Klimareporter°: Frau Stechemesser, in Ihrer Studie untersuchten Sie 1.500 klimapolitische Maßnahmen aus dem letzten Vierteljahrhundert. Davon waren nur 63 insofern erfolgreich, als sie spürbare CO2-Minderungen erzielten. Spricht das nicht dafür, dass Klimapolitik bislang eher nur in Worten und weniger in Taten stattfindet?

Annika Stechemesser: Schaut man sich die Entwicklung genauer an, ergibt sich aus unserer Studie eine gute Nachricht. Noch bis 2022 lag die Anzahl an Klimapolitiken pro Land im Schnitt zwischen vier und acht. Die von uns verwendeten neuartigen und umfassenden Politikdaten der OECD zeigen aber zugleich: Gerade in den letzten zehn Jahren haben sich Klimapolitiken immer mehr durchgesetzt, weil Regierungen diese aktiv angingen.

Dass die Anzahl der Klimamaßnahmen, die eine nennenswerte Emissionsreduktion nach sich zogen, vergleichsweise gering ist, weist auf eine Wissens- und Evaluationslücke hin. Offenbar ist zu wenig bekannt, welche Maßnahmenkombinationen wirklich aufs Klima wirken.

Diese Lücke schließen wir mit unserer Studie. Die 63 Fälle erfolgreicher Klimapolitiken können uns helfen, wichtige Merkmale erfolgreicher Klimamaßnahmen besser zu verstehen.

So zeigen unsere Ergebnisse, dass ein Politikmix, der sich auch auf preisliche Instrumente wie etwa CO2- und Energiesteuern stützt, gerade in wirtschaftlich entwickelten Ländern deutlich erfolgreicher ist.

Dass Klimapolitik in einem Politikmix besser wirkt, ist so neu nicht. So brachte der Ausbau der Erneuerbaren in Deutschland erst mit dem Kohleausstieg eine wirkliche CO2-Reduktion. Oder: Höhere Benzinpreise wirken wegen der geringen Preiselastizität erst dann richtig, wenn die Leute auch klimafreundliche mobile Alternativen haben.

Dass Politikmixe erfolgreicher sind, ist keineswegs so unumstritten. Unsere Studie weist das erstmals für eine gewichtige Zahl von Ländern und Sektoren nach. Welcher Politikmix der richtige ist, hängt dabei – auch das zeigt unsere Studie – vom Zustand des ökonomischen Sektors und dem wirtschaftlichen Entwicklungsstand des Landes ab.

Was ist damit gemeint?

Wir stellen zum Beispiel fest, dass etwa im Industriesektor die Preisgestaltung sowohl in entwickelten Ländern als auch in Ländern des globalen Südens eine wichtige Rolle spielt, jedoch auf unterschiedliche Weise. In entwickelten Volkswirtschaften ist sie als Einzelmaßnahme am effektivsten, während sie im globalen Süden die größte Synergie mit anderen Politiken zeigt.

Die Klimawissenschaft geht davon aus, dass das 1,5-Grad-Limit in den nächsten Jahren gerissen wird. Müssen Klimapolitiken heute nicht anders konzipiert und umgesetzt werden als zu Zeiten, als zum Beispiel noch das Zwei-Grad-Limit galt?

Bild: privat

Annika Stechemesser

ist Wissen­schaft­lerin am Potsdam-Institut für Klima­folgen­forschung (PIK). Ihr Schwer­­punkt ist die daten­gestützte Analyse der Aus­wirkungen des Klima­wandels auf Wirtschaft und Gesellschaft. Sie hat Mathematik an der Universität Duisburg-Essen und der University of Warwick studiert und am Potsdam Institut promoviert.

Gerade weil Klimaschutz immer dringlicher wird, konzentriert sich unsere Evaluation ausdrücklich auf Kombinationen von Maßnahmen, die zu großen Emissionsminderungen führten.

Entscheidend für gut gestaltete Politikmixe ist dabei, dass Steuer- und Preisanreize einbezogen werden. Würden mehr Länder auf solche Maßnahmen setzen, ließe sich die verbleibende Emissionslücke für 2030 um 26 bis 41 Prozent schließen, ergab unsere Studie.

Auch das ist erst einmal eine gute Nachricht. Natürlich konnten wir nur Maßnahmen evaluieren, die in der Vergangenheit bereits realisiert wurden. Wir erwarten für die Zukunft auch neue Ideen für den Klimaschutz.

Tatsächlich sehen wir in den Politikdaten eine große und steigende Vielfalt der politischen Ansätze beim Klimaschutz. Unsere Ergebnisse können dabei auch bei der Gestaltung neuer Klimainstrumente ein Fingerzeig für die richtige Richtung sein.

Stärker stellt sich künftig die Frage nach Klimagerechtigkeit. Länder wie die Schweiz, Österreich und Kanada gleichen steigende CO2-Preise mit der Zahlung von Klimaprämien oder einem Klimageld aus. Gehört diese Kombination nach Ihrer Untersuchung auch zum Kanon der erfolgreichen?

Für die CO2-Reduktion haben sich in entwickelten Ländern gerade solche Preisinstrumente als erfolgreich erwiesen. Würden mehr dieser Instrumente eingesetzt, könnten übrigens nicht nur Emissionen effizient reduziert werden. Es würden sich auch neue Möglichkeiten eröffnen, die Einnahmen in sozialer Hinsicht einzusetzen.

Ihre Studie gibt der Politik Hinweise, welcher Politikmix zum Erfolg führen könnte. Mit so einem "Etikett" verbindet sich offenbar auch die Hoffnung, dass sich eine ehrgeizige Klimapolitik leichter begründen und umsetzen lässt. Aber gibt es derzeit überhaupt genügend politischen Willen, beim Klimaschutz erfolgreich zu sein?

Die internationale Gemeinschaft hat das Pariser Klimaabkommen als gemeinsames Ziel zur Bekämpfung des Klimawandels vereinbart. Um die globale Erwärmung zu begrenzen, gibt es keine Alternative zur Reduktion der CO2-Emissionen.

Unsere Studie zeigt Politikmixe auf, die für Länder wie Deutschland erfolgversprechend sein können. Damit verringern wir die Wissenslücke, die über wirklich effektive Klimamaßnahmen besteht.

Natürlich spielt bei alldem eine Rolle, wie ehrgeizig der politische und gesellschaftliche Wille zum Klimaschutz generell ist.

 

Welche der erfolgreichen Maßnahmen würden Sie denn Deutschland empfehlen?

Politikmixe, die auch auf preisgestützte Instrumente setzen, wie etwa CO2- und Energiesteuern, sind gerade in wirtschaftlich entwickelten Ländern wie Deutschland deutlich erfolgreicher.

Schweden ist zum Beispiel ein Fall, der zeigt, dass im Gebäudesektor eine Kombination aus CO2-Bespreisung und Förderprogrammen für Sanierungen und den Heizungstausch erfolgreich sein kann. Mehr solcher Fälle, aus denen Deutschland lernen kann, finden sich in unserem Web-Dashboard.