde an alle Bürger:innen gleichmäßig aus den Einnahmen des CO2-Preises ausgeschüttet.

Reiche Haushalte bekämen dadurch wohl einen kleineren Anteil des für CO2 gezahlten Geldes zurück als arme – allerdings nur, weil die sich das Klimaanheizen von vornherein nicht im selben Maße leisten können.

Dass die Linken diesem Konzept keine große Beachtung schenken, lässt sich wohl durch Wahlkampftaktik erklären, aber vielleicht auch damit, dass sie es schlicht nicht als gerecht anerkennen.

Die Groko kritisiert Baerbock für Groko-Politik

Die große Aufregung der Bundesregierung hat hingegen schon fast komödiantisches Potenzial. Sie hat schließlich höchstselbst einen CO2-Aufpreis von 16 Cent auf den Liter Benzin geplant. Die Groko hat ja den CO2-Preis in Deutschland eingeführt – und dabei wohlgemerkt fast alle Ratschläge für einen wirksamen Sozialausgleich ignoriert.

Im Jahr 2025 soll der Ausstoß einer Tonne Kohlendioxid 55 Euro kosten, laut ADAC macht das schon 15 Cent pro Liter Benzin und 17 Cent pro Liter Diesel aus. Im Folgejahr ist dann ein CO2-Preiskorridor von 55 bis 65 Euro vorgesehen.

Durch ihre Zustimmung zum angehobenen EU-Klimaziel für 2030 hat die Bundesregierung aber längst eingewilligt, beim Klimaschutz noch nachzulegen, die entsprechende Reform des Klimaschutzgesetzes ist schon auf dem Weg. Mehr Klimaschutz ginge vielleicht auch auf andere Art und Weise, etwa durch Verbote klimaschädlicher Technologien – aber die Regierung hat eben den CO2-Preis ins Zentrum ihrer Klimapolitik gestellt.

Susanne Schwarz ist Redakteurin bei Klimareporter°. In ihrer Kolumne "Schwarze Zeiten" schreibt sie über große und kleine klimabezogene Krisenmomente. Es herrscht meist kein Themenmangel.

Es liegt also auf der Hand, dass es bei der Steigerung schneller vorangehen muss. Im Grunde kritisieren Union und SPD derzeit Annalena Baerbock für die Konsequenzen ihrer eigenen Regierungspolitik.

Bei der FDP sieht das kaum anders aus. Wenn in der FDP überhaupt mal jemand das Wort "Klimaschutz" zwischen zusammengekniffenen Lippen hervorpresst, kommen danach unweigerlich das "Marktinstrument" und der "CO2-Preis". In letzter Zeit auch "Wasserstoff", also der teuerste Kraftstoff, den es so gibt. Die "Profis" scheinen nicht daran gedacht zu haben, dass das dann auch bezahlt werden muss.

Absurder wird es in diesem Wahlkampf nicht mehr? Diese Prognose erscheint so schlüssig wie riskant.

Ergänzung um 23 Uhr: In dem Beitrag hieß es zunächst, dass die Linke das Energiegeld der Grünen in ihrem Papier nicht erwähnt. Das haben wir korrigiert.

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